US-Konferenz mit den Großen des Marktes

SW-Anbieter vertrauen voll auf einen Client-Server-Boom

04.12.1992

BOSTON (IDG) - Die Giganten der Softwarewelt gaben sich auf einer Konferenz der Forrester Research Inc. in Boston ein Stelldichein, um deutlich zu machen, mit welchen Strategien und Produkten sie in den nächsten Jahren am Markt bestehen wollen. Dabei ging es vor allem darum, wie auf den Trend zu Client-Server-Architekturen reagiert werden soll.

So rechnet sich etwa Dun & Bradstreet Software gute Chancen in diesem Marktsegment aus. Chairman John Imlay betonte, künftig würden solche Unternehmen am erfolgreichsten sein, die eine dicke Kapitaldecke mitbrächten, zu weitreichenden Allianzen mit anderen Anbietern bereit seien und auf aktuelle Markttrends schnell reagierten. Dazu zählten voraussichtlich - neben dem eigenen Unternehmen - die Dienstleister Andersen Consulting und EDS sowie die Softwarehäuser Microsoft und Sybase,

Die Softwarefiliale von Dun & Bradstreet, hervorgegangen aus, der Fusion zwischen McCormack & Dodge und der Management Science America Inc. (MSA), sieht sich selbst vorn, weil das Unternehmen im nächsten Jahr im großen Stil kommerzielle Standardsoftware für Client-Server-Umgebungen herausbringen will. Diese Zuversicht scheint jedoch zumindest für den deutschen Markt nicht berechtigt. Hier dominiert die Walldorfer SAP AG - und das in einem solchen Ausmaß, daß die US-Konkurrenz ihre Kölner Niederlassung bis Anfang nächsten Jahres räumen und vor dem übermächtigen Mitbewerber kapitulieren wird (siehe auch CW Nr. 48 vom 27. November 19942, Seite 1).

Zuversichtlich zeigte sich auf der Konferenz auch die Lotus Development Corp. Sprecher Jim Manzi will den Client-Server-Markt in erster Linie mit dem Groupware-Produkt Notes angehen. Das Produkt werde sich durchsetzend so der Chief Executive, weil es die Erstellung von Client-Server-Anwendungen nicht nur beschleunige, sondern auch erleichtere. Schon heute erwirtschafte Lotus mit Notes ein Zehntel ihres Gesamtumsatzes. Dieser Anteil werde sich künftig ständig erhöhen.

Manzi kündigte an, Lotus werde sein Zugpferd Nummer eins, das Spreadsheet 1-2-3, noch im nächsten Jahr für die Einbindung in Notes-Umgebungen präparieren. Den Mobile-Computing-Markt werde sein Unternehmen mit Anwendungen angreifen, die auf der Basis voll Notes und der E-Mail-Software "cc:Mail" entstehen sollen.

Standardverfahren der Programmierung

Daß die Zukunft der Client-Server-Verarbeitung objektorientiert sein werde, wagte Phillipe Kahn, Chef der Borland International Inc., zu prognostizieren. Weil objektorientierte Programmierung einen wiederverwendbaren, modularen Code erzeuge, gestalte sich die Entwicklung komplexer Client-Server-Programme leichter, schneller und kostengünstiger. "Heute", so Kahn, "experimentieren noch einige wenige Anwender mit dieser Technologie, doch schon bald wird dies das Standardverfahren der Programmierung sein."

Kahn gab sich keinen Illusionen darüber hin, daß der Wechsel in die Welt der Objektorientierung für viele Anwender schmerzhaft und mit Mühen verbunden sein werde. Die Erstellung der ersten objektorientierten Anwendungen wird nach seiner Ansicht bei den meisten Anwendern 25 Prozent mehr Zeit in Anspruch nehmen, als die gegenwärtigen Entwicklungsmethoden. Diese Umstellung könne nicht jeder Cobol-Programmierer verkraften. Letztlich lohne sich aber die Orientierung an objektorientierten Techniken, da diese einen größeren Return on Investment sicherstellten.

Die Strategie von Microsoft

Microsoft schließlich, vertreten durch Vice-President Michael Maples, will sich Client-Server-Marktanteile durch die Lieferung von Services aller Art für Client-Anwender sowie durch die Bereitstellung von Betriebssystemfunktionen und Standard-Programmier schnittstellen (API) sichern. An die Windows-Oberfläche sollen langfristig Kommunikations-, Datenzugriffs-, Sicherheits- und Print-Dienste gebunden werden.

Beispiel für die Strategie von Microsoft sei Windows für Workgroups, das die Peer-to-peer-Kommunikation zwischen kleinen Gruppen von Windows-Anwendern ermögliche. Weit mehr Services werde dann das ab Mitte nächsten Jahres angekündigte Windows NT bringen. Maples wagte die These, zwei Drittel aller Intel-basierten Server-PCs liefen Ende 1993 mit Windows NT. Die Mehrheit aller PCs, so der Microsoft-Sprecher weiter, sind Ende nächsten Jahres entweder Macintosh. Rechner von Apple oder Intel-basierte PCs, die mit Windows für Workgroups arbeiten.