Supersurver statt Mainframes/Cross-Data-Switch als Herzstueck der Power-PC-Server Lean Blue: IBM-Alternativen zu den hauseigenen Mainframes

10.11.1995

Von Guenter Martin*

Rechnersysteme fuer offene, den internationalen Standards folgende Client-Server-Strukturen, deren Leistungsstaerke beliebig skalierbar ist und die sich durch ein attraktives Preis-Leistungs- Verhaeltnis auszeichnen, waren die Zielvorgabe fuer die Entwicklung AIX-basierter SMP-Rechner.

Seit einiger Zeit bemerken Beobachter des Hardwaremarkts, dass sich das Einsatzfeld symmetrischer Multiprozessor-(SMP-)Rechner unter Unix aus dem technisch-wissenschaftlichen Umfeld in den kommerziellen Bereich bewegt. Zunehmend finden sie Akzeptanz als Alternativen zum Mainframe. Der Erfolg der SMP-Rechner ist in der Hauptsache darauf zurueckzufuehren, dass im Regelfall marktgaengige Mikroprozessoren zum Einsatz kommen, wodurch das Preis-Leistungs- Verhaeltnis dieser Angebote nur schwer zu uebertreffen ist.

Umfangreiche Untersuchungen haben gezeigt, dass bei einer Kopplung von acht bis zwoelf Prozessoren derzeit die optimale Leistungsausbeute dieser Rechnerklasse erreicht wird. Die Weiterentwicklung bei allen Bauteilen laesst jedoch eine weitere Erhoehung der Prozessorzahl erwarten. Desgleichen bringen die neuen Power-PC-Chips 604 Leistungssteigerungen. Daher sind die aktuellen Rechnermodelle fuer diese Aufruestung bereits im Design vorbereitet.

Dabei sollte immer im Blick behalten werden, dass die Prozessorleistung nur eine Komponente ist, die die Gesamt- Performance beeinflusst. Weil dem so ist, soll nachfolgend naeher auf das Zusammenspiel der Einzelkomponenten eingegangen werden.

Ein besonderes Designmerkmal der Power-PC-Server verbirgt sich hinter dem Begriff Data-Crossbar-Switch. Das ist quasi das Herzstueck der Neuentwicklung, bei der es galt, die Vorteile bisheriger SMP-Architekturen in einem neuen Ansatz zusammenzufassen. Der Data-Crossbar-Switch ist eine spezielle Umschaltlogik, die in der Lage ist, mehrere verschiedene Eingabekomponenten mit unterschiedlichen Ausgabekomponenten zu verbinden und diese Verbindungen zu kontrollieren.

Hierdurch wird jedem Prozessor der simultane Zugriff auf den gemeinsamen Hauptspeicher ermoeglicht, solange nicht ein anderer Prozessor die gerade angeforderten Daten benutzt. Dadurch lassen sich Operationen, die bei anderen SMP-Architekturen zwei bis drei Hauptspeicherlesezyklen benoetigen, in einem Zyklus abarbeiten. Ausserdem koennen gleichzeitig bis zu fuenf Datentransfers laufen - im Gegensatz zu gaengigen SMP-Implementierungen mit jeweils einem Datentransfer.

Technik aus der Welt der Grossrechner

Grossrechnertechnologie in Form eines schnellen Koppelnetzes verbindet die Prozessoren mit ihrem gemeinsamen Hauptspeicher. Das Koppelnetz gewaehrleistet mit seiner Bandbreite von 800 MB/s im Dauerbetrieb (1200 bis 1400 MB/s als Spitzenleistung) einen reibungslosen gleichzeitigen Zugriff und die schnelle Behebung von Cache-Inkohaerenzen.

Die Groesse des Data/Instruction-(L1-)Cache betraegt 32 KB pro Prozessor und der Level-2- (L2-)Cache zwischen 0,5 und 1 MB je Prozessor. Die SMP-Modelle bieten Hauptspeicherkapazitaeten von 64 MB bis 2 GB sowie internen Plattenspeicher von 2,2 bis 17,6 GB. Externe Erweiterungseinheiten ermoeglichen die Datenspeicherung mehrerer Terabytes.

Im kommerziellen Umfeld sind Zuverlaessigkeit, Verfuegbarkeit und Wartbarkeit von entscheidender Bedeutung. Die SMP-Modelle der RS/6000-Produktfamilie tragen dem durch einen eigenstaendigen Serviceprozessor Rechnung. Er ueberwacht staendig den korrekten Ablauf aller Operationen und leitet eventuelle Recovery-Massnahmen automatisch ein. Ueber ihn sind auch Ferndiagnose und Fernwartungsarbeiten moeglich.

Auch die SMP-Modelle des RS/6000 laufen mit dem gleichen Betriebssystem wie alle anderen Modelle dieser Produktfamilie: AIX. Dessen Version 4 ist ein Unix-Betriebssystem fuer industrielle Ansprueche. Es entspricht dem Portable Operating System Interface fuer Computerumgebungen (Posix IEEE 1003.1-1990) und dem IBM- Client-Server-Modell "Open Blueprint".

Mainframe-Benutzer werden eine hohe Affinitaet zu AIX entdecken. Sie finden sich wieder in der hohen Verfuegbarkeit, dem Journaled- File-System mit Fragment-Eliminierung und Kompression, dem Disk- Striping, dem Sicherheitskonzept und Adstar-Distributed-Storage- Management-Backup (ADSM), was eine unternehmensweite Datenintegritaet gewaehrleistet.

Da das AIX der SMP-Modelle sich nicht von dem anderer RS/6000- Modelle unterscheidet, steht dem Anwender die komplette Vielfalt existierender AIX-Applikationen zur Verfuegung und er hat somit Zugriff auf ueber 10000 Softwareloesungen. Dazu gehoeren auch SAP R/3 oder die Datenbanken von Sybase, Oracle, Informix. Darueber hinaus DB2 von IBM sowie viele branchenspezifische Anwendungen.

Cluster-Verarbeitung und Hochverfuegbarkeits-Funktionen stehen mit dem AIX High Availability Cluster Multi-Processing/6000

(HACMP/6000) auch fuer die offenen Systemumgebungen zur Verfuegung. Diese Software konfiguriert im Fehlerfall automatisch Ressourcen zwischen den CPUs in einem Cluster um. Moeglich macht dies die dynamische Konfigurierbarkeit des AIX-Kernels, wodurch Geraete im laufenden Betrieb aktivierbar sind, und das Journaled-File-System, welches mit seinen Logging-Mechanismen verhindert, dass bei einem Systemausfall das Dateisystem korrumpiert wird.

Unter HACMP/6000 sind die von einer Unterbrechung nicht betroffenen Systeme eines Clusters in der Lage, die Festplatten, LAN-Anschluesse etc. eines ausgefallenen Rechners binnen weniger Minuten vollautomatisch zu uebernehmen und Anwendungen neu anlaufen zu lassen.

*Guenter Martin ist Leiter Produkt-Management RS/6000-Server bei der IBM Deutschland Informationssysteme GmbH.