Zieht mit Konkurrenz-Chips nur gleich

"Supersparc"-Chip ist doppelt so schnell wie sein Vorgänger

29.05.1992

HOUSTON (CW) - Ein neuer Sparc-Chip, der etwa doppelt so schnell rechnet wie der bisher übliche Sparc-Chip-Satz und außerdem den Multiprozessor-Betrieb erlaubt, ist bei Texas Instruments Inc. (TI) in die Serienfertigung gegangen. "Supersparc", ein RISC-Prozessor, faßt mit seinen 3,1 Millionen Transistoren als erster Chip die zwölf Komponenten des bisher üblichen Chip-Satzes zusammen. Laut Hersteller soll das neue Rechenwerk mit den etwa 5000 für Sparc-Rechner erhältlichen Programmen kompatibel sein.

Texas Instruments bietet den 32-Bit-Chip, der bisher unter dem Decknamen "Viking" gehandelt wurde, zunächst mit Taktraten von 33 und 40 Megahertz an. Die vermutlich erste Workstation mit dem neuen 32-Bit-Chip, Suns "Sparcstation 10", wird bei gleicher Taktfrequenz etwa doppelt so schnell rechnen wie das Vorgängermodell, die "Sparcstation 2". Während der alte Rechner im Sparc-Benchmark auf 24 bis 30 Specmarks kam, soll der neue Rechner 40 bis 50 Specmarks erreichen.

Doch Beobachter zeigten sich trotz der knapp verdoppelten Rechenleistung enttäuscht, hatten sie doch Werte zwischen 60 und 70 Specmarks erwartet. In diese Regionen werden die Supersparc-Computer aber erst mit den 45- und 50-MHz-Versionen des neuen Chips vorstoßen, die TI später im Jahr einfuhren will. Die Leistung der 50-MHz-Ausführung soll dann bei maximal 150 MIPS liegen und damit etwa dreimal so schnell arbeiten wie ein herkömmliches Sparc-System. Zum Vergleich: Hewlett-Packards neueste Version des RISC-Chips "PA-Precision" erreicht 120 Specmarks, Digital Equipments "Alpha"-CPU 150 Specmarks. Noch in der Planung ist eine 100-MHz-Version von Supersparc, die TI frühestens 1993 herausbringen wird.

Michael Slater, Herausgeber der US-Fachzeitschrift "Microprocessor Report", meint zu den unerwartet niedrigen Werten: "Sie erreichen damit immer noch nicht die Leistung anderer Einzel-Chip-Prozessoren im High-end." Andere Experten glauben allerdings, daß TI diesen Nachteil durch ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis ausgleichen könnte.

Die höheren Rechengeschwindigkeiten verdankt Supersparc vor allem dem superskalaren Aufbau, wie er bereits in DECs Alpha, IBMs RS/6000-Chip-Satz, Motorolas 89110 und Mips' R4000 zu finden ist. Diese Architektur erlaubt es ihm, mehrere Befehle gleichzeitig zu verarbeiten. Herkömmliche Mikroprozessoren kommen im Durchschnitt nicht über einen Befehl pro Takt hinaus, der neue Chip verarbeitet dagegen rund anderthalb Befehle pro Zyklus. Diesen Geschwindigkeitsvorteil können Sparc-Programme aber erst dann ausschöpfen, wenn sie rekompiliert und so der neuen Prozessor-Architektur angepaßt worden sind.

Wem die Leistung eines einzelnen Prozessors nicht reicht, der setzt in seine Supersparc-Workstation einfach weitere Chips ein. Der neue Chip unterstützt den "M-Bus" des Sparc-Standards so daß bis zu vier der neuen CPUs parallel arbeiten können. Mit vier Exemplaren der angekündigten 50-MHz-Ausführung würden sich beispielsweise Geschwindigkeiten von bis zu 600 MIPS erreichen lassen.

Für erhebliche Unruhe hat in Sparc-Kreisen gesorgt, daß TI vorläufig nicht in der Lage zu sein scheint, das neue Produkt in so großer Stückzahl herzustellen, daß das Unternehmen alle potentiellen Abnehmer damit versorgen kann. Entgegen früheren Versprechen sollen zunächst nur die elf "Executive Members" der Sparc-Vereinigung beliefert werden, zu denen ICL, Matsushita und Sun gehören. Frühestens im Oktober will TI dann die "Associate , Members" bedienen, zu denen die meisten Wettbewerber von Sun gehören.

Die großen Sparc-Computeranbieter gewinnen so einen Marketing-Vorsprung von vier bis fünf Monaten. Entsprechend sauer reagieren die assoziierten Mitglieder. Majid Eskandari, Product Marketing Manager für Workstations bei Tatung, machte aus seinem Ärger keinen Hehl: "Wir sind enttäuscht. Alle Sparc-Anbieter sollten mit der gleichen Technologie arbeiten können." Er wolle jetzt zusammen mit den Vertretern anderer Unternehmen mit TI und Sun verhandeln, um die Entscheidung rückgängig zu machen.

Doch auf diese Gespräche wartet Sun natürlich nicht. Als erster Hersteller will das Unternehmen - einen Supersparc. Rechner präsentieren. Als weitere Hersteller, die demnächst Supersparc-Workstations herausbringen könnten, sind ICL und Solbourne im Gespräch.

Der Supersparc-Chip ist das Ergebnis einer Zusammenarbeit zwischen der Sun Microsystems Computer Corp. und TI, auf die sich die beiden Unternehmen Ende 1988 verständigt hatten. Die Sun-Ingenieure entwickelten den Chip, TI-Spezialisten setzten das Design in die Fertigung um. Die beiden Unternehmen teilten mit, daß weitere Produkte in Vorbereitung seien, darunter eine "Tsunami" genannte preiswerte Version des Supersparc-Prozessors mit besonders geringem Energiebedarf, aber hoher Leistung für Workstations und Portables. Auch die nächste Sparc-Generation peilen die beiden Firmen bereits an: Bis zum Jahr 2000 soll ein 64-Bit-Sparc-Prozessor auf den Markt kommen. Die Merkmale des Zukunfts-Chips: über 100 Millionen Transistoren, Taktraten um die 1000 Megahertz und eine Leistung von mehr als 2000 MIPS.