Tricord-Niedergang zeigt Marktgesetze auf

Superserver-Anbieter gehen vor Marktgrößen in die Knie

07.03.1997

Als Tricord Ende der 80er Jahre glaubte, mit einer ausgefeilten Architektur den seinerzeit noch unterbesetzten Markt der PC-Server aufrollen zu können, schien das Unternehmen um Firmengründer Larry Ingwersen sehr gute Karten in der Hand zu haben. Die Firma aus Plymouth, Minnesota, hatte die nicht nur in Servern virulente Problematik von I/O-Subsystemen, die immer der Engpaß des Rechnersystems sind, zu umgehen versucht, indem sie ihre gesamte Peripherie an einen 32 Bit breiten proprietären "Powerbus" anhängte. Bei diesem handelte es sich um eine Weiterentwicklung des C-Busses von Corollary. Außerdem entwarf Tricord eine auf seine "Powerframe"-Rechner zugeschnittene "IDA"-Speichersubsystem-Technologie (IDA = Intelligent Disk Array). Um die eigentliche CPU zu entlasten, stattete Tricord die Powerframe-Systeme zudem mit dedizierten I/O-Prozessoren (IIOP) aus.

Mit ihrem Konzept, Standardkomponenten aus der PC-Welt in frisierte Server zu integrieren, gehörte Tricord zur absoluten Avantgarde der PC-Server-Szene. Daneben boten nur noch Netframe mit seinen "NF-Series"-Rechnern, Parallan mit dem "Server 290" und Compaq mit "Systempro"-Maschinen mit.

Analysten des Marktforschungsunternehmens Forrester Research äußerten sich in einer Studie zu Superservern im November 1991 noch sehr wohlwollend über Tricord. Die Forrester-Mitarbeiter definierten dabei einen Superserver als ein System, das zum einen mit den weitverbreiteten Intel-CPUs rechnet, zum anderen Multiprozessor-Architekturen bedient. Superserver zeichnen sich nach Meinung der Analysten ferner durch besonders auf I/O-Aktionen getrimmte Architekturen aus. Zudem können die PC-Muskelprotze erhöhte Datenintegrität bieten.

Doch die Forrester-Analysten warnten vor sechs Jahren auch schon, daß Tricord in Schwierigkeiten kommen könnte, wenn sich vergleichsweise Schwergewichte wie Dell, ALR oder gar die IBM, Hewlett-Packard oder Digital Equipment mit Ernst des PC-Server-Marktes annehmen würden.

Genau dies passierte. Betrachtet man das Schicksal der Superserver-Quadriga Compaq, Netframe, Parallan und Tricord, so hat im Prinzip nur ein einziges Unternehmen den harten Konkurrenzkampf mit Erfolg bestanden: Compaq, das die mit Abstand größte Finanzbasis besaß.

Das kann nicht verwundern, meint Paul Bosse, ehedem für den Vertrieb von Tricord-Systemen in Europa zuständig und heute bei der Open Connect Systems beschäftigt. Bosse macht für den Niedergang der meisten Superserver-Anbieter ihren Mangel an konkurrenzfähigen personellen und finanziellen Ressourcen verantwortlich, um die eigene Technologie weiterentwickeln zu können und diese dann auch mit Hilfe wirksamen Marketings an den Mann zu bringen. Firmen wie Compaq oder Dell seien da bei weitem überlegen.

Im Fall Tricord sei noch eine wechselhafte Vertriebsstrategie hinzugekommen. Als Bosse bei Tricord einstieg, ging die Larry-Ingwersen-Company ihre Kunden noch über den Direktvertrieb an. Dann schloß das Unternehmen Vertriebspartnerschaften mit Sequent und Memorex Telex. Insbesondere Memorex Telex sei in Deutschland recht erfolgreich gewesen.

Allerdings agierte Tricord in der Alten Welt schon immer recht unglücklich: Eine Vertriebspartnerschaft mit der Kölner CPT Computer Partner Team GmbH wurde relativ schnell wieder aufgegeben. Der Versuch, in der rheinländischen Stadt mit einer Tricord-AG-Niederlassung selbst Fuß zu fassen, scheiterte bereits im Ansatz.

Heute ist die Memorex Telex GmbH, die sich mittlerweile zum Systemintegrator gewandelt hat und die Rechner etwa von IBM, Compaq und Toshiba vertreibt - im Gegensatz zu Tricord "alles Produkte von Marktführern", wie Firmensprecherin Gisela Tan sagt -, nicht mehr bereit, zum Thema Tricord noch eine Aussage zu machen, und verweist auf die US-Konzernmutter in Kalifornien.

Auch Netframe hat sich gerade erst aus Europa wieder zurückgezogen. Olivetti vertreibt deren Rechner nicht mehr. Parallan, ein weiterer Superserver-Anbieter der ersten Stunde, ging wegen Geldmangels eine verhängnisvolle Affäre mit der IBM ein. Big Blue beteiligte sich zunächst mit zehn Prozent an Parallan, kaufte das Kleinunternehmen dann komplett auf, bloß um es später wieder ganz abzustoßen.

Bosse meint, Firmen wie Netframe, Parallan und Tricord hätten nie die kritische Masse erreicht, um am Markt agieren zu können: "Entweder man bleibt bei Umsätzen zwischen 60 und 100 Millionen Dollar stecken, oder man schafft es, auf 250 und 500 Millionen Dollar durchzustarten." Tricord hat diesen Durchbruch nie geschafft.

Ein wesentlicher Grund für den Mißerfolg der Server-Anbieter ist aber auch, daß sich spätestens ab 1994/95 alle arrivierten Hersteller auf das lukrative Marktsegment der hochleistungsfähigen PC-Server stürzten.

Marktforscher sahen Untergang voraus

Die Meta Group prognostizierte schon im Sommer 1994, daß Intels Ankündigung, Prozessorkarten mit vier CPUs zu entwerfen und als OEM-Produkt zu vermarkten, einen Trend zu PC-Servern von der Stange einleiten werde.

Genauso ist es gekommen: Heute haben wieder die Großen wie IBM, HP, Compaq, DEC, Sequent, Unisys, SNI und Data General im Intel-basierten Server-Markt das Sagen. Für kleine, innovative Unternehmen bleibt da kein Raum.