Alliant Computer Systems geht in die Knie

Superrechner-Hersteller stellt sich unter den Gläubigerschutz

12.06.1992

LITTLETON (jm) - Die Alliant Computer Systems Corp. hat aufgrund finanzieller Schwierigkeiten Gläubigerschutz nach Chapter eleven des US-amerikanischen Konkursgesetzes beantragt. Gleichzeitig stellte die Company um President Craig Mundie alle Entwicklungs- und Vermarktungsaktivitäten ein. Nur der Service für die bestehende Kundenbasis wird aufrechterhalten.

Alliant-Manager hegen allerdings noch die Hoffnung, das nunmehr schon seit Jahren mit Verlusten kämpfende Unternehmen finanziell so umzuorganisieren, daß sowohl FuE- als auch Marketing-Aktivitäten wieder aufgenommen werden können (siehe CW Nr. 23 vom 5. Juni 1992, Seite 1 "Alliant Computer...").

Die Chancen hierfür werden allerdings sogar in der Führung des Unternehmens aus Littleton, Massachusetts, nicht unbedingt hoch eingeschätzt. So mußte Finanzchef Patrick Scannell Jr. konzedieren, daß die Suche nach Finanzpartnern recht langwierig sei.

Problematisch ist ganz offensichtlich, daß potentielle Kunden durch die andauernden schlechten Nachrichten aus dem Hause Alliant von Käufen beziehungsweise Leasing-Verträgen abgeschreckt werden. In den vergangenen acht Quartalen mußte der Hersteller der FX/2800-Systeme, die mit bis zu 28 RISC-CPUs von Intel (860) arbeiten, mit sinkenden Umsätzen kämpfen. Die Verluste des Unternehmens waren nach Scannells Worten ein Grund mehr für Interessenten, die finanzielle Situation von Alliant genau zu überdenken, was in der Folge zu weiter nachlassenden Bestellungen führte. "Schließlich hat man uns nicht einmal mehr bei Ausschreibungen bedacht", so der Finanzchef.

Schuld an den Schwierigkeiten hatte offensichtlich auch die Umstellung der Produktlinie von CISC- auf RISC-Prozessoren. In diesem Architekturwechsel, der sich von den ehemaligen "FX/40"- und"FX/80"- sowie den "Visualization-Series"-Modellen auf die FX/2800-Rechner vollzog, sah in der Vergangenheit auch Chief Operating Officer (COO) Mundie den Hauptgrund für die schleppende Nachfrage nach Alliant-Rechnern.

Nicht genug Software für Alliant verfügbar

Gegenüber der COMPUTERWOCHE hatte der Sprecher eines schweizerischen Pharmakonzerns aber vor allem auf die Probleme verwiesen, die softwareseitig bestünden. So stelle die Parallelisierung bestehender Anwendungen eine nicht triviale Schwierigkeit dar: "Wir haben uns da auch mehr Unterstützung von Alliant versprochen."

Zudem sei es richtig, daß Konkurrent Convex über wesentlich mehr Software-Anwendungen verfüge als Alliant, "die nicht nur irgendwie, sondern glatt, ohne Probleme laufen". Dieser Vorteil mache die bittere Pille wett, die Convex-Kunden wegen der nicht zukunftsträchtigen CISC-Architektur schlucken müßten.

Auch die Konkurrenz aus den unteren Rechneretagen machte sich für Alliant negativ bemerkbar: Hochleistungs-Workstations drängten in Marktsegmente, die der Supercomputer-Hersteller mit seinem Angebot abzudecken gedachte. Wie ein Branchen-Insider gegenüber der COMPUTERWOCHE bereits vor Monaten äußerte, seien diese meistens RISC-basierten Systeme eine große Gefahr auch für einen Hersteller wie Cray Research: "Diese Rechner sind heutzutage so leistungsfähig, daß es sich - auch unter Kostenaspekten - durchaus lohnt, einen Workstation-Verbund aufzubauen, bei dem jeder Wissenschaftler eine potente Arbeitsstation für sich auf dem Tisch stehen hat."

Unter anderem dieser Wettbewerb hat die FX/2800-Verkäufe im laufenden Jahr praktisch zum Erliegen gebracht. Die Hoffnung, daß mit diesem System als Cash-cow genug Geld ins Unternehmen fließen würde, bis dann das im Herbst 1991 in den USA vorgestellte Multiprozessor-"Campus/800"-System (MPP) im Markt etabliert sei, hatten sich zerschlagen. Noch einmal Scannell: "Die FX/2800 sollte 1992 das Geld bringen. Zur gleichen Zeit wollten wir unsere MPP-Lieferungen ankurbeln."

Das FX/2800-Geschäft wäre jedoch völlig in sich zusammengebrochen und "wir waren auf einmal abhängig vom Erfolg des MPP-Systems". Das aber sei eine enorm gefährliche Situation gewesen.

Insgesamt konnte Alliant lediglich drei FX/2800-Systeme im ersten Quartal 1992 an den Mann bringen, für das darauffolgende Vierteljahr blieben die Auftragsbücher leer. Ein für Mai 1992 eingeplanter Verkauf mußte auf die lange Bank geschoben werden, für ein weiteres bereits installiertes System gingen keine Zahlungen ein "wegen einer komplexen Leasingfinanzsituation", wie Scannell es ausdrückte. Im Ergebnis lief Alliant Gefahr, finanziell ausgetrocknet zu werden, worauf das Management mit dem Gang zum Konkursgericht reagierte.

Anläßlich der Vorstellung der als Cluster-Komplex von FX/2800-Rechnern ausgelegten MPP-Systeme hatte Alliant Ende 1991 als Reaktion auf stagnierende Absatzzahlen das gesamte Vertriebswesen unter anderem in Deutschland umgestellt und sich bei dieser Gelegenheit gleich von einigen Mitarbeitern wie dem Applikationsingenieur Rüdiger Wolf und vor allem von dem fähigen Vertriebsleiter Kolja Kuse getrennt, der nun die Einstiegsmodelle von Cray Research auf dem deutschen Markt plaziert.

Ab Dezember 1991 wurde die Münchner Vertriebs- und Servicedependance praktisch eingemottet. Verkaufsversuche fanden im deutschen und schweizerischen Raum über die schweizerische Holding Ultra Performance Technology (UPT) statt. Diese vertrieb übrigens auch die massiv-parallelen Systeme von Maspar über die Maspar Distributed sowie Sequents Unix-Rechner über die ebenfalls unter dem Dach der UPT-Holding angesiedelten Sequent Distributed. Holding-President und Ex-Convex-Mann Bernd Kuhne war darüber hinaus in Personalunion geschäftsführender Gesellschafter der Alliant Computer Systems GmbH in Frankfurt sowie President und CEO der gleichnamigen AG in der Schweiz.

Kuhne war weder in der Schweiz noch in Frankfurt zu erreichen, um sich zu den Vorgängen innerhalb der Alliant Computer Systems zu äußern.

Im Zuge der Chapter-eleven-Verhandlungen speckte Alliant schon einmal kräftig ab: 165 der 225 Mitarbeiter erhielten den blauen Brief. Den bitteren Kelch bekamen die meisten FuE-Mitarbeiter und Verkaufsbeziehungsweise Marketing-Mitarbeiter gereicht. Auch die Führungsetage blieb nicht ungeschoren: Bis auf drei verloren alle Company-Manager ihren Job.

Scannell arbeitet momentan mit dem Bostoner Konkursgericht einen Plan aus, um Alliant zu reorganisieren. Obwohl er sich zu den Überlegungen nicht detailliert äußerte, deutete er an, daß es "Interesse von außerhalb gebe, Alliant nicht sterben zu lassen". Gespräche haben offensichtlich unter anderem schon mit Convex stattgefunden. Auch von dieser Seite waren Kommentare nicht zu erhalten.