Software-Architektur für Web-Services

Suns ONE setzt ganz auf Java und XML

16.02.2001
MÜNCHEN (fn) - Baupläne für Web-Dienste vorzustellen ist in Mode gekommen. Dem Trend konnte sich auch Sun nicht mehr verschließen und präsentierte in San Franzisko sein "Open Net Environment" (ONE). Firmen sollen auf Basis von Java und XML Netzdienste entwickeln, verknüpfen und für unterschiedliche Endgeräte zur Verfügung stellen.

Unter einem Web-Service versteht Sun einen im Netz verfügbaren Dienst, der sich auf die Bedürfnisse des Nutzers einstellt. Er kennt die Identität des Users - egal ob Konsument oder Unternehmen -, berücksichtigt dessen Präferenzen sowie sein bisheriges Verhalten und beliefert ihn mit Informationen, und zwar abgestimmt auf das jeweilige Endgerät. Bei Bedarf tritt der Netzdienst mit anderen in Verbindung, um Daten anzufordern oder abzuliefern. Trotz der hochtrabenden Bezeichnung sind Web-Services jedoch nichts weiter als Programme, die als Enterprise Javabeans auf einem Netz-Server beziehungsweise einem Endgerät laufen.

Suns Architektur bildet die Umgebung, in der diese Services entwickelt, kombiniert und veröffentlicht werden. ONE besteht aus Integrations-, Container- und Delivery-Komponenten (siehe Grafik). Unter "Services Integration" fasst Sun die Einbindung bestehender IT-Systeme, Anwendungen sowie andere Web-Services zusammen. Hier stützt sich das Unternehmen auf bestehende und künftige Produkte von Iplanet, einer Firmenallianz des Herstellers mit der AOL-Tochter Netscape. Zu diesen Tools gehören der "Iplanet Integration Server", die B-to-B-Integrationssoftware "Ecxpert" für den Datenaustausch via XML und EDI sowie der "Trustbase Transaction Manager", ein System zum sicheren Austausch von Messages auf Basis von digitalen Zertifikaten.

Die Programmlogik der Web-Services wird als Enterprise Javabeans implementiert und in einem Java-Applikations-Server gespeichert. Der Endanwender greift auf die Web-Services im Netz zu, und zwar über Iplanet-Server wie dem "Application Server", "Web Server" oder "Portal Server". Services sollen sich nach den Plänen von Sun aber auch in Endgeräten speichern lassen, beispielsweise solchen, die der Anwender mit sich trägt. Hier setzt die hauseigene Java 2 Micro Edition (J2ME) an.

XML als Service-SchnittstelleDie Entwicklung von Web-Services stellt sich Sun so vor: Firmen schreiben die Programme mit Entwicklungsumgebungen, Codegeneratoren sowie XML-Editoren und verbinden sie dann mit anderen Services. XML dient dabei als Schnittstelle zwischen den Web-Diensten, wobei sich das Interface mit Protokollen wie Simple Object Access Protocol (Soap) oder Electronic Business XML (ebXML) realisieren lässt. Auf diese Weise ließen sich Suns Web-Services beispielsweise auch mit Produkten wie Microsofts "Biztalk Server" verbinden, der ebenfalls Soap unterstützt.

Die für den Datenaustausch zwischen Services verwendeten Formate werden unter anderem mit Document Type Definitions (DTDs) oder XML-Schemata festgelegt. Außerdem sollen die Dienste einen Eintrag in einem Netzverzeichnis auf Basis von Universal Description, Discovery and Integration (UDDI) oder ebXML Registry and Repository erhalten - an entsprechenden Verzeichnis-Servern arbeitet Sun bereits. Über eine formale Beschreibung tut ein Web-Service kund, welchen Funktions- und Informationsumfang er beinhaltet. Hier kommt die Web Services Description Language (WSDL) zum Einsatz; sie stammt aus der Feder der UDDI-Initiatoren Ariba, IBM und Microsoft.

Zeitgleich mit der ONE-Präsentation stellte Sun das "Webtop Developer Release" vor. Es dient der Entwicklung von Web-Services, die Endanwendern Office-Applikationen bereitstellen. Im Wesentlichen basiert diese Software auf dem Produkt "Starportal". Über Webtop-Services haben Endanwender Zugriff auf Funktionen wie Textverarbeitung, Tabellenkalkulation, E-Mail sowie auf ihre persönliche Arbeitsumgebung und Dateien. Auch hierbei passt sich der Service an die Eigenschaften des Endgeräts an, sei es nun ein PC, mobiles Telefon oder PDA. Noch läuft dieses Entwicklungsprodukt jedoch nur auf Suns Rechnern unter dem Betriebssystem "Solaris". Im vierten Quartal sollen Versionen über Linux sowie Windows 2000 folgen.

Obwohl viele Teile von Suns One-Konzept bereits am Markt verfügbar sind, wird die Architektur erst 2002 komplett sein. Bis dahin sollte es dem Unternehmen gelungen sein, die Fachwelt zu überzeugen, wozu Web-Services gut sind und vor allem, welche Vorteile sie gegenüber schon heute verfügbaren Internet-Applikationen haben. Laut Sun wollen 40 unabhängige Softwarefirmen ONE unterstützen beziehungsweise dafür Produkte entwickeln.

Darüber hinaus muss sich das Unternehmen gegen Microsofts .NET-Strategie behaupten. Und nicht nur das: Auch Hewlett-Packard will mit "E-Services" den Markt für intelligente Netz-Dienste bedienen. Das Unternehmen hat zwei Tage nach Suns ONE-Vorstellung die erste kommerzielle Version der "E-Speak Service Engine" auf den Markt gebracht. E-Speak ist die Technologieplattform, mit der sich Web-Services realisieren lassen. Diese Plattform besteht aus einer "Service Framework Spezification", die HP nun in der "Service-Engine"-Software implementiert hat. Auch diese Entwicklung berücksichtigt Standards, wie etwa die Komponentenmodelle Corba, Com+ und Enterprise Javabeans sowie XML. Damit entworfene Web-Services sind ebenfalls in der Lage, unterschiedliche Endgeräte zu bedienen.

Ob die Idee der Web-Services überhaupt bei Anwenderfirmen verfängt, ganz gleich, welcher Hersteller die Basistechnologie liefert, steht noch in den Sternen. "Es wird noch lange dauern, bis Unternehmen etwas nützliches damit anfangen können", meint beispielsweise Will Zachmann, Vice-President beim Beratungshaus Meta Group.

Beispiel für Web-ServicesWie das Zusammenspiel von Web-Services mit Anwendungen sowie Endgeräten aussehen kann, beschreibt Sun an einem Beispiel. Ein Kunde bestellt sechs Artikel in einem Online-Shop, und das Verkaufssystem teilt ihm automatisch mit, dass er innerhalb zweier Werktage die Ware erhält. Doch die Zulieferer von Teilen zur Herstellung der Produkte melden Engpässe bei der Produktion, so dass nicht alle sechs Artikel gleichzeitig geliefert werden können. Normalerweise würde der Web-Händler die ersten Teile ausliefern und später den Rest hinterherschicken. Ein Web-Service könnte stattdessen herausfinden, wie wichtig der Kunde ist, sprich, seine Kaufhistorie untersuchen, um dann zu entscheiden, ob eine Änderung des Produktionsablaufs in Frage kommt oder andere Lieferanten eingeschaltet werden sollen. Der intelligente Service wäre zudem in der Lage, den Kunden selbst entscheiden zu lassen, indem er ihn per SMS, E-Mail oder Fax fragt, ob er eine vollständige Lieferung wünscht oder mehrere Teillieferungen akzeptiert.

Abb.1: Open Net Enviroment

In seine Service-Architektur hat Sun sein gesamtes Portfolio an Software eingefügt. Dennoch wird das Framework erst 2002 komplett sein. Quelle: Sun

Abb.2: Einfache Botschaft

Unternehmen sollen mit Suns ONE Web-Services erstellen, kombinieren und im Netz verbreiten. Quelle: Sun