Der Streit ums Internet eskaliert

Sun verklagt Microsoft wegen Vertragsbruchs

17.10.1997

Bekommt Sun vor dem Bezirksgericht im kalifornischen San Jose recht, wird Microsoft möglicherweise die Java-Lizenz entzogen, und der Internet Explorer kann künftig nicht mehr mit Java-Logo und -Techniken ausgeliefert werden. Damit käme es zu einer noch tieferen Spaltung der Internet-Gemeinde in Microsoft-Gegner und -Befürworter.

Bill Gates geht das Risiko der Ausgrenzung ein, um so ein wichtigeres Ziel zu erreichen: Er möchte die Entwicklung von Java zur Anwendungsplattform stoppen. Microsoft weigert sich, Techniken wie die "Remote Method Invocation" (RMI) in den Internet Explorer zu integrieren. Diese Technik dient Sun dazu, Java als unabhängige Applikationsplattform für das Internet zu etablieren. In der Verteidigung seiner Desktop-Dominanz geht Microsoft so weit, die Offenheit des Internet und damit eine der wichtigsten Infrastrukturen für globale Geschäfte zu gefährden.

Das Konzept, Programme und Informationen auf beliebigen Endgeräten verwenden zu können, ist eine der grundlegenden Ideen des universellen Netzes. So fordert zum Beispiel AT&Ts Cheftechniker Dave Nagel: "Java muß ein offener Standard bleiben." Im Interesse seines Unternehmens liege es, als Telecom-Konzern Kommunikationsdienste gleichermaßen für PCs, Fernseher, Telefone und andere elektronische Geräte bereitstellen zu können. Dafür brauche AT&T eine Technik, die "überall läuft".

Entwickler müssen sich nun zu ihrem Leidwesen für eine der beiden Seiten entscheiden, also ihre Java-Projekte zurückstellen oder zwei verschiedene Versionen ihrer Programme schreiben. Ihr Interesse gilt daher vor allem einer Einigung zwischen Sun und Microsoft. Dabei überwiegen bislang die Stimmen, wonach sich Microsoft an die Vereinbarungen über Plattformunabhängigkeit halten soll.

Laut Sun führen die aktuellen Java-Werkzeuge der Gates-Company dazu, daß Entwickler unabsichtlich Anwendungen schreiben könnten, die nur auf Microsoft-Plattformen laufen. Davon betroffen sind zum Beispiel Unix- und Mac-Anwender, aber auch Benutzer des Netscape-Browsers Letztere haben Schwierigkeiten, auf Web-Seiten zuzugreifen, die mit Microsoft-Entwicklungs-Tools gestaltet wurden. Umgekehrt laufen Programme, die mit den von Sun herausgegebenen Java Foundation Classes (JFC) geschrieben wurden, nicht mit dem Internet Explorer 4.0.

Tatsächlich hat die Gates-Company Core-Bibliotheken aus dem Java Development Kit (JDK) um eigene Klassen erweitert, die als solche nicht ohne weiteres zu erkennen sind. Außerdem weigert sich Microsoft, zwei Javasoft-Techniken einzubinden. Neben dem RMI, mit dessen Hilfe Java-Anwendungen über verschiedene Plattformen hinweg miteinander kommunizieren können, handelt es sich um das "Java Native Interface" für die Nutzung von plattformspezifischem Code.

"Wir halten uns streng an den Wortlaut des Vertrages", beteuert Microsoft-Vize Steve Ballmer. Soweit bisher bekannt, hat Microsoft tatsächlich nur Funktionen weggelassen oder hinzugefügt, die Java-Spezifikationen aber nicht manipuliert - auch wenn die Folgen dieselben sind. Zum Vertrag gehören aber auch die Kompatibilitätstests von Sun, die der Internet Explorer in der Microsoft-Konfiguration offensichtlich nicht erfolgreich durchlaufen hat.