Diskussion um Kontrolle oder Offenheit

Sun stoppt Java-Standardisierung

17.12.1999
MÜNCHEN (CW) - Sun Microsystems hat entschieden, die Java 2 Standard Edition (J2SE) nicht für die Standardisierung bei der European Computer Manufacturers Association (Ecma) freizugeben. Dieser Strategiewechsel hat für erhebliche Verwirrung gesorgt.

Die Java-Technik gilt als unabkömmliche Infrastruktur für alle Unternehmen, die im Internet aktiv sein wollen. Insofern hat diese Benutzergemeinde großes Interesse daran, daß die Standardisierung in nachvollziehbaren Bahnen läuft und über die Herstellerinteressen hinaus in einem offenen Prozeß alle relevanten Anforderungen einbindet. "Von Sun erhält man eine klare Orientierung, muß sich aber fragen, ob diese auf lange Sicht nicht doch nur dem Hersteller dient. Da ist letztendlich ein Standardisierungs-Gremium, in das jeder seine Vorstellungen einbringen kann, doch vorteilhafter", faßt Jeff Fredrick, Vice-President der Open Avenue Inc., Scotts Valley, Kalifornien, seine Bedenken zusammen.

Mit seiner jetzigen Entscheidung spielt Sun nun die bislang verfolgten Ziele Offenheit und geistiges Eigentum gegeneinander aus. Sun argumentiert: Die Offenheit der Ecma-Standards gefährde die Einheit von Java, weil die Organisation keine klaren Vorkehrungen zum Schutz des geistigen Eigentums getroffen habe. Der von Ecma im Quellcode verabschiedete Standard könne von Dritten verändert und erweitert werden, so daß inkompatible Derivate entstehen könnten. Sun empfiehlt Ecma daher die Einführung von Copyright-Regelungen.

Ist Sun so proprietär wie Microsoft?

Ecma-Generalsekretär Jan von den Beld widerspricht. Der Standardisierungsprozeß berühre die Rechte des Herstellers nicht, die daher auch nicht explizit geschützt werden müßten. Außerdem gebe Ecma den Code an die International Standardization Organization (ISO) weiter, die den Standard dann mit einem Copyright versehe.

Die Diskussion in der Branche dreht sich jedoch nur am Rand um die tatsächliche Gefahr einer Verwässerung des Java-Standards. Vielmehr hat die Sun-Entscheidung jene Kritiker auf den Plan gerufen, die schon lange fordern, Java in die Hände eines herstellerunabhängigen Gremiums zu geben, um bereits im Vorfeld Marktmanipulationen zu verhindern, wie sie Microsoft im Zusammenhang mit dem Windows-Monopol vorgeworfen werden. Der Rückzieher bei Ecma mache die Argumentation von Sun gegen den Monopolisten Microsoft unglaubwürdig.

Ihnen steht die Fraktion derjenigen gegenüber, die offene Standardisierungprozesse schon immer für zu langwierig gehalten haben und im atemlosen Internet-Zeitalter eine rasche und kontrollierte Java-Entwicklung wünschen. Diese Gruppe hält Sun die bislang gezeigte Offenheit zugute und vertraut darauf, daß die Java-Gemeinde auch künftig Einfluß auf die Technik nehmen kann. Lindsay Patten, Java-Chefarchitekt bei Rogue Wave Software: "Die Standardisierung unter Sun-Regie läuft nach unserer Erfahrung weit besser als die Prozesse in Standardisierungs-Gremien."

In den letzten Tagen sind allerdings in der Branche Zweifel aufgekommen, inwieweit Sun an dem bisher verfolgten offenen Konzept festhält. Anlaß dafür war vor allem die Gründung einer vom Entwicklungsbereich abgetrennten Unternehmensgruppe zur Schaffung einer Java-Jini-Community.

Sun-Sprecher David Harrah begründete gegenüber dem britischen Branchendienst "Unigram X" die Notwendigkeit der neuen Organisation mit der Unzufriedenheit von Sun mit der momentanen Lösung: "Es ist durchaus zulässig, aus der Reorganisation auf eine beabsichtigte Verfeinerung des Modells der Community Source License zu schließen."