Kolumne

"Sun spielt ein anderes Office-Spiel"

03.09.1999

Scott Mc Nealy ist immer für eine Überraschung gut. Zwar gab es schon seit längerem Gerüchte um eine Übernahme des Office-Anbieters Star Division, aber bisher konnte sich kaum jemand einen Reim auf diese Kaufabsichten machen. Jetzt ist klar, was der Sun-Gründer will (siehe Seite 1). Die Regeln im Markt für Personal-Productivity-Tools sollen nach seiner Aussage vom Fat-Client- zugunsten des Thin-Client- und damit des Serverzentrischen Modells geändert werden. Applikationen wie Textverarbeitung, Tabellenkalkulation, Präsentationssoftware etc. sollen sich mit Hilfe der Star-Produkte von jeder Portalsite oder jedem anderen professionellen Application-Service-Provider (ASP) kostenfrei aufrufen und benutzen lassen - ähnlich den heutigen Chat- und E-Mail-Services der großen Portalbetreiber.

Diese Initiative möchte bitte niemand falsch verstehen, heißt es aus Suns Chefetage: Der Schritt richte sich keineswegs gegen Microsoft, es gehe lediglich darum, die Regeln zu ändern. Diese unterkühlte Aussage spricht Bände: McNealy glaubt, auf Microsoft-Schelte verzichten zu können, weil er endlich etwas in der Hand hat, was der Gates-Company wirklich weh tun könnte. Zumal Sun nicht nur die Nutzung von Star Office kostenfrei erlauben, sondern (wie bei Java) auch den Sourcecode öffentlich zugänglich machen will. Immerhin erzielt der Softwaregigant mit seinen Office-Produkten rund 40 Prozent des Gesamtumsatzes

Die Idee ist überzeugend: keine riesigen Office-Dateien und -Files mehr auf dem persönlichen Rechner. Je nachdem, was gebraucht wird, zapft der Nutzer einfach einen Portalbetreiber oder seinen ASP an. Gegen den Erfolg dieses Modells steht heute allerdings noch die mangelnde Zuverlässigkeit des Netzes und der für viele Anwender nach wie vor langsame und teure Zugang. Da kann es im Endeffekt billiger sein, Microsoft einmal für seine Office-Suite zu bezahlen, als dauernd Gebühren an den TK-Carrier zu entrichten. Und damit ist es bei der Nutzung der kostenfreien Software nicht getan. Schließlich will auch der anbietende ASP mit Services Geld verdienen und für das Hosting bezahlt werden. Doch wenn das Kosten- und Zuverlässigkeitsproblem gelöst ist - viele halten das nur für eine Zeitfrage -, spricht trotz des starken Eigeninteresses vieles für das Sun-Vorhaben.