IBM und Hewlett-Packard sind aufgewacht

Sun sieht im Server-Markt schwierigeren Zeiten entgegen

22.12.2000
MÜNCHEN (CW) - Bisher stand Sun Microsystems hoch in der Gunst von Anlegern und Kunden. Doch nun scheint die Stimmung zu kippen. Vermehrt werden Zweifel an der Produktstrategie laut. Außerdem sind die Wettbewerber IBM und Hewlett-Packard im kommenden Jahr besser aufgestellt als zuletzt.

Die Skepsis des Marktes spiegelt sich im Börsenkurs von Sun wider. Trotz permanent überzeugender Geschäftszahlen fiel der Wert des einstigen Shootingstars an der Nasdaq von knapp 65 Dollar in der Spitze auf inzwischen rund 28 Dollar und befindet sich damit auf dem absoluten Jahrestief. Hatten Analysten noch im Juli euphorische Beurteilungen abgegeben, so ist nun Skepsis eingekehrt. Allein in den letzten Wochen gab es vier Zurückstufungen von namhaften Investment-Banken.

Als Gründe werden unter anderem die sich abschwächende Konjunktur sowie Gerüchte über fragwürdige Bilanzierungspraktiken des Konzerns genannt. Letzteren Spekulationen trat jedoch Suns Finanzchef Michael Lehman mit einem Dementi entgegen. Die Schwäche insbesondere der Internet-Ökonomie kann aber auch Lehman nicht wegdiskutieren. Sun hatte sich selbst in Werbekampagnen als "Dot im Dotcom" bezeichnet; dieser Marketing-Schachzug scheint sich nun zu rächen. Der Markt befindet sich in einem dramatischen Bereinigungsprozess, viele Internet-Startups sind bereits pleite oder stehen unmittelbar vor dem Aus. Für größere IT-Anschaffungen ist kein Geld mehr da. Bei Sun beeilte man sich bereits Mitte des Jahres mitzuteilen, dass nur zirka ein Zehntel der Kundschaft aus der Dotcom-Szene komme, 90 Prozent des Umsatzes stammten aus Geschäften mit den 1000 weltweit größten Unternehmen. Die Märkte ließen sich von diesen Ausführungen jedoch bisher nicht besänftigen.

Skepsis an den Finanzmärkten löst auch die sich verändernde Perspektive im Wettbewerb aus: Sun trifft im nächsten Jahr auf eine schwierigere Konkurrenzsituation im zuletzt boomenden Markt für Unix-Server. Gefahr droht dem Unternehmen vor allem seitens der IBM, die nicht nur mit ihren Unix-Servern angreift, sondern inzwischen auch ihre neuen G7-Mainframes (Freeway) vorgestellt hat. Die "z900"-Serie, legitimer Nachfolger der S/390, wird zunächst nur unter Linux angeboten - schon allein deshalb, weil das proprietäre 64-Bit-Betriebssystem "zOS" voraussichtlich nicht vor April nächsten Jahres zu haben sein wird.

IBM plant, die Mainframes aggressiv für das E-Business anzupreisen, also für Aufgaben wie Web-Hosting, E-Commerce, aber auch Supply-Chain-Management und Customer-Relationship-Management. In diesen Märkten tummelt sich auch Sun mit seinen Highend-Modellen. Dass die Gefahr durch IBM nicht gering ist, mag das Beispiel des schwedischen TK-Konzerns Telia belegen, der erst vor wenigen Tagen ankündigte, seine auf Sun-Rechnern basierende Server-Strategie zugunsten eines IBM-Mainframe-Ansatzes zu modifizieren (siehe CW 50/00, Seite 12). Wie das Nachrichtenmagazin "Forbes" schreibt, musste Sun in letzter Zeit der IBM bei weiteren wichtigen Kunden den Vortritt lassen - darunter Network Solutions, Budget Rent a Car und Bank of America.

Ein Vorteil für Big Blue liegt möglicherweise in der konsequenten Linux-Ausrichtung: IBM bietet das freie Betriebssystem nativ auf Modellen der X-Serie (Netfinity-Server) und in Partitionen als "virtuelle Server" auf den Rechnern der Z- (Mainframes), P- (RS/6000) und I-Serie (AS/400) an. Damit können Kunden eine einheitliche Betriebssystem-Strategie auf Basis des Open-Source-Systems fahren und Anwendungen beliebig portieren. Sun dagegen hält unverdrossen an seinem proprietären Solaris-Kurs fest.

Künftig muss sich Sun überdies wieder ernsthaft mit Hewlett-Packard auseinander setzen, dessen neue "Superdome"-Reihe als Hoffnungsträger im Unternehmen gilt. HP-Chefin Carleton Fiorina hatte erst vor wenigen Wochen gegenüber Analysten bekräftigt, im kommenden Jahr diesen Markt verschärft angehen zu wollen. Sie erwarte ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit Sun, dank der hohen Investitionen in das Highend-Unix-Segment werde man Steigerungsraten von mindestens 20 Prozent vorweisen können. Für HP wäre das eine Menge, denn mit den Unix-Servern der V-Klasse (HP 9000) hatte das Unternehmen zuletzt Schwierigkeiten, den Anschluss zu halten.

Hausgemachte Probleme verstärken das Ungemach: Lowend-Rechner mit der neuen Chiparchitektur "Ultrasparc III" (Workstation "Excalibur Sun Blade 1000" und Server "Sun Fire 280R") sollten bereits Ende September 2000 in größeren Stückzahlen herauskommen. Sun teilt jedoch auf seiner Website mit, dass die Lieferung nur eingeschränkt und auf bestimmte Modelle begrenzt möglich sei.

Warum das so ist, ist unklar. Insider vermuten, Chiplieferant Texas Instruments befinde sich mit der Lieferung der "Cheetah"-Prozessoren im Rückstand. Jedenfalls ist fraglich, ob das gesteckte Ziel, neue Highend-Server auf Basis des Ultrasparc-III-Prozessors - unter anderem den Nachfolger der sehr erfolgreichen "Enterprise 10000" - in der ersten Jahreshälfte 2001 herauszubringen, noch gehalten werden kann. Das aber wäre nötig, denn nach den Neuankündigungen von IBM und HP hat Sun Nachholbedarf.