Web

Sun setzt auf ONE

06.02.2001
Sun Microsystems hat gestern seine "Software-als-Service"-Strategie ONE angekündigt, mit der das Unternehmen gegen Microsofts .NET und ähnliche Vorhaben antritt.

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Sun Microsystems hat gestern in San Franzisko seine "Software-als-Service"-Strategie "ONE" (Open Net Environment) vorgestellt, mit der das Unternehmen gegen Microsofts ".NET" und andere konkurrierende Initiativen antritt.

Dazu hatte Sun zwar hochrangiges Management (CEO Scott McNealy, Ed Zander) samt Mark Tolliver, Executive Vice President des Joint Ventures iPlanet, auf die Bühne gebeten, konnte aber nur wenig konkrete Produkte vorweisen, bei denen es in der Hauptsache um Softwareentwicklung auf Basis von Enterprise Java 1.3 geht. "Die flexible Produktion hat die industrielle Fertigung im 20. Jahrhundert vollständig revolutioniert", erklärte iPlanets Marketing-Chefin Marge Breya. "Wir kündigen heute an, dass wir Bauteile für Web-Dienste anbieten."

Suns ONE ist eine Sammlung von größtenteils bereits vorhandenen Produkten, die Service-Provider in die Lage versetzen sollen, Netzdienste anzubieten. Unter solchen Web-Services versteht der Hersteller Anwendungen, die auf Servern im Web laufen, untereinander Daten austauschen und mit dem Endbenutzer am PC, Handy, PDA oder sonstigen Geräten kommunizieren, ohne dass dieser dazu Programme installieren muss. Der private Konsument oder Firmenkunde soll befähigt werden, Software in Verzeichnissen aufzustöbern, gegen eine Mietgebühr zu nutzten und nach seinen Bedürfnissen zu kombinieren. Obwohl Sun viele Komponenten schon heute als Einzelprodukte vermarktet, wird das komplette Framework einschließlich neuer Produkte und Schnittstellentechniken nicht vor 2002 verfügbar sein.

Tolliver stellte eine zunächst auf zwei Jahre angelegte Roadmap für iPlanets Entwicklungsumgebung "Forté for Java" vor. Die für Ende dieses Jahres in Aussicht gestellte vierte Version soll ein Komponentenmodell auf Basis von Enterprise Java Beans (EJB) enthalten und zudem SOAP- (Simple Object Access Protocol) und XML-Schnittstellen (Extensible Markup Language) unterstützen.

Ähnlich wie Microsofts Konkurrenzprodukt "VisualStudio .NET" soll Forté dann in der ersten Hälfte 2002 eine kombinierte und integrierte Entwicklungsumgebung aus C++, Fortran und Java erhalten. Nähere Details vermochte iPlanet-Mann Tolliver allerdings noch nicht zu nennen. Die Integration unterschiedlicher Sprachen zielt aber klar gegen das Microsoft-Produkt, dass - glaubt man den Versprechungen aus Redmond - ein integrierendes Dach für Sprachen von bis zu 22 Anbietern schaffen soll.

Daneben kündigte Tolliver noch eine Reihe neuer Enterprise-Server und E-Commerce-Produkte an. Dazu gehören "iPlanet Custom Portal", mit dem Unternehmen ihren eigenen XML-basierten Web-Desktop gestalten können, der "iPlanet Integration Server", der laut Hersteller rund 50 Legacy-Anwendungen anbindet, das Release 6 des "iPlanet Web Server", der Transaktions-Manager "iPlanet Transbase" für Authentifikation bei Business-to-Business-Geschäften sowie die Buy-Side-Lösung "iPlanet Market Maker".

Von Sun gab es so genannte "eisenummantelte" ("iron-wrapped") Software. Dahinter verbirgt sich vorkonfigurierte Hardware mit Solaris- und iPlanet-Anwendungen und dem "Sun ONE Webtop" - einem mit dem Sun-Logo verbrämten "Star Portal", der Server-basierten Ausführung des Büropakets "Staroffice". Diese soll im Frühjahr erhältlich sein. President und COO (Chief Operating Officer) Ed Zander erklärte prophetisch: "In ein paar Jahren werden wir auf diesen Tag zurückblicken und verstehen, wohin sich Services entwickeln. Wir haben gerade erst die erste Seite eines langen, langen Aufbaujahrzehnts aufgeschlagen."

Scott McNealy erfüllte einmal mehr seine Pflicht als oberster "Microsoft-Basher". "Die Leute sagen, wir reagieren [mit ONE] nur auf .NOT", scherzte der Sun-Chef. "Dabei machen wir Netzdienste, seit wir Sun gegründet haben." McNealy warnte wieder einmal Entwickler davor, sich an Microsofts seiner Meinung nach proprietäre Architektur zu binden. Produkte wie das "Active Directory" oder "Biztalk" stützten in Wahrheit nur die Betriebssystem-Plattform der Gates-Company. Deren Entwicklungsumgebung sei "zugeschweißt" ("welded shut").

Analysten äußerten bereits Zweifel an Suns erklärter stärkerer Fokussierung auf Software. "Sun ist weithin als Erfinder und Hüter von Java bekannt. Sie konnten aber den Wert ihrer Marke zu keinem Zeitpunkt in klingelnde Münze verwandeln", klagt etwa Dan Sholler von der Meta Group. Vermutlich stehe hinter ONE vor allem die Absicht, den Absatz der Server-Hardware ordentlich anzukurbeln.

In dem ganzen ONE-Rummel wäre eine weitere Ankündigung fast untergegangen: Für knapp 75 Millionen Dollar übernimmt Sun den auf Speicher-Management spezialisierten Software-Anbieter LSC Inc., dessen Technik Sun in seine Speichernetz-Angebote integrieren möchte, um sich auf diese Weise besser gegen spezialisierte Konkurrenten wie EMC zu positionieren.