Mit neuer Sparc-CPU gegen HP und IBM

Sun-Power mit TI-CPU Viking immer noch nicht up to date

05.06.1992

MÜNCHEN (CW) - Sparcstations gelten in Fachkreisen als zu langsam, etwa im Vergleich zu den RISC-Workstations von HP. Nun will Sun leistungsmäßig mit der Konkurrenz gleichziehen. Der Hersteller kündigte eine Desktop- sowie eine Server-Familie an, die auf der neuen Viking-RISC-Architektur basiert - dem superskalaren "Supersparc"-Chip von Texas Instruments.

Workstation-Hersteller wie HP und IBM rücken dem RISC-Workstation-Marktführer Sun immer mehr auf den Pelz. Deren Erfolgsrezept: Leistungsstarke Systeme zu günstigem Preis. Sun muß sich dagegen Kritik am Sparc-Chip gefallen lassen, der nach Meinung von Fachleuten, -verglichen mit den RISC-Prozessoren der Wettbewerber, zu langsam ist. Mit den neuen Systemen "Sparcstation 10" und "Sparcserver 10" sollen die Kritiker offenbar zum Schweigen gebracht werden. So jedenfalls ist Sun-CEO Scott McNealy zu verstehen, "Leute, die behaupten, daß der Sparc-Chip nicht mehr der Rede wert ist, liegen total falsch."

Sun hinkt mit Sparc-CPU der Konkurrenz hinterher

Sun zufolge unterscheiden sich die neuen Sparc-Systeme hinsichtlich der Leistung nicht mehr von den vergleichbaren HP- oder IBM-Produkten, seien aber preisgünstiger. Die Perforniance-Steigerung wurde in erster Linie durch den superskalaren Viking-Chip Supersparc erzielt, den Texas Instruments Anfang Mai vorgestellt hat.

Er soll nach Aussagen von Sun etwa die zwei- bis vierfache Rechenleistung bisheriger Sparc-CPUs betragen. So gibt der Computerhersteller für die Vierprozessor-Konfiguration der Sparcstation 10 eine Geschwindigkeit von 107 MIPS pro CPU und einen Spec-Thruput-89-Wert von 218 (Modell 54) an, wobei zu bemerken ist, daß Sun gerade wegen der Spec-Benchmarks im Kreuzfeuer der Kritik stand (vgl. CW Nr. 21 vom 22. Mai 1992, Seite 29: "Ergebnisse von Spec-Benchmarks...").

Specmark-Werte umstritten - ab Juni neue Testzuites

Zu den angegebenen Werten gilt ferner zu sagen, daß ab dem Juni 1992 Tools für die Spec-Benchmarks in der Version 2.0 vorliegen. Bei diesen Benchmark-Suites hat die Spec-Gruppe zum einen berücksichtigt, daß man Workstation-System-Leistungen auftrennen muß in Spec-Integer- sowie Spec-FP-Werte (Floating Point). Zum anderen rückte das Konsortium davon ab, einen System-Durchschnittswert anzugeben, weil Integer- und FP-Aussagen doch zu weit auseinanderlaufen. Specmarks wie noch in Version 1.0 der Testsuites wird es also offiziell gar nicht mehr geben.

Kritiker hatten zudem schon anläßlich der Vorstellung des "Viking"-Prozessors von Texas Instruments bemängelt, er bleibe in Sachen Rechenpower weit hinter den Erwartungen zurück (vgl. CW Nr. 22 vom 29. 5. 1992, Seite 24: "Supersparc-Prozessor...") und könne den RISC-CPUs von der IBM und HP sowie DEC nicht das Wasser reichen. Branchen-Insider hatten mit Werten von 50 bis 60 Specmarks gerechnet, die allerdings erst mit Nachfolgeversionen erreicht werden sollen.

Die RISC-Prozessoren der neuen Sparcstation-10-Modelle arbeiten mit Taktraten von 33 Megahertz (Modell 30), 40 Megahertz (Modell 40 und 45 Megahertz (Modell 52 und 54). je nach Ausführung lassen sich bis zu vier CUPs integrieren. Bei der Version 30 ist zum Beispiel nur ein Supersparc-Chip möglich, während sich die leistungsstärkste Ausführung mit bis zu vier Prozessoren betreiben läßt.

Neben der neuen CPU-Architektur kündigt Sun zudem Geschwindigkeitsverbesserungen beim Zugriff auf die Massenspeicher sowie beim Hauptspeicher an, der entweder 32 MB (Modelle 30 und 40 oder 64 MB (Versionen 52 und 54) beträgt und auf bis zu 512 MB erweiterbar ist. Auch die Daten-Transferrate über den Bus sei gegenüber den Vorgänger-Systemen verdoppelt worden, heißt es bei Sun. Zudem verfügen die Geräte über einen externen 1-MB-Cache zwischen Arbeitsspeicher und Prozessor, der die Leistung zusätzlich steigern soll.

Basisversion kommt ohne Aufpreis mit ISDN-Chip

Als Besonderheit kündigt Sun an, daß die Rechner bereits in der. Grundausstattung einen ISDN-Chip integrieren. Neben der Anschlußfähigkeit an öffentliche und private ISDN-Netze sind die Systeme zudem mit Multimedia-Komponenten wie Mikrofon und Audio-Schnittstelle ausgestattet. Die Preise für die Sparcstation-10-Familie liegen zwischen 44 000 Mark für das Modell 30 und 135 000 Mark für die Version 54.

Die Einprozessor-Systeme sollen ab dem dritten Quartal 1992 erhältlich sein und beinhalten das Sun-Betriebssystem Solaris 1.1. Noch in diesem Jahr dürfte Herstellerangaben zufolge Solaris 2.0 auf den Markt kommen. Das Betriebssystem, wird mit Multithread-Kern ausgeliefert und unterstützt den symmetrischen Multiprozessor-Betrieb. Das Modell 52 wird den Ankündigungen zufolge im vierten Quartal 1992folgen und mit Solaris 2.0 ausgeliefert werden. Mit dem Modell 54 könne man in den ersten drei Monaten des Jahres 1993 rechnen, meldet die Münchner Sun-Niederlassung.

Upgrade-Möglichkeit für 600-HP-Systeme geboten

Die Sparcstation-10-Systeme sind dem Anbieter zufolge binärkompatibel zu den Vorgängermodellen mit alter Sparc-Architektur. Weiter heißt es, daß sich die Sparcstation-Ausführungen 1, 1 +, 2 und IPX sowie ältere Sun-386-Modelle durch den Austausch entweder des Chassis oder der Mutterplatine auf die neue Sparc-Architektur aufrüsten lassen. Neben den Desktop-Systemen stellt Sun zudem die Sparcserver-10-Typen vor. Eigenen Angaben zufolge soll es sich dabei um den billigsten Multiprozessor-Server des gesamten RISC-Unix-Marktes handeln. Das Produkt ist in vier Versionen ab 40 000 Mark erhältlich: Als Einprozessor-System mit 36 Megahertz Taktrate (Modell 30) oder mit 40 Megahertz Taktrate und 1 MB externem Cache-Speicher (Modell 40. Ferner gehören ein Rechnertyp mit zwei 45-Mhz-CPUs und zwei 1-MB-Cache-Speichern (Modell 52) sowie eine Variante mit vier 45-Mhz-Chips und vier 1-MB-Cache-Modulen (Modell 54) zur Produktpalette.

Zum Lieferumfang der Einprozessor-Rechner gehört bis Spätherbst 1992 Solaris 1.1, berichten die Münchner. Die Multiprozessor-Systeme sind erst ab dem vierten Quartal 1992 - einschließlich Solaris 2.0 - zu haben.

Ferner meldet das Unternehmen, daß für 19 000 Mark Supersparc-Upgrade-Module für die 600-MP-Serie zur Verfügung stehen. Darüber hinaus können die 600-MP-Systeme auch mit dem Supersparc-Prozessor als. Modelle 41, 52 und 54 bestellt werden. Wie Sun bekanntgab, soll Texas Instruments demnächst zudem einen Supersparc-Prozessor mit 50 Megahertz Taktrate auf den Markt bringen, mit dem sich dann die derzeit erhältlichen CPU-Bausteine ersetzen lassen.