"Kommerzieller Bereich bietet größtes Wachstum"

Sun peilt mit preisgünstiger Workstation ganz neue Märkte an

25.05.1990

MÜNCHEN (jm) - Mit einer neuen Workstation ohne eigenes Rechnergehäuse für rund 12 000 Mark, einem Server und neuer Software will Sun vermehrt den kommerziellen Markt angehen.

Bislang bezeichnete man bei Sun vor allem die Kunden aus dem Bereich der CASE-Entwicklung als das Brot-und-Butter-Geschäft. Hieran wird sich zwar in Zukunft nicht viel ändern. Doch man hat beim Sparc-Hersteller aus dem kalifornischen Mountain View erkannt, daß vor allem der kommerzielle Bereich von entscheidender Bedeutung für den Absatz von Workstations sein wird.

Gegenüber der COMPUTERWOCHE meinte Unternehmensgründer und Vice President Technologies Andreas von Bechtolsheim: "Wir sehen im kommerziellen Marktsegment die größten Wachstumschancen." Angesprochen auf das Engagement der IBM im Workstation-Bereich, konnte er diesem vor allem Positives abgewinnen: "Hierdurch wird die Glaubwürdigkeit von Unix im kommerziellen Bereich erhöht."

Ein anderer vor allem für Sun wünschenswerter Nebeneffekt sei, daß durch die Vorstellung von Big Blues RISC/6000-Systemen nun auch Anwender aus nicht-technischen und nicht-wissenschaftlichen Feldern Sun als ernstzunehmenden Hersteller würdigen werden.

Die Hoffnung der Kalifornier auf neue Absatzmärkte unterstrich von Bechtolsheim, indem er auf den kürzlich abgeschlossenen Vertrag mit der Banco Nationale in Bergamo verwies die 1000 Sparcstations, unter anderem für den Dokumenten-prüf- und -bearbeitungsbereich, orderte. Auch das Versicherungswesen sei zunehmend an Rechenleistung interessiert, die PCs auf Basis der Intel-Architektur nicht bieten könnten, meinte der "Jugend-forscht"-Sieger des Jahres 1974 im Bereich Physik.

Um die Verbreitung von Workstations zu forcieren, setzt Sun vor allem auf die nun vorgestellte "Sparcstation SLC" (System Low Cost). Neben einer Rechenleistung von 12, 5 MIPS zeichnet das Produkt vor allem zwei Dinge aus: Mit etwa 12 000 Mark kostet es fast nur die Hälfte der seit etwa einem Jahr vermarkteten "Sparcstation 1" beziehungsweise der vor zwei Wochen nachgeschobenen leistungsfähigeren "Sparcstation 1 +".

Zudem brachten die Entwickler sowohl die 20-MHz-CPU und den Koprozessor, einen maximal 16 MB großen Arbeits- und einen Cachespeicher sowie Audio- und Video-Chips und die Schnittstellen zur Außenwelt auf einer Systemplatine unter, die auch in das Monitorgehäuse eingesteckt wird.

Die Baugruppen sind alle in CMOS-Technologie ausgelegt so daß die gesamte Leistungsaufnahme des Rechners nur 80 Watt beträgt. Ein Lüfter wird deshalb auch nicht benötigt, weswegen Sun auf "intelligente Technologie" am Arbeitsplatz nicht zu verzichten braucht und trotzdem eine sehr kompakte und leise Arbeitsstation anbieten kann.

Der 17-Zoll-Monitor wird nur in der Monochrom-Version geliefert, S-Bus-Erweiterungsmöglichkeiten gibt es bei der "Sparcstation SLC" nicht. Da die Workstation keinen Platz für Disketten- wie Festplattenlaufwerke aufweist, können externe Massenspeicher über ein SCSI-Interface angeschlossen werden.

Der 17 Zoll große Schwarzweiß-Monitor hat eine Auflösung von 1152x900 Pixel. Neben externen Festplattenspeichern von 104 bis 670 MB Kapazität sowie 150-MB- und 2,3-GB-Bandlaufwerken kann auch das CD- ROM-Laufwerk von Sun angesteuert werden. Die Kalifornier bieten es mit einem Preisnachlaß von 30 Prozent an, wobei Sun-CD-Laufwerkskäufer bis zum 31. August noch kostenlos eine Kopie des Sun-Betriebssystems OS 4.1 auf einer CD zugepackt bekommen.

Zwei RS232-Ports für den Anschluß von Druckern, Modems Scannern und eine Thick-Ethernet-Schnittstelle zur Netzwerk-kommunikation sichern die Anbindung an die externe Welt.

Sun garantiert völlige Binärkompatibilität mit allen etwa 2000 "Sparcware-Applikationen". Die "Sparcstation SLC" unterstützt SunOS 4.03c und 4.1, die in diesem Sommer in einer verbesserten Version ausgelieferte proprietäre "Open-Look-Oberfläche", X.11/News und NFS.

Neben diesem als strategisch wichtig deklarierten Produkt stellte Sun den "Sparcserver 470" vor, der leistungsmäßig dem im Dezember 1989 auf den Markt gebrachten Modell 490 entspricht, allerdings in einem nur 74 Zentimeter hohen Gehäuse untergebracht wurde. Das Besondere der beiden Sparcsever ist die doppelte Cache-Speicherarchitektur mit zwei Bus- Systemen. Ein Speichercache verbindet die Sparc-CPU über einen 64-Bit-Bus mit dem Arbeitsspeicher, während ein zweiter I/O-Cache über einen I/O- Bus den Datenfluß von der Zentraleinheit zu den IPI-Peripherien (Intelligent Peripheral Interface) und anderen Massenspeichern reguliert. Sowohl die Transferrate - laut Unternehmensangaben bis zu 120 MB pro Sekunde - als auch die Transaktionsleistung werden durch diese Architektur erhöht.

Der "Sparcserver 470" leistet 22 MIPS (3,8 Mflops) und 47 Transaktionen pro Sekunde und kann mit einem Arbeitsspeicher von 32 MB bis zu 160 MB sowie einem Plattenspeicher von 670 MB bis zu l0 GB ausgerüstet werden. 15 bis 25 Clients und bis zu 68 Terminals lassen sich anschließen. Vier Ethernet und zwei FDDI-Controller, bis zu 160 MB Arbeitsspeicher mit ECC (Error Correcting Code) und 10 GB Plattenspeicherkapazität runden die Charakteristika des Systems ab, das in der Grundversion etwa 150 000 Mark kostet. Der Server wird auch in der Workstationversion mit einem "Translation Look-Aside Buffer" - genannt "Sparcstation 470GX" - für Grafikanwendungen angeboten.

Sun präsentierte darüber hinaus neue Software: Ein "Database Excelerator" beschleunigt Datenbankanwendungen und ist für Informix-, Ingres-, Oracle- und Sybase-Produkte verfügbar. Laut Unternehmen werden Durchsatz und Transaktionen um den Faktor 2 bis 5 erhöht.

Ebenfalls neu vorgestellt wurde der "Sparcserver Manager". Er nutzt windoworientierte Systemverwaltungswerkzeuge. Neben Datenspiegelung ermöglicht die Software auch eine automatische Online-Datensicherung, während der der Anwender seine Arbeit fortsetzen kann. Große zusammengehörige Dateien bis zu 2 GB können auf mehrere Festplatten verteilt und auch gespiegelt werden. Mit Suns RPC (remote procedure call) ist es möglich, von jeder Workstation auf den Server zuzugreifen. Externe Diagnostik-Routinen Datei-Management und Spiegelung sowie die Aufzeichnung und Analyse der Leistungsdaten des Gesamtsystems bewältigt die Software ebenfalls.

Der Datenbankbeschleuniger kostet etwa 2800 Mark, für den "Sparcserver Manager" muß man 21000 Mark aufwenden.

Kommerzielle Kunden ködern

Die Preise purzeln. Das ist nicht neu. Doch mit der jetzt von Sun vorgestellten Workstation für kanpp 12 000 Mark soll nicht einfach ein Preis- Dumping gegen HP, DEC , Mips und Silicon Graphics angezettelt werden. Suns Aktivitäten verraten eher eine strategische Absicht.

So hat man die Produktpalette um die Sun-3-Rechner mit dem Motorola-Prozessor bereinigt, ein Prozeß, der sich zunächst recht negativ im Geschäftsergebnis niedergeschlagen hatte.

Außerdem ging man eine Entwicklungskooperation mit Lotus ein und stellte sechs Ingenieure zu dem Zweck ab, die Tabellenkalkulation 1-2-3 nicht nur auf die eigenen Worstations zu portieren, sondern sie für die gesteigerte Leistungfähigkeit der Sparc-Rechner unter Unix zu optimieren . Die " 1 -2-3 /U- Version " bietet gegenüber der Version 3.0 verbesserte Kalkulations-Charakteristika und erweiterte Datenbank-, Analyse- und Grafikfunktionen.

Lotus andererseits hat seine "Datalens-Sofware" auf " l -2-3/ U" angepaßt. Hiermit werden Entwicklern von relationalen Datenbanken Schnittstellen zu deren Produkten zur Verfügung gestellt, und prompt haben Informix, Ingres, Oracle, Sybase und Unify die Entwicklung von "Datalens-Treibern" zugesagt.

Zudem fällt auf, daß die "Sparcstation SLC" über einen Monochrom Monitor verfügt: CAD-Anwendungen - ein ganz wesentlicher Einsatzbereich von Workstations - lassen sich deshalb sinnvollerweise nicht auf dem neuen Sun-Rechner verwirklichen.

Die Absicht ist ganz klar, Sun will kommerzielle Kunden ködern. Ironischerweise könnte gerade die IBM ihr dabei helfen: Deren Engagement im Workstation-Markt macht Unix im kommerziellen Bereich möglicherweise salonfähig. So kalkuliert zumindest Sun-Gründer Andreas von Bechtolsheim. Und er könnte richtig liegen. jm