Projekt Cascade portiert Windows NT auf Solaris

Sun kann Microsoft nicht länger ignorieren

18.09.1998

Vor Gericht beharken sich die Kontrahenten Microsoft und Sun unverdrossen weiter, doch im Wettbewerb um die Kundschaft gibt Sun seine Strategie der Ignoranz gegenüber Windows NT auf. "Mit Cascade beugen wir uns dem Kundendruck", räumt Siegmar Beier, Produkt-Manager für Workgroup-Server bei der deutschen Sun-Niederlassung in München, ein. Diese fordern bereits seit geraumer Zeit eine Strategie, Windows NT und Solaris tiefer zu integrieren.

Das soll nun folgendermaßen geschehen: Cascade bietet den Anwendern native Unterstützung für die NT-Dienste File und Print, Security, Administration sowie den Primary Domain Controller und den Backup Domain Controller, nicht jedoch für echte NT-Applikationen. Werden die Sun-Server als Anwendungslieferant für Windows-Clients eingesetzt, versorgt Cascade die vernetzten PCs mit Hilfe der File-Services.

Der Vorteil für den Anwender äußert sich vornehmlich darin, daß die erwähnte User-Administration in vertrauter NT-Umgebung erfolgt und sich die Komplexität der NT-Umgebung reduzieren läßt. Die von Microsoft empfohlene Beschränkung von 250 Anwendern pro Backup Domain Controller ist laut Beier obsolet. Die leistungsstarken Sun-Rechner bewältigten durchaus 1000 Clients pro Domain. NTs Achillesferse, die verworrenen Trust-Beziehungen, werde aber auch Cascade nicht beseitigen, "denn wir können nicht in die Microsoft-Definitionen eingreifen", klärt der Sun-Manager auf.

Damit der Kontakt zu Microsoft nicht zu eng wird, bezieht Sun die zugrunde liegende Technik von AT&T. Der TK-Konzern hat Cascade für das eigene Unix-Derivat entwickelt und bezieht den erforderlichen Update-Code direkt von der Redmonder Softwareschmiede. Sun paßt das Verfahren dem Solaris-Betriebssystem an.

Die Entscheidung, Cascade anzubieten, ist unter den gegebe- nen Marktverhältnissen schlüssig, denn NT ist das derzeit meist- verkaufte Server-Betriebssystem. Sun gingen schon Aufträge verloren, weil das Unternehmen den Migrationswunsch bis dato ignorierte. Das ist für die McNealy-Company fatal, denn Sun erzielt rund 99 Prozent seiner Umsätze mit dem Verkauf von Servern und Workstations sowie Dienstleistungen. So entschied sich etwa Ericsson, schwedischer TK-Konzern und treuer Abnehmer von Sun-Rechnern, Unix durch Windows NT als strategische Plattform abzulösen. Zwangsläufig mußte auch ein neuer Hardwarelieferant her. Die bislang von Sun verfolgte Integrationsstrategie mit Hilfe des "Totalnet Advanced Server" (TAS) von Syntax griff zu kurz, weil das Produkt das Domain-Konzept nicht beherrscht und die Administration von NT über Browser erfolgen muß.