Gerangel um Standard für grafische Benutzerschnittstelle:

Sun kämpft um "News"-Oberflache

08.09.1989

FRAMINGHAM (IDG) - Am 5. September 1989 lief die Einspruchsfrist beim National Institute of Standards and Technology (Nist) ab, um gegen dessen Vorschlag für eine grafische Benutzerschnittstelle Einwände vorzubringen. Die Sun Microsystems Inc. sieht deshalb für ihre "News"-Oberfläche Gefahr aufziehen.

Sollte der Nist-Vorschlag zugunsten von "X-Window" als Benutzeroberfläche durchkommen, würde diese als Federal Information Processing Standard (Fips) angenommen, Nist entscheidet über anzuwendende Standards bei den US-amerikanischen Bundesbehörden, deren Softwarekäufe zu 10 bis 15 Prozent aus Unix-Produkten bestehen. Fips-Entscheidungen sind oft auch richtungweisend für Industriestandards, die anstehende hat somit strategische Bedeutung. Sun würde seine "News"-Oberfläche gerne als Standard sehen. Deshalb opponiert man gegen eine Entscheidung zugunsten von "X-Window", wodurch das News-Produkt bei Regierungsauftragsvergaben kaum mehr Chancen besäße.

Sun betreibt aus diesem Grund eine Briefaktion an ihre Kunden, in denen Sun-Präsident Scott McNealy und Vize-Präsident Bill Joy argumentieren, daß ein Vorschlag für ein Benutzer-Interface zum jetzigen Zeitpunkt verfrüht, nicht ausgereift und ineffektiv sei. Sie bitten ihre Kunden in diesem Schreiben, Nist auf die zu erwartenden Kosten eines Fips-Systems hinzuweisen und gleichzeitig die Vorteile von einem Alternativkonzept herauszustreichen. Charlie Simmon, Marketingdirektor bei Sun, verwies auch darauf, daß die Nistvorliegende Version von "X-Window" noch instabil sei. Besonders für das Programm-Interface gelte dies. Der durch die Nist-Entscheidung entstehende Standard müßte dann ohnehin wieder geändert werden.

"X-Window", das aus dem MIT-Projekt "Athena" geboren wurde und auf dem X.11 -Protokoll aufsetzt, bietet ein Common Programming Interface für Entwickler und unterstützt eine einheitliche Oberfläche für Enduser-Applikationen, Außerdem ist es wegen der Netzwerkcharakteristika von X-Window möglich, Applikationen in Netzwerken von verschiedenen Herstellern laufen zu lassen. "X-Window" dient darüber hinaus als Grundlage für OSFs "Motif" und AT&Ts"Open Look". Letzteres bietet verschiedene Tool-Kits und unterstützt sowohl "News" als auch "X-Window".

Simmons wies darauf hin, daß Suns "X.11/News", das auf Display Postscript basiert, "X-Window" ebenfalls unterstützt. Es ist ein vermischtes Toolkit, das sowohl X-Window als auch Suns "News" beinhaltet. Er meinte aber auch, daß - sollte "X-Window" ein Fips-Standard werden - "X.11/News" diesem nicht entsprechen würde.

Sollte Sun mit seinen Bemühungen Erfolg haben und sollten eine genügend große Zahl von Vorbehalten innerhalb des vorgegebenen Zeitraumes bei Nist eingehen, so müßte ein weiterer zeitraubender Beurteilungsprozeß durchlaufen werden. Obwohl für"X-Window" bislang breite Unterstützung vorliegt, kamen Bedenken sowohl von Unternehmen wie der Lockheed Corp. als auch von mehreren Regierungsstellen.