Einstweilige Verfügung zwingt Gates zum Einlenken

Sun gewinnt erste Runde im Verfahren gegen Microsoft

25.11.1998
MÜNCHEN (CW) - In der Auseinandersetzung von Sun Microsystems gegen Microsoft erließ Distriktrichter Ronald Whyte eine einstweilige Verfügung. Derzufolge muß Microsoft innerhalb von 90 Tagen Windows 98, den "Internet Explorer" sowie die Software-Entwicklungs-Kits für Java, Versionen "2.0" und "3.0", und "Visual J++ 6.0" an den von Sun vorgegebenen Java-Standard anpassen.

Richter Whyte begründete in seiner über 30 Seiten langen Erklärung den Erlaß der einstweiligen Verfügung unter anderem damit, daß Sun mit seiner Argumentation auch in einem Gerichtsprozeß wahrscheinlich gute Aussichten auf Erfolg hätte. Das Unternehmen von Scott McNealy hatte im Oktober 1997 Klage gegen Microsoft eingereicht. Der Softwareriese habe ein Lizenzabkommen zur korrekten Nutzung der Java-Technologie gebrochen.

Vor einigen Monaten hatte Sun zwei einstweilige Verfügungen beantragt. Das Unternehmen machte geltend, Microsoft habe sich einerseits mehrerer Copyright-Verletzungen schuldig gemacht. Andererseits habe das Softwarehaus gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen verstoßen.

Whyte ordnete dreierlei Maßnahmen an, denen Microsoft innerhalb von 90 Tagen nachzukommen hat: Die Gates-Company muß erstens Suns Java Native Method Interface (JNMI) in die Java Virtual Machine (JVM) implementieren und darf die eigene Schnittstelle nicht mehr benutzen.

Zweitens ist der Softwareriese verpflichtet, in die Entwicklungswerkzeuge Dialogboxen einzuarbeiten. In diesen werden Warnungen ausgegeben für den Fall, daß Software-Entwickler versuchen, von Microsoft geschriebene Windows-spezifische Schlüsselwörter ("keywords") und Compiler-Optionen zu nutzen. Tun sie dies, würden solche Java-Anwendungen auf die Windows-Welt beschränkt bleiben.

Schließlich müssen die Java-Tools von Microsoft so umgeschrieben werden, daß in ihnen die Microsoft-spezifischen Schlüsselwörter und Compiler-Einstellungen nicht mehr als Standardvorgabe auftauchen. Vielmehr müssen Anwender diese von der Gates-Firma eingeführten Windows-eigenen Optionen ausdrücklich aktivieren. Sollte Microsoft hieb- und stichfest begründen können, daß es innerhalb der angeordneten 90 Tage die geforderten Modifikationen nicht vorzunehmen vermag, kann eine Fristverlängerung gewährt werden.

Das Unternehmen scheint sich aber der einstweiligen Verfügung beugen zu wollen. In einer ersten Reaktion gab Microsoft bekannt, man werde auf Unix-Derivaten und für das Mac-Betriebssystem keine Microsoft-spezifische JVM mehr anbieten. Für den Anwender hat dies allerdings kaum Bedeutung. Sowohl im Mac-Betriebssystem als auch in Unix sind JVMs in den Kernel eingearbeitet. Apple liefert sein "Macintosh Runtime for Java" (MRJ) in allen Mac-Betriebssystemen der Versionen 8.x. Kleiner Wermutstropfen: Auf MRJ laufen Java-Applikationen langsamer als auf Microsofts Java-Implementierung.