Workstation-Spezialist will sich nicht in die Defensive drängen lassen:

Sun entwickelt Unix-kompatiblen 386-Mikro

28.08.1987

NEW YORK (CWN) - Ein Unix-kompatibles System, das auf dem 80386 von Intel basiert, ist bei der kalifornischen Sun Microsystems Inc. in der Entwicklung. Diese Information bestätigte eine Quelle innerhalb des Unternehmens, die gleichzeitig darauf hinwies, daß die Geschäftsleitung einer Markteinführung noch nicht zugestimmt habe.

Von dem Informanten verlautete ferner, ein 386-Mikro sei eine unter mehreren Optionen, die Sun als Antwort auf die fortschreitende Verschmelzung von High-end-PCs und Low-end-Workstations in Erwägung zieht. Mit einem 386-Mikro könnte Sun besser im MS-DOS-kompatiblen Marktsegment mitmischen, hieß es weiter in der CW-Schwesterzeitung COMPUTERWORLD. Der Workstation-Spezialist würde den 386-PC als Gegenspieler zu den Rechnern von IBM und Compaq positionieren aus Furcht davor, am unteren Ende seines Marktes in die Defensive gedrängt zu werden. Die momentane Situation ähnele dem Dilemma, in dem die Minicomputer-Industrie Anfang der Achtziger Jahre steckte. Damals stand sie vor der Entscheidung, ein PC-kompatibles System oder eine Eigenentwicklung auf den Markt zu bringen.

Die endgültige Entscheidung darüber, ein 386-System in die Produktpalette aufzunehmen, ist nach Aussage von Bob Herwig, Analyst bei Hambrecht & Quist Inc., verschoben worden. Das Management sei sich noch nicht einig, ob kommerzielle Anwender ein solches System benötigten und ob es sinnvoll sei, von der Unix-Linie mit einem Mikro abzuweichen, der unter einem MS-DOS-kompatiblen Betriebssystem läuft. Auch würde noch darüber debattiert, wie und wo dieses Produkt hinsichtlich der anhaltenden Kontroverse über MS-DOS versus MS OS/2 positioniert werden solle.

Die Meinungen zwischen den Sun-Niederlassungen an der Ost- und Westküste gingen weit auseinander, sagte Herwig. Die Entwickler in der kalifornischen Dependance neigten dazu, alles außer Unix zu verspotten. "Es sieht so aus, als ob die Argumente der Marketing-Leute die besseren gewesen wären."

Der 386-Mikro soll weniger als 7500 Dollar kosten und mit einer 40-MB-Festplatte sowie einem hochauflösenden Bildschirm ausgestattet sein. Er richtet sich an professionelle Anwender und steht in direkter Konkurrenz zum Compaq Deskpro 386 und dem Modell 80 der /2-Serie von IBM. Das System wird unter dem Code-Namen Roadrunner entwickelt, erklärten Analysten und Anwender, die in die Unternehmenspläne eingeweiht sind.

Roadrunner würde die traditionellen Bemühungen für Unix noch weiter verstärken, glauben Brancheninsider, und zwar aufgrund der dem Betriebssystem innewohnenden Multitasking-Fähigkeiten und der Vernetzungs-Möglichkeit über das systemunabhängige Network File System (NFS). Mit Roadrunner könnte Sun echtes Multitasking bereits vor IBM und Compaq zur Verfügung stellen, da diese von MS OS/2 abhängig sind, das erst in Rohform Ende des ersten Quartals 1988 verfügbar sein soll. Die Extended Edition von OS/2 wird nicht vor Mitte oder Ende 1989 erwartet. Jede Verzögerung von MS OS/2 und Extensions von IBM oder Drittanbietern könnte sich für Sun als vorteilhaft erweisen, vermuten Analysten.