64-Bit-Solaris tritt gegen NT an

Sun auf Intel-Kurs - was wird aus Sparc?

02.01.1998

Bislang hat Sun in keiner Weise erkennen lassen, daß die hauseigenen RISC-Chips zugunsten der schier übermächtigen Konkurrenz geopfert werden sollen. Im Rahmen der Telefonkonferenz zur Ankündigung der Koopera- tion mit Intel gab es auf Fragen der Journalisten lediglich ein "Wir stehen uneingeschränkt zu Sparc" zu hören. Verwässert wurde das Bekenntnis jedoch durch die Aussage, der Markt müsse entscheiden, welche Systeme die Kunden bevorzugten.

Auf seiner Web-Site gibt Sun bereits eine eindeutige Antwort auf die Frage "Wird Sun jetzt eine Intel-Plattform anbieten?" - "Absolut nicht." Auch Mathias Lehmann, Sunsoft-Chef Deutschland, ist überzeugt: "Das Abkommen zwischen Sun und Intel führt nicht zum Verschwinden des Sparc-Chips." Es werde 1998 eine ganze Reihe weiterer Ankündigungen geben, die die Fortführung der hauseigenen RISC-Technologie unterstreichen würden.

Für Intel nennt Pressesprecher Heiner Genzken zwei Hauptmotive der Zusammenarbeit: "Zum einen ist Sun sicher eine sehr ehrenvolle Technologieschmiede. Durch die Überkreuz-Lizenzierung bekommen wir Zugriff auf einige Dinge, die auch für uns interessant sind - und vice versa. Außerdem sparen wir uns unnötige Auftritte vor Gericht wegen Patentstreitigkeiten. Und zum anderen sind wir um jeden wichtigen Betriebssystem-Hersteller froh, der unsere Plattformen unterstützt." Was Sun mit seinen Sparc-Chips vorhabe, könne Intel natürlich nicht beantworten.

Sicher ist, daß es immer schwieriger wird, mit dem Chipriesen zu konkurrieren. Mit den Umsätzen aus seinem marktbeherrschenden Geschäft kann sich Intel ein Budget für Forschung und Entwicklung erlauben, von dem die Konkurrenz bestenfalls zu träumen vermag (1997: 2,4 Milliarden Dollar). Und je größer dadurch der technische Vorsprung der Intel-Plattform wird, desto riskanter wird das Engagement all derer, die noch versuchen, dagegenzuhalten. Genzken ergänzt: "Es wird nicht mehr lange dauern, dann kostet eine Chip-Fertigungsstätte zehn Milliarden Dollar. Da können nicht mehr viele mithalten."

So gesehen macht es in der Tat Sinn, wenn die Firma um CEO Scott McNealy alles daran setzt, mit dem Erscheinen des Merced auch ihr anerkannt solides Betriebssystem Solaris in einer angepaßten 64-Bit-Version anzubieten. Schließlich wird der Erzrivale aus Redmond zu diesem Zeitpunkt mit NT 5.0 lediglich ein 32-Bit-OS auf Lager haben.

Die frühzeitige strategische Ankündigung der Solaris-Kooperation allein kann aber den Erfolg von Sun nicht sicherstellen - schließlich dümpelt die bereits seit geraumer Zeit erhältliche 32-Bit-Variante trotz objektiver Qualitäten mehr oder weniger unbemerkt vor sich hin. Von entscheidender Bedeutung ist, ob es gelingt, viele und wichtige unabhängige Softwarehäuser sowie Hardware-Anbieter ê la Compaq, IBM oder Dell auf die Solaris-Seite zu ziehen. Denn ohne entsprechende Unterstützung kann Suns Unix gegen NT nichts ausrichten.

Wer die Fähigkeiten der IA-64-Architektur ausreizen möchte, hat Ende 1999 zumindest die Wahl zwischen Solaris und einem angepaßten HP-UX. Hewlett-Packard als Coautor des Merced dürfte mit seiner Unix-Variante auf die geringsten Probleme stoßen, wenn der Chip wirklich wie versprochen voll binärkompatibel zu HPs eigenen "PA"-RISC-Prozessoren ist.

Auch Rhapsody auf Merced?

Als Dritter im Bunde könnte sich gar Apple mit einer 64-Bit-Version seines auf dem ehemaligen "Nextstep" basierenden "Rhapsody" dazugesellen.

Das vermuten zumindest verschiedene Analysten. James Staten von Dataquest meint etwa: "Das würde Sinn machen, weil Apple bei IA-64 einfach dabeisein muß." Zeitlich fallen die avisierten Erscheinungstermine von Merced und Rhapsody ohnehin eng zusammen. Mit einer offiziellen Ankündigung von Apple rechnet Staten allerdings nicht: "Bei der Intel-Geschichte ist Apple sehr sensibel. Es darf in keinem Fall so aussehen, als würden sie die Power-PC-Plattform aufgeben."