Münchner Verlag ersetzt IBM 3031 durch gebrauchte PCM-Maschine:

Süddeutsche Zeitung geht auf Amdahl Kurs

07.05.1982

MÜNCHEN - Die Süddeutsche Zeitung (SZ), seit über 20 Jahren Renommierkunde der IBM Deutschland GmbH, schwenkte jetzt endgültig ins PCM-Lager über. Weil Kapazitätsengpässe den Handlungsspielraum innerhalb der "zeitkritischen Anwendungen stark einschränkten" (SZ-Originalton) und das IBM-System 3083 frühestens Ende 1983 verfügbar sei, entschied sich der Münchner Verlag für eine gebrauchte Amdahl 470V/6.

Den ersten Schritt in die PCM-Richtung machte die Süddata GmbH, das ausgelagerte Rechenzentrum des Süddeutschen Verlages, bereits im September 1980. Nach einer Analyse der Unternehmensberatung Roland Berger & Partner entschieden sich die Münchner gegen eine von der IBM empfohlene 3033 und stellten zu ihrer 3031 eine Amdahl 470 V/7B. Schon damals soll es Trouble mit dem Marktführer gegeben haben, weil dieser SZ-Mitarbeitern zufolge die Berger-Ergebnisse anzweifelte.

Da die Anwendungen bei der Süddata nach Aussagen der Verantwortlichen in den letzten Monaten geradezu "explosiv" gewachsen sei, kam es bald erneut zu Kapazitätsproblemen. Diese sollten zunächst durch eine 4341 Modell 2 beseitigt werden, die zusammen mit den Systemen 3031 und 470V/7B eingesetzt werden sollte. Diese Konstellation hätte nicht nur zu größeren Hardware-, sondern auch zu erhöhten Personalkosten geführt, insbesondere beim Operating. Man habe sich mit dem Amdahl-Rechner "völlig emotionslos beschäftigt", so Süddata Geschäftsführer Karl-Heinz Otholt, die Entscheidung sei eine "rein wirtschaftliche" gewesen: "Die PCMs bieten heute ein so interessantes Preis-/Leistungsverhältnis, daß man bei der Systemauswahl kaum noch daran vorbei kann." Außerdem habe die IBM in dem von ihm geforderten Leistungsspektrum momentan keine vergleichbaren Maschinen anzubieten. Eine 3033, die zur Zeit zwar äußerst preisgünstig angeboten würde käme wegen der antiquierten Wasserkühlung und des immensen Platzbedarfes nicht in Betracht.

Von den Anforderungen her könne wohl eines der neuen H-Modelle (3083 E, B oder J) passen, aber diese seien frühestens Ende nächsten Jahres verfügbar. Als "Verlegenheitslösung" sieht Othold den Amdahl-Rechner dennoch nicht. Mit 550 000 Mark habe er bei der DFVLR (Deutsche Forschungs- und Versuchsanstalt für Luft- und Raumfahrt e.V., Köln) einen durchaus akzeptablen Preis ausgehandelt.

Über Otholts PCM-Kurs scheiden sich in der Süddata-DV-Crew indes die Geister. So ist der 64jährige RZ-Chef Josef Spatz, der seit über zwanzig Jahren bei der Süddeutschen Zeitung mit IBM-Maschinen gearbeitet hat, davon überzeugt, daß ein 4341-Einsatz die "elegantere Lösung" dargestellt hätte. Da sich das Unternehmen derzeit in der Umstellung von DOS auf MVS befände, sei man mit drei Systemen variabler.

Zudem spekuliert Spatz, daß die Süddata mit dem IBM-Rechner einen besseren Wiederverkaufswert erzielen könne, als mit der inzwischen fünf Jahre alten Amdahl-Maschine.

Süddata-Chef Othold, dem nach eigenen Worten der erste PCM-Prozessor bereits "beträchtliche Rationalisierungserfolge" gebracht habe, läßt sich von "Unkenrufen" aus den eigenen Reihen nicht schrecken. Da die Verlagsmanager primär die Wirtschaftlichkeit eines neuen Systems beurteilen würden, habe er bei seiner jetzigen Entscheidung die volle Rückendeckung der Gesellschafter. Othold lakonisch: "Warum soll ich pro Jahr eine Million mehr ausgeben, wenn ich ein Problem auch billiger lösen kann." Die Unterstützung seines Managements habe denn auch die Bemühungen der IBM scheitern lassen, in den oberen Verlagsetagen "im üblichen Stil" gegen Abweichler vorzugehen.

Während Othold den zweiten Amdahl-Rechner als Übergangslösung sieht "bis die Erkenntnisse über die 3083 gesichert sind", ist sein PCM-Schritt in den Augen von RZ-Chef Spatz bereits endgültig. Verärgert über die eingeschlagene Richtung wolle er sich nunmehr vorzeitig pensionieren lassen.