Newcomer in Deutschland: Endemann Internet AG

Suchmaschinen-Winzling nimmt Marktführerschaft ins Visier

16.04.1999
Von Andrea Goder* NEUSS - Erstmals betrat mit der Endemann Internet AG ein Unternehmen der Kategorie "smallest cap" das Frankfurter Börsenparkett. Das hochgesteckte Ziel der Neusser, bereits im nächsten Jahr deutscher Marktführer unter den Internet-Suchmaschinenbetreibern zu sein, muß jedoch als sehr ambitioniert eingestuft werden.

Frankfurts Neuer Markt gibt den Kleinen eine Chance. Stimmt das Branchensegment und besteht auch nur annähernd die Aussicht auf zukünftige Gewinne, haben selbst Unternehmen im Mini-Format gute Aussichten auf eine Zulassung an der deutschen High-Tech-Börse. So geschehen auch bei der Endemann Internet AG. Der Umsatz der 1996 von Vorstandschef Ingo Endemann gegründeten Gesellschaft lag 1998 bei gerade einmal 1,3 Millionen Mark. Dennoch verstand es der 29jährige, seine "Story" bei Anlegern und Aktionären gut zu verkaufen. "Endemann schaffte den Breakeven bereits vor dem Going Public, Yahoo erst danach", wurde der gelernte Werbekaufmann im Vorfeld des Börsengangs nicht müde, die Bonität seines Unternehmens zu betonen. Konkret stand dann am Ende des Jahres ein Plus von 180000 Mark in der Bilanz.

1996 als klassische Werbeagentur gestartet, begann Endemann schon bald mit der Vermarktung von Internet-Angeboten. Zum Netzwerk beziehungsweise Angebotsportfolio gehören heute neben Chat-Foren, Nachrichten und Wetterinformationen die Suchmaschinen Spider, Aladin und Eule, die der Jungunternehmer in den letzten Monaten sukzessive aufkaufte. Rund 400000 Web-Surfer besuchen nach Firmenangaben monatlich die rund zwei Millionen eingelesenen Seiten. Die Zahl der Seitenaufrufe liegt bei 7,5 Millionen. Finanziert wird die, so Endemann, "kleine Unternehmung" über Werbeflächen im Internet, die an mehr als 600 Kunden vermietet sind, darunter Siemens, Volvo und die Commerzbank.

Mit den drei Suchmaschinen wollen die Nordrhein-Westfalen schon bald zum "Marktführer bei den deutschsprachigen Portalen" avancieren, gibt sich der deutsche Cyberspace-Pionier alles andere als bescheiden. Daß dies ein ehrgeiziges Unterfangen ist, zeigt auch ein Blick auf die Schar der Mitbewerber. Derzeit gilt Endemann unter den rund 40 deutschen Anbietern von Suchmaschinen als Nummer vier. Branchenprimus ist Fireball. Die von Gruner & Jahr betriebene und mit T-Online kooperierende Suchmaschine registriert mit 2,5 Millionen Nutzern sechsmal so viele Besucher wie Endemann. Platz zwei und drei wird im Moment von den deutschen Ablegern der US-Player Lycos und Yahoo gehalten (siehe Abbildung "deutsche Suchmaschinen").

Doch nicht nur die deutschen Konkurrenten liefern sich im Web, wenn man so will, virtuelle Revierkämpfe, auch finanzkräftige US-Anbieter drängen zunehmend auf den europäischen Markt. Zuletzt erst die neue "Compaq-Tochter"Altavista. Die Zahl der Wettbewerber dürfte in den nächsten Monaten sogar noch weiter steigen, zumal die Eintrittsbarrieren in dieses IT-Segment niedrig sind und sich die Anfangsinvestitionen in Grenzen halten. Endemann beklagt denn auch, daß andere Anbieter schon wiederholt die Ideen der Neusser in nur wenigen Wochen kopiert hätten.

Größere Kraftanstrengungen dürfte dagegen der für das vierte Quartal dieses Jahres geplante Markteintritt in den USA erfordern, der allerdings nicht im Alleingang erfolgen soll. Erwogen wird ein Joint-venture mit zwei US-Partnern aus der Medienbranche. "Das ist die einzige Chance, wie wir in den USA ein paar Prozentpünktchen in einem bereits sehr gefestigten Markt ergattern könnten", skizziert Endemann vorsichtig die unsicheren Perspektiven.

Vorerst hat der Jungunternehmer auch im deutschen Markt an verschiedenen Fronten zu kämpfen. Für Furore unter den Suchmaschinen-Betreibern sorgen beispielsweise immer neue Softwareprodukte, mit denen Anwender Werbung von sich fernhalten können. Ein Beispiel hierfür ist eine aus dem Hause Siemens stammende Entwicklung mit dem Namen "Webwasher". Sollten sich solche Trends beziehungsweise Filtertechniken durchsetzen, wäre dies nach Ansicht von Branchenkennern das zwangsläufige Ende von Web-Companies wie Endemann, die allein von Werbeeinnahmen leben.

Szenarien wie diese sind jedoch für den Senkrechtstarter aus Nordrhein-Westfalen "absolut kein Thema". Finanziell gestärkt infolge des Börsengangs, plant der Vorstandschef weitere Akquisitionen im deutschen Markt, um so die Zahl der Nutzer und die Höhe der Werbeeinnahmen zu steigern. Was offensichtlich dringend not tut, denn unter Börsianern kursiert der auf eine Umkehrung der sonst bei Internet-Firmen gewohnten Verhältnisse gemünzte Witz: Das Unternehmen schreibt zwar schwarze Zahlen, macht aber keinen Umsatz. Offiziell wird jedoch Optimismus verbreitet. "In den ersten zwei Monaten des laufenden Jahres setzte sich das dynamische Umsatzwachstum fort. Das Ergebnis vor Steuern erreichte bis Februar 1999 schon fast das Niveau des Gesamtjahres 1998", heißt es im Emissionsprospekt.

Weitgehend unstrittig dürfte aber ein anderes Manko sein. Den Neussern fehlt es bis dato an eigenem Profil. Die angebotenen Online-Services, darunter auch ein in Kooperation mit Reuters betriebener Nachrichtendienst und eine E-Mail-Adressen-Auskunft, verfügen kaum über Alleinstellungsmerkmale gegenüber Produkten der Konkurrenz. Darüber hinaus darf angezweifelt werden, ob die bisherige Firmenstruktur das schnelle externe Wachstum verkraftet. Bis vor kurzem jedenfalls hatte die Startup-Company keinen eigenen Finanzchef. Dieser dürfte allerdings in Zukunft mit zu den wichtigsten Köpfen der heute 14 Mitarbeiter zählenden Mannschaft gehören - jedenfalls dann, wenn der Business-Plan erfüllt wird. Im laufenden Geschäftsjahr ist ein Umsatz von knapp sechs Millionen Mark, im Jahr 2000 von knapp 13 Millionen Mark geplant. Proportional dazu sollen die Gewinne auf zwei beziehungsweise fast fünf Millionen Mark anwachsen (siehe Abbildung "Geschäftsentwicklung").

Noch darf man also gespannt sein, ob sich die Erfolgsgeschichte von Internet-Shooting-Stars an der Nasdaq, etwa Yahoo oder E-Bay, jetzt auch in Deutschland wiederholen läßt. Der Börsenstart von Endemann am 10. März sah jedenfalls ganz danach aus. Am ersten Tag schoß die mit 23 Euro ausgegebene Aktie auf 106 Euro hoch. Grund genug für Kritiker, sich schnell zu Wort zu melden: Statt ordentlicher Umsätze und Gewinne werde hier viel heiße Luft gehandelt, hieß es. Die Marktkapitalisierung von Endemann betrug übrigens nach Beendigung des ersten Handelstages knapp 500 Millionen Mark. Mittlerweile hat sich der Kurs bei rund 95 Euro stabilisiert.

Angesichts dieser Dimensionen dürfte für die Neusser vorerst auch das Thema Übernahme vom Tisch sein. "Das ist bei uns im Vorfeld schon häufig versucht worden", erinnert sich der Firmenchef. Nach dem Going Public ist die Frankfurter Metallbank, die sich im Zuge einer Kapitalerhöhung in das Unternehmen einkaufte, mit 12,1 Prozent an der Web-Company beteiligt. Gründer Endemann hält nach dem IPO noch 50,2 Prozent der Anteile.

*Andrea Goder ist freie Journalistin in München.