Mischung zwischen Phasen- und Prototyping-Modell

Strukturiertes Prototyping hilft Geld und Zeit zu sparen

20.11.1992

STUTTGART (hp) - Die Einbeziehung der Anwender bei der Software-Entwicklung wirkt sich positiv auf die Benutzerfreundlichkeit der Produkte aus. Deshalb enthalten schon viele Entwicklungsprojekte Prototyping-Phasen, denen die späteren Benutzer die Vorabversionen der Software testen. Eine Vorgehensweise zur Herstellung grafischer Benutzerschnittstellen mit Prototyping wurde auf der Fraunhofer-Veranstaltung "Dialog-Management" vorgestellt.

Bei der klassischen phasenorientierten Software-Entwicklung werden die wesentlichen Anforderungen an das Zielsystem von vornherein ermittelt und bleiben dann unverändert. Die Entwickler erstellen das System in einem Durchlauf, wobei sich Änderungswünsche frühestens nach der Auslieferung der Software berücksichtigen lassen. Beim Prototyping hingegen werden die Erfahrungen der Anwender durch rückgekoppelte Arbeitsschritte in die Zielsetzung einbezogen.

Auf dem Fraunhofer-Seminar zeichnete Gerald Groh, Consultant in den Bereichen Prototyping und Systemintegration, die Vor- und Nachteile der zwei Vorgehensweisen auf. Im Falle von organisatorischen Änderungen veraltet das Sollkonzept des Phasenmodells sehr schnell. Allerdings hat diese Methode bei Controllern und im Management einen besseren Ruf als das Prototyping, da sich durch die vorher festgelegten Arbeitsschritte die Kosten von Anfang an besser kalkulieren lassen.

Das Prototyping verlangt ein sehr aufwendige Planung und Steuerung der Software-Entwicklungsprozesse. "Vor allem die Anforderungen an das Projekt-Management steigen. Das betrifft besonders den Bereich soziale Kompetenz", erklärte Klaus-Peter Fähnrich, Abteilungsleiter Informations- und Kommunikationssysteme des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation. Zudem stellten sich beim Prototyping oft Enttäuschungen beim Anwender ein, da zwischen dem Vorabmodell und dem Endprodukt teilweise einige Zeit vergehe. Oft ließen sich die "Quick-and-Dirty"-Versionen schlecht weiterentwickeln.

Allerdings, so führte Groh aus, bietet das Prototyping eine schnelle Darstellung der zu entwickelnden Software, die als Grundlage für die Entscheidungsträger dienen kann. Positiv auf die Qualität und die Akzeptanz wirke sich zudem die Einbeziehung der Endanwender aus. Zwar entständen in der Anfangsphase durch die aufwendige Planung ein höherer Zeit- und Kostenaufwand, aber dies werde durch die weitaus geringeren Wartungskosten ausgeglichen.

In dem Seminar stellte Groh eine Vorgehensweise vor, die die Vorteile des Phasen- und des Prototyping-Modells beinhalten soll: das strukturierte Projekt-Management. Es lehnt sich in erster Linie an das Prototyping an, versucht aber die Nachteile dieses Modells wie schlechte Organisierbarkeit sowie den unkontrollierten Einsatz von Ressourcen und Kosten zu vermeiden. Die Software-Entwicklung teilte Grob hierbei in 16 Arbeitsschritte ein. Sie reichen von der Zielsetzung über das Pflichtenheft, die Grobspezifikation die Tool-Auswahl und die Implementierung bis zum Firmen-Styleguide. Dazwischengeschaltet sind zahlreiche Rückkoppelungen (siehe untenstehende Grafik).

Dabei können im Rahmen des vertikalen Prototyping beispielhafte Funktionen des Endprodukts vollständig implementiert werden, um Detailfragen zur Funktionalität oder zum Design der Benutzerschnittstelle zu klären, so Groh weiter. Die Darstellung des gesamten Systems wird im Rahmen des horizontalen Prototyping vorgenommen, bei dem die

Funktionen nur in sehr vereinfachter Form implementiert seien.

Bisher reagierten Controller und Kostenstellen auf die Prototyping-Methode relativ zurückhaltend, da viele Entscheidungen erst während der Software-Entwicklung getroffen werden und sich die Kosten im voraus schlecht festlegen lassen. "Es empfiehlt sich, in regelmäßigen Abständen ein Zwischenresümee zu ziehen und die Verantwortlichen darüber zu informieren. Bewährt hat sich auch, in den Verträgen sowohl Fix- als auch Aufwandselemente aufzunehmen", riet Fähnrich.