Betriebsvereinbarung in der Bundesanstalt für Arbeit in der Diskussion:

Streitpunkt: Leistungs- und Verhaltenskontrolle

06.09.1985

Betriebsvereinbarungen werden normalerweise genauso hart um- und erkämpft wie Tarifverträge. Unterschied: Sie betreffen nur einen bestimmten Betrieb, und sie gelangen deshalb meist nicht an das Licht der Öffentlichkeit. Wenn nun der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg und ihr Hauptpersonalrat eine derartige Betriebsvereinbarung über den "vermehrten Einsatz von Informations- und Kommunikationsverfahren bei der Erledigung ihrer Aufgaben" schließen, dann ist dieses und der Inhalt dieser Vereinbarung von politischem Interesse. Darüber hinaus muß eine breite Fachöffentlichkeit, also die DV-Leiter, die Personalverantwortlichen, die Betriebsräte, die Manager of Informations und natürlich die Datenschutzbeauftragten der Unternehmen, von derartige Betriebsvereinbarungen zumindest Kenntnis nehmen. Das Reizthema ist meist die sogenannte Leistungs- und Verhaltenskontrolle. Um das Maß und/oder das Muß einer derartigen Kontrolle geht es seit eh und je. Inwieweit Daten- und Datenfernverarbeitung hier für personenbezogene Daten und ihr Handling eine neue Qualität und damit möglicherweise eine Gefährdung der "informationellen Selbstbestimmung" bingen, ist eine kontinuierliche Diskussion. Einen informativen Beitrag will die COMPUTERWOCHE hier mit der Textwiedergabe dieser Betriebsvereinbarung der BfA leisten. Darüber hinaus erscheint in dieser Ausgabe an anderer Stelle (Seite 8) als Gastkommentar ein Meinungsbeitrag, der die Vereinbarung stark kritisiert. Erwidert werden soll diese Äußerung dann in der folgenden Ausgabe von seiten der Bundesanstalt für Arbeit.

Zwischen dem Präsidenten der Bundesanstalt für Arbeit und dem Hauptpersonalrat der Bundesanstalt für Arbeit besteht Einvernehmen über folgende Regelungen:

1. Vorbemerkungen

Für die Bundesanstalt für Arbeit als Dienstleistungsunternehmen gewinnt die moderne Informations- und Kommunikationstechnologie ständig an Bedeutung. Die Bundesanstalt für Arbeit strebe an, mit vermehrtem Einsatz von Informations- und Kommunikationsverfahren das Dienstleistungsangebot wesentlich zu erhöhen und die Mitarbeiter bei der Erledigung ihrer Aufgaben wirkungsvoll zu unterstützen.

Dieser Entwicklung hat der Vorstand in seinen am 14. 12. 1983 beschlossen "Grundsätzen für die Weiterentwicklung der Datenverarbeitung in der Bundesanstalt für Arbeit" bereits Rechnung getragen; er hat für alle Dienststellen u. a. verbindlich festgelegt, daß oberste Zielsetzung der Anwendung und Weiterentwicklung der Datenverarbeitung die Verbesserung des Leistungsangebots der Bundesanstalt ist und die Datenverarbeitung ferner der Steigerung der Arbeitseffektivität und der Arbeitserleichterung dienen soll.

In dem Beschluß des Vorstandes wird insbesondere auch betont, daß es nicht Ziel der Einführung automatisierter Arbeitsverfahren sein soll, Arbeitsplätze zu vernichten.

In Ausführung dieser Aussagen des Vorstandes werden die nachfolgenden Regelungen getroffen. Sie sollen mit dazu beitragen, die mit der Einführung der neuen Arbeitsverfahren möglicherweise einhergehenden Beeinträchtigungen der Mitarbeiter bei der Aufgabenerledigung zu beheben.

2. Geltungsbereich

Die nachstehenden Regelungen gelten für Beamte, Angestellte und Arbeiter der Bundesanstalt für Arbeit, deren Tätigkeit durch Verfahren der Informations- und Kommunikationstechnologie, die zur Einführung computerunterstützter Arbeitsverfahren führen, mittelbar oder unmittelbar berührt wird oder die bereits auf Bildschirmarbeitsplätzen beschäftigt sind, soweit beamtenrechtliche bzw. tarifrechtliche Regelungen dem nicht entgegenstehen.

3. Sicherung der Beschäftigten

Die Bundesanstalt für Arbeit ist dem von einer Maßnahme im Sinne der Nr. 2 betroffenen Angestellten nach den Nrn. 3.1 und 3.2 zur Sicherung der Beschäftigten verpflichtet.

Die Sicherung der Beschäftigten setzt erforderlichenfalls eine Fortbildung oder Umschulung des Angestellten voraus.

3.1 Die Bundesanstalt für Arbeit ist verpflichtet, dem Angestellten eine mindestens gleichwertige und zumutbare Beschäftigung anzubieten.

3.1.1 Eine Beschäftigung ist gleichwertig, wenn sich durch die neue Tätigkeit die bisherige Eingruppierung nicht ändert und der Angestellte in der neuen Tätigkeit vollbeschäftigt bzw. im bisherigen Umfang nichtvollbeschäftigt bleibt.

3.1.2 Eine Beschäftigung ist zumutbar, wenn die neue Tätigkeit den Kräften und Fähigkeiten des Angestellten entspricht und dem Angestellten auch im übrigen billigerweise zugemutet werden kann.

3.1.3 Steht eine gleichwertige und zumutbare Beschäftigung nicht zur Verfügung, soll der Angestellte fortgebildet oder umgeschult werden, wenn ihm dadurch eine gleichwertige Beschäftigung zur Verfügung gestellt werden kann. Nr. 4 gilt entsprechend.

3.2 Kann dem Angestellten keine gleichwertige Beschäftigung zur Verfügung gestellt werden, ist die Bundesanstalt für Arbeit verpflichtet, dem Angestellten eine andere zumutbare Beschäftigung möglichst bei seiner Dienststelle anzubieten. Die Nrn. 3.1.2 und 3.1.3 gelten entsprechend .

Bei späterer Bewerbung um eine gleichwertige Beschäftigung ist der Angestellte - bei Vorliegen der Eignung - bevorzugt zu berücksichtigen.

3.3 Der Angestellte ist verpflichtet, eine ihm angebotene Beschäftigung im Sinne der Nrn. 3.1 und 3.2 anzunehmen.

4. Fortbildung, Umschulung

4.1 Ist eine Fortbildung oder Umschulung erforderlich, hat sie die Bundesanstalt für Arbeit rechtzeitig zu veranlassen oder durchzuführen; die Kosten trägt die BA.

4.2 Der Beschäftigte ist für die zur Fortbildung oder Umschulung erforderlichen Zeit von der Arbeit freizustellen.

5. Sicherung der Vergütung

5.1 Ergibt sich in den Fällen Nr. 3 durch den Wechsel der Tätigkeit eine Minderung der Vergütung, ist die Bundesanstalt für Arbeit verpflichtet, die Vergütung nach den Nrn. 5.2 und 5.3 zu sichern.

5.2 Tritt bei einem Angestellten ein Wechsel der Tätigkeit ein, wird die Vergütung (° 26 MTA) nach der bisherigen Vergütungsgruppe zuzüglich der in Monatsbeiträgen festgelegten Zulagen mit Ausnahme der Zulagen nach ° 33 MTA höchtens für die wöchentliche Arbeitszeit gesichert, die der Angestellte nach der am Tage vor dem Wechsel der Tätigkeit bestehenden arbeitsvertraglichen Vereinbarung durchschnittlich regelmäßig zu leisten hatte.

5.3 Die vor einem Wechsel der Tätigkeit liegenden Zeiten sind bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen bei einem späteren Bewährungsaufstieg - gegebenenfalls abweichend von ° 23 a Nr. 4 MTA - zu berücksichtigen. Die Zeiten der Unterbrechung werden auf die Bewährungszeit jedoch nicht angerechnet.

5.4 Die Vergütungssicherung nach den Nrn. 5.2 und 5.3 entfällt, wenn

a) dem Angestellten für die Dauer eine Tätigkeit übertragen wird, für die ihm eine höhere Vergütung zusteht, oder

b) der Angestellte die Übernahme einer mindestens gleichwertigen und zumutbaren Beschäftigung ablehnt oder

c) der Angestellte eine Fortbildungs- oder Umschulungsmaßnahme verweigert oder diese Maßnahme aus einem von ihm zu vertretenden Grund abbricht.

6. Beamte und Arbeiter der BA

6.1 Die von einer Maßnahme im Sinne der Nr. 2 betroffenen Beamten auf Probe werden aus diesem Grunde nicht entlassen.

6.2 Die Nrn. 3 bis 5 gelten für Arbeiter der BA entsprechend.

7. Mischarbeitsplätze

Es besteht Einvernehmen darüber, daß mit der Einführung computerunterstützter Arbeitsverfahren einseitige und monotone Arbeitsabläufe vermieden werden sollen. Die Bundesanstalt für Arbeit ist aus personalpolitischen Überlegungen darauf bedacht, bei Einführung computerunterstützter Arbeitsverfahren abwechslungsreiche Arbeitsvorgänge zu gestalten und damit soweit wie möglich Mischarbeitsplätze einzurichten.

Im Rahmen der vor einer bundesweiten Einführung computerunterstützter Arbeitsverfahren durchzuführenden Modellversuche wird die Bundesanstalt für Arbeit an Hand der einzelnen Arbeitsabläufe die Einrichtung von Mischarbeitsplätzen erproben und dabei prüfen, ob Mischtätigkeiten arbeitsorganisatorisch zweckmäßig und wirtschaftlich vertretbar sind.

Über die Ergebnisse dieser Untersuchungen wird der Hauptpersonalrat unterrichtet.

8. Leistungs- und Verhaltenskontrolle

8.1 Personenbezogene Daten über Beschäftigte, die im Arbeitsprozeß als Nebenprodukt anfallen oder aus Daten des Arbeitsprozesses abgeleitet werden können (z. B. Daten aus der Benutzung von Ausweislesern, Kurzcodes, Log-Dateien, Bedienerstatistiken, EDV-Auslastungsstatistiken usw.), werden nicht unter dem Gesichtspunkt einer individuellen Leistungs- oder Verhaltenskontrolle ausgewertet.

8.2 Eine Verknüpfung personenbezogener Daten von Beschäftigten mit Daten im Sinne der Nr. 8.1 findet nicht statt.

9. Unterrichtung des Hauptpersonalrates

9.1 Im Rahmen der vertrauensvollen Zusammenarbeit (° 2 BPersVG) wird die Personalvertretung über alle Maßnahmen, die mit der Einführung und Erweiterung von Informations- und Kommunikationsverfahren im Zusammenhang stehen, frühzeitig unterrichtet. Dabei wird insbesondere auf folgende Punkte eingegangen:

- Auswirkungen auf Arbeitsplatzinhalte und Arbeitsplatzgestaltungen,

- quantitative und qualitative Personalentwicklung einschließlich Weiterbildungsmaßnahmen,

- welche Beschäftigten Zugriffsberechtigung zu Daten haben.

Ist die Durchführung einer Maßnahme in Stufen vorgesehen, wird der Hauptpersonalrat über die Gesamtplanung und über die einzelnen Stufen jeweils unterrichtet.

9.2 Im übrigen werden dem Hauptpersonalrat

- ein Verzeichnis über Art und Verteilung von Endgeräten nach Dienststellen,

- das Datenschutz-Dateienverzeichnis für personenbezogene Daten sowie

- Arbeitsanleitungen und Verfahrenshandbücher zur Verfügung gestellt.

Darüber hinaus wird dem Hauptpersonalrat Einsicht in die vorhandene Programmdokumentation gewährt.

9.3 Die Vorschriften des BPersVG über die Beteiligung des Hauptpersonalrates bleiben hiervon unberührt.

10. Ärztliche Untersuchungen

Über die in der Dienstvereinbarung vom 28. 10. 1981 festgelegte ärztliche Untersuchung der Augen hinaus können im Einvernehmen mit dem Beschäftigten weitere fachärztliche Untersuchungen durchgeführt werden, denn solche Untersuchungen im Zusammenhang mit der Einführung computerunterstützter Arbeitsverfahren wegen des Gesundheitzustandes eines Mitarbeiters erforderlich erscheinen.

°° 7 MTA, 10 MTArb II und 42, 73 BBG bleiben unberührt.

Erfolgt die zusätzliche fachärztliche Untersuchung allein auf Wunsch des Mitarbeiters, sind die Kosten von ihm zu tragen.

11. Ergonomische Gestaltung der Bildschirmarbeitsplätze

Die mit RdErl. 103/84 - 1708/ 1702/1520. . . - vom 10. 08. 84 bekanntgegebenen Weisungen zur ergomischen Gestaltung der Bildschirmarbeitsplätze werden Bestandteil dieser Regelung.

12. Laufzeit

Die Regelungen der Nrn. 3 bis 5 treten sechs Monate nach dem Inkrafttreten eines Tarifvertrages für die Angestellten des Bundes, der sich mit Fragen der Beschäftigungs- und Einkommenssicherung befaßt, außer Kraft.

Im übrigen erfolgt eine Änderung der Regelungen nur im gegenseitigen Einvernehmen.

13. Durchführungshinweise zur Dienstvereinbarung vom 28.10.81

Diese Regelungen werden in Form ergänzender Durchführungshinweise zur Dienstvereinbarung über Arbeitsbedingungen an Bildschirmgeräten vom 28. 10. 1981 (RdErl 222/ 81) bekanntgegeben.

14. Information der Mitarbeiter

Abdrucke der Dienstvereinbarung vom 28.10.81 und der dazu ergangenen Durchführungshinweise sind allen Mitarbeitern die von der Einführung computerunterstützter Arbeitsverfahren erfaßt werden, auszuhändigen.

Nürnberg, den 15. Mai 1985 Bundesanstalt für Arbeit der Präsident gez. Franke

Für den Hauptpersonalrat der Bundesanstalt für Arbeit der Vorsitzende gez. Biese