CADCAM auf der Computermesse - aber was wird mit den Bauelementen?

Streit um CeBIT-Abgrenzung nicht beigelegt

06.09.1985

MÜNCHEN - Endlich klarere Formen nimmt jetzt das Konzept der zukräftig von der traditionellen Hannover-Messe losgelösten Computerschau CeBIT an (12. bis 19. 3. 1986). Im Rahmen der neuen Struktur konnte für das Messe-Sorgenkind CAD/CAM (Computer Aided Design/Computer Aided Manufacturing) ein Modus vivendi gefunden werden. So sollen die Aussteller der sogenannten C-Techniken auf der März-Präsentation zum Zuge kommen. Streit gibt es indes nach wie vor über die nachrichtentechnischen Bauelemente.

Ihre Zuordnung zur CeBIT läßt nach Aussagen von Uwe E. Samel, Geschäftsführer der Rotring-EuroCAD GmbH, die CAD/CAM-Produzenten aufatmen. Zunächst hätte es ja danach ausgesehen, als wenn man auf der CeBIT nur die computerunterstützte Konstruktion demonstrieren dürfe, doch "CAD ohne CAM ist wie Bier ohne Schaum oder wie eine Trauung ohne Braut". Übertrüge man diese Trennung auf die kommerzielle DV, dann könne man beispielsweise in diesem Bereich keine Drucker mehr vorführen. Der Brancheninsider in Sachen C-Techniken weiter: "Wir haben uns entschieden, auf der CeBIT auszustellen, mit dem Zusatz in der Anmeldung, daß wir CAM auch in der Praxis zeigen wollen." Dies bedeute, daß man wirklich "Späne machen" werde. Nach seiner Kenntnis sehe es so aus, als wenn die Mehrzahl der CAD/CAM-Hersteller im März präsent sei.

Nach Angaben der Deutschen Messe- und Ausstellungs-AG, Hannover, entfallen auf den Sektor CAD/CAM 70 der bisherigen 1800 Anmeldungen zur CeBIT 1986 (1985:1325). Auch Firmen wie Digital Equipment, Prime und IBM, die auf mehreren DV-Sektoren tätig sind wollen die Industrieschau "fahrenlassen". Dazu der DEC-Messeverantwortliche Werner Feldkirchner: "Es war ja ein ziemlich langes Gerangel bis es überhaupt zu einer vernünftigen Nomenklatur gekommen ist."

Nachdem für CIM (Computer Integrated Manufacturing) das gleiche wie für CAD/CAM gelte, stelle man 1986 ausschließlich auf der CeBIT aus.

Obwohl die genannten Bereiche in der neu definierten CeBIT-Nomenklatur untergebracht sind, gibt es Grenzfälle.

In Ausnahmefällen lassen sich auch Doppelbelegungen nicht vermeiden. So wird Siemens aufgrund seiner Produktvielfalt sowohl zur CeBIT als auch zur Industrieschau kommen "müssen". CAD/CAM-Tochtergesellschaften von Großunternehmen, die traditionell auf der Industrieausstellung anzutreffen waren, verzichten dagegen in Einzelfällen auf eine CeBIT-Teilnahme. So überlegt man sich gegenwärtig zum Beispiel bei der auf C-Techniken spezialisierten Tochter Calma von General Electric noch, welche Marschroute man einschlagen soll.

CIM alle zwei Jahre auf der Industrieschau

Im Zusammenhang mit etwaigen Doppelbelegungen meint der Geschäftsführer des Bundesverbandes Vertriebsunternehmen Büro-, Informations- und Kommunikationstechnik (BVB), Heinrich Stehmann, daß bei breiter Produktpalette eine zweimalige Teilnahme an dem aufgesplitteten Messegeschehen diskutabel sei. Wer von den Herstellern alles präsentiere - vom Konstruktionsbüro bis hin zum Mahnwesen und der Steuerung von Maschinen -, der werde sich überlegen müssen, ob er nicht auf beiden Messen vertreten sein soll. Was man allerdings auf der CeBIT nicht haben wolle, das sei die echte Fabrikautomation. Im Klartext hieße das: Es sollen keine computergesteuerten Atomkraftwerke und keine von einem Prozeßrechner angetriebenen fünf Tonnen schweren Roboter oder Werkzeugmaschinen, die acht Meter lang und fünf Meter hoch sind, "Platz greifen". Der gesamte Bereich einer einschlägigen Arbeitsvorbereitung und Planung müsse dagegen auf der CeBIT angesiedelt werden.

Günther Möller, der Geschäftsführer der Fachgemeinschaft Büro- und Informationstechnik im Verband Deutscher Maschinenbau und Anlagenbau e. V. (VDMA) macht bezüglich von CAD/CAM noch auf eine interessante, bereits bestehende Regelung aufmerksam: "In den ungeraden Jahren, wenn auf der Industrieschau die großen Maschinenbereiche vertreten sind, können dort ebenfalls Computer zur Integration und Steuerung dieser Maschinenbausysteme gezeigt werden. Bisher ist es auch schon so gewesen, daß die Hersteller von einschlägigen Rechnern durch ihre Maschinenbaukunden im Zweijahresrhythmus auf der Industriemesse vertreten waren." Es habe aber nur eine ganz kleine Anzahl von Firmen doppelgleisig operiert. Als für diese "Sonderklausel in Frage kommende Firmen nannte Möller unter anderen Hewlett-Packard, Control Data, Data General und IBM. Gleichzeitig betonte der VDMA-Mann, daß auf der CeBIT keinerlei Reklame für die im CAM- oder CIM-Bereich gezeigten Werkzeugmaschinen gemacht werden dürfe.

Endgültig ein Dach über den Kopf bekommen haben jetzt auch die nachrichtentechnischen Zubehörteile. Ebenso wie die gesamte Telekommunikation sollen sie auf der CeBIT gezeigt werden. Dazu meint der im Büro für öffentliche Nachrichtentechnik von SEL-Vorstand Roland Mecklinger tätige CeBIT-Kenner Wolfgang Schweizer: "Es sieht so aus, daß alle wesentlichen Mitgliedsfirmen des ZVEI bis auf ein oder zwei an diesem Konzept mitziehen. Wir treten sozusagen die Flucht nach vorne an." Glücklich über die "Zellteilung" sei keiner, aber man müsse sich die neue Messe nun erst einmal anschauen.

Ähnlich stuft auch der Geschäftsführer des Fachverbandes Informations- und Kommunikationstechnik, Gerhard Reckel, den Tatbestand ein. Nachteilig sei es in diesem Zusammenhang jedoch auf jeden Fall, daß viele Firmen einen Hallen-Umzug in Kauf nehmen müßten, der "viel Geld, viel Zeit und viel Mühe kostet". Hinzu käme, daß einige ZVEI-Firmen zweimal präsent sein müßten, so beispielsweise Hersteller von verschiedenen Kabelarten wie SEL.

Keine endgültige Einigung scheint es aber weiterhin bezüglich der nachrichtentechnischen Bauelemente zu geben. Während Reckel und Schweizer gegenüber der COMPUTERWOCHE die Auffassung bekundeten, daß dieser Bereich nun in die CeBIT eingebettet worden sei, vertritt man bei der Messegesellschaft in Hannover die gegenteilige Auffassung. CeBIT-Projektleiter Heinz Vogel: "Wir machen keine Unterscheidung zwischen den Bauelementen der Nachrichtentechnik und sonstigen Bauelementen." Und es sei nach wie vor so, daß man alle Bauelemente auf der Industriemesse in Augenschein nehmen könne. Der Messe-Obere weiter: "Wann immer Sie da anderslautende Informationen erhalten haben, dann weiß ich nicht, wo die herkommen."

Gravierender stellt sich nach Reckels Auffassung der Schnitt allerdings weiterhin für die C-Branche dar, weil man abwarten müsse, wo die Zielgruppen hingingen. Außerdem gab der Geschäftsführer des Fachverbandes zu bedenken, daß durch die neue Messestruktur bedingte Doppelbelegungen die Gefahr einer Wettbewerbsverzerrung in sich bergen würden. "Da ist die Messe-AG gefordert, die ,Schnittstellen' für 1986 noch genauer zu ziehen, damit es nicht vorkommt, daß sich die Großen aufgrund der besseren Kapitalausstattung zweimal präsentieren. Wir werden hier auch im Sinne unserer Mittelständler nicht ruhen."

BVB-Boß Stehmann appellierte gegenüber der COMPUTERWOCHE im Hinblick auf die noch verbliebenen Grauzonen beziehungsweise "wunden Punkte" an die Einsicht der Aussteller. Schließlich sei ja jetzt noch nicht aller Tage Abend: "Eine Messe lebt, Verbesserungen gibt es immer. Man sollte momentan aber erstmal den Knüppel im Sack lassen. Wenn wir dann Mist gebaut haben, dann kann uns ja die Wucht der Kritik mit voller Macht treffen."