Pentagon will mit Warenzeichen-Eintrag die Befolgung festgelegter Normen erzwingen.

Streit um Ada: Schindmähre oder Rassepferd

23.10.1981

In den letzten beiden Jahren wurde Ada in der Fachpresse ein enormes Maß an Beachtung zuteil. Ada ist bekanntlich ein neuer Stern am Himmel der Programmiersprachen und Implementierungssysteme. Der Name wurde zum Gedenken an die "erste Programmiererin" Augusta Ada, Countess of Lovelace, gewählt, die im frühen 19. Jahrhundert gelebt hat. Wir verdanken ihr eine genaue Beschreibung der "Analytical Engine" von Charles Babbage.

Die Rolle, die das amerikanische Verteidigungsministerium bei der Förderung von Ada gespielt hat, verhalf der neuen Sprache zu einem guten Start. Neben dem Pentagon standen aber noch andere Kräfte hinter der Nominierung von Ada, und zwar ebenfalls hohe militärische Stellen in den Verteidigungsministerien Großbritanniens und der Bundesrepublik.

Die Kontroversen um Ada machen zur Zeit Schlagzeilen in der Fach- und Wirtschaftspresse. Ada muß daher ernst genommen werden. Fragt man aber: "Warum schon wieder eine neue Sprache?", dann sind die Antworten darauf weder einfach noch einheitlich.

Einige Ansichten über Ada seien im folgenden zitiert:

- Eine Schlagzeilen der COMPUTERWORLD vom 13. April: "Gewinner des Turing-Preises warnt vor den Gefahren von Ada."

- Ein Zitat in "Datamation" vom Februar 1981, das einer Autorität für die Struktur von Programmiersprachen zugeschrieben wird: "Verhindern Sie, daß diese Sprache in ihrem gegenwärtigen Zustand für Anwendungen gewählt wird, bei denen es entscheidend auf die Zuverlässigkeit ankommt."

- In einer Spalte der "Electronic News" wird gefragt, "wie das Verteidigungsministerium dazu kommt, einen Software-Albatros zu schaffen der nur über eine begrenzte Programmiermannschaft zur Unterstützung und Anpassung an militärische Belange verfügt".

- In einem Aufsatz in der "Minicomputer News" vom 12.August 1980 wird festgestellt: "Gegenwärtig ist die neue Programmiersprache Ada buchstäblich ein Papiertiger, das heißt ein Ergebnis rhetorischer und praziser Planung, aber keineswegs eine in die Wirklichkeit übertragene Tatsache."

- In einem Leitartikel in der "Mini Micro Systems" vom November 1979 werden Befürchtungen über ein Produkt geäußert, "dessen Förderung einer militärischen Einrichtung zu verdanken ist, die als Kunde oft Ärger verursacht und deren Beiträge zum Fortschritt der Information häufig als destruktiv angesehen werden."

- Und ein Aufsatz in der "Business Week" vom 23. März enthielt die Ansicht, daß Ada schon als Folge des Eigengewichts ihrer Komplexität untergehen dürfte und auch ihre Normung angesichts des enormen Umschulungsaufwands für die Programmierer sie nicht davor bewahren wird.

Der bissigste Kommentar kommt aber von einem der kritischsten Beobachter der Informationsindustrie Herbert Grosch. In seinem Aufsatz in der britischen Zeitschrift "Computing" vom 21. August 1980 bezog sich Grosch auf den alten Spruch, wonach das

Kamel das Ergebnis eines Ausschusses ist, der ein Pferd konstruieren wollte. Ada sei, schrieb Grosch, "von einem korrupten Ausschuß ausgeschrieben, von einem Ausschuß aufgrund des billigsten Angebots spezifiziert und von einem ausländischen Ausschuß entwickelt worden, während die Ausbildung durch das Pentagon erfolgt, und schließlich soll es noch als junges Fohlen schon den Abdeckern angeboten werden."

Natürlich weiß Grosch wie jeder andere, daß ein Kamel eine Reihe guter Eigenschaften hat, die das Pferd nicht aufzuweisen hat, nämlich Zuverlässigkeit und die Fähigkeit, unser extremen Bedingungen zu überleben. Nun hat aber jede Münze zwei Seiten, und so sollen auch die positiven Stellungnahmen erwähnt werden:

- Die "Electronic News" brachte kürzlich unter der Schlagzeile "Ada language finds wide acceptance" einen Bericht, wonach mindestens 25 in der Öffentlichkeit bekannte Interessenten im kommerziellen, industriellen und militärischen Bereich die neue Programmiersprache implementieren wollen.

- Ein ähnlicher Leitartikel in der Zeitschrift "Mini Micro Systems" im April begrüßte Ada als ein System zur Abkürzung "der begrifflichen Abstände vom Problem zum Programm" und unterstützte die Behauptung, Ada sei "ein bemerkenswertes Hilfsmittel der Softwaretechnik".

- Die ganze Juni-Ausgabe der angesehenen, vom Institute of Electrical and Electronic Engineers (IEEE) herausgegeben Zeitschrift "Computer" widmete dem gegenwärtigen Status von Ada sechs sehr positiv gehaltene Übersichtsaufsätze und stellte fest, die Sprache sei ausersehen, die dominierende Programmiersprache der 80er Jahre zu werden.

- In einem Artikel der "Electronics" vom 24. Februar wird die Stellungnahme von Intel diskutiert. Die Struktur von Ada wird darin als Basis für die Architektur des 32-Bit-Mikroprozessors APX432 gelobt, und dazu wurde ein vorläufiger Compiler geschaffen.

Es ist nicht das erste Mal, daß Pentagon versucht hat, seine eigenen Mühen und Plagen auf dem Gebiet der Informationsverarbeitung durch eine Vereinheitlichung der Programmiersprachen zu verbessern. Früher ging es vor allem um den Gesichtspunkt der Portabilität. Die Militärs wollten die Abhängigkeit von einem Hersteller oder von einer Computerfamilie verringern. So war es denn auch das Pentagon, das die branchenweite Conference on Data Systems Languages einberief, die dann zur Spezifikation von Cobol führte.

Hätte nicht in den 50er und frühen 60er Jahren das Pentagon dahintergesteckt, wäre Cobol nicht die so weitverbreitete Sprache geworden, die es heute ist. Andere Aktivitäten hatten allerdings weniger Erfolg, beispielsweise die vom Pentagon betriebene Standardisierung von "Jovial" in der Mitte der 60er Jahre. Aber auch heute ist bei militärisch ausgerichteten Standardsprachen, wie "CMS-2" der US-Navy oder "TOS" und "Tacpol" bei der Army, keine weitere Verbreitung festzustellen.

Wie ist es nun bei Ada? Während früher die Portabilität im Vordergrund stand, ist es heute die Verbesserung des Softwarekonstruktionsprozesses aufgrund der folgenden Zielsetzung:

1. Produktivitätssteigerung der Programmierer

2. Verbesserung der Softwarezuverlässigkeit

3. Verbesserung der Implementierung bei Realzeitsystemen.

Das letzte dieser drei Ziele ist für den militärischen Sektor besonders wichtig, da mehr als 50 Prozent aller computerbezogenen Haushaltsmittel des Ministeriums für die Entwicklung und den Betrieb von komplexen Realzeitsystemen ausgegeben werden. Es handelt sich um die sogenannten "eingebetteten Computersysteme ", zu denen Nachrichtenverbindungen, Überwachungs- und Steuerungskomplexe sowie Waffen- und Zielverfolgungssysteme gehören.

Selbstverständlich ist immer noch eine Portabilität erwünscht. Um sich diesen Vorteil zu sichern und um - aus anderen Gründen - eine Einheitlichkeit zu erreichen, hat das Pentagon Ada tatsächlich als Warenzeichen registrieren lassen. Damit soll eine unbedingte Befolgung der übernommenen Normen erzwungen werden.

Keine Ada-Subsets oder -supersets

Richtigkeit und Vollständigkeit sind deshalb von größter Bedeutung wenn ein Compiler validiert werden und das Ada-Etikett bekommen soll. Subsets oder Supersets werden daher nicht anerkannt und können den Namen Ada nicht führen. Auch diese Einschränkung hat verständlicherweise Kontroversen ausgelöst. Manahe Beobachter halten sie für Hemmnisse in der weiteren Entwicklung und Nutzung.

Wie die Diskussion gezeigt hat, ist Ada ringsum von Kontroversen umgeben, und das Für und Wider wird lautstark vertreten. In der INFOWORLD vom 27. April drückt das ein Autor folgendermaßen aus: "Ada kann zu einer weiteren Sprache werden, so unhandlich und ineffizient wie PL/ I oder . . . sich als Durchbruch in der Softwaretechnik erweisen." Um sich nun eine klare Meinung über dieses schillernde Thema zu bilden, muß man tiefer in die Kontroversen und die Zusammenhänge einsteigen, als dies an dieser Stelle möglich war.