Streicheleinheiten

01.04.1988

Allen Leuten recht getan, ist eine Kunst, die keiner kann. Dies ist der Stoßseufzer eines Seminaranbieters, wenn die DV-Elite zur Weiterbildung anrückt. Sogar der unbefangene Beobachter gewinnt den Eindruck, daß es vor diesem Publikum jeder Referent schwerhaben wird. Liegt doch ein leiser Hauch von elitärem Denken und Kompetenzbewußtsein spürbar in der Luft. Spätestens in der ersten Pause wird aus dem unbestimmten Gefühl Gewißheit. Es wird genörgelt: "Was soll ich hier", "Weiß ich doch schon alles", "Theoretischer Quatsch" tönt es dezent durch die noble Hotelhalle. Warum also sind die streßgeplagten Koryphäen überhaupt hier? Ein Blick in die schadenfrohen Gesichter macht es jedoch deutlich: Die von Fachabteilung und Vorstand immer mehr in die Zange genommenen DV-Verantwortlichen sind unter sich und hören mit Vergnügen, daß sich die Kollegen mit den gleichen Problemen herumplagen, die gleichen Fehler machen, daß auch sie nur mit Wasser kochen. Kurzum: Man fühlt sich bestätigt. Auch wenn die Veranstaltung selbst nicht soviel gebracht hat - die Erwartungshaltung der Teilnehmer war von vornherein auf Sparflamme - die meisten gehen zufrieden nach Hause. Vielleicht holen sich die DV-Chefs auf derartigen Seminaren jene Streicheleinheiten, die sie in ihren Unternehmen hin und wieder vermissen.