Neun neue XAR-Modelle

Stratus forciert trotz Übergang auf HP-Chip noch Intel-RISC-CPU

24.07.1992

MARLBORO (jm) - Obwohl die Prozessor-Zukunft der Stratus Computer Inc. auf Hewlett-Packards Precision-Architecture-CPU ausgerichtet sein wird, bauen die Entwickler fehlertoleranter Systeme auf Marlboro, Massachusetts, momentan noch auf Intels RISC-CPU 860.

Mit neun neuen Modellen der erstmals im April 1991 vorgestellten XA/R-Rechnerlinie unterstreichen die Konkurrenten von Marktführer Tandem ihre Entschlossenheit, den bislang sehr erfolgreichen Weg fortzuführen.

Von besonderem Interesse scheint bei dem Unternehmen aus dem Nordosten der USA zu sein, daß ihm auch ein Architekturwechsel von CISC- auf RISC-Prozessoren - die im Mai 1990 präsentierten "Continous-Processing-Systems"-Rechner der XA2000-Familie basieren auf der Motorola-68020-CPU - im Gegensatz zu anderen Firmen wenig geschadet hat.

Alliant etwa kam der Umstieg von CISC- auf die Intel-860-RISC-Technologie teuer zu stehen: Die Company um COO und President Craig Mundie mußte sich Anfang Juni 1992 unter Glaubigerschutz stellen die Zukunft des Supercomputerherstellers wird von Marktbeobachtern allgemein als sehr düster angesehen.

Für das erste Geschäftsquartal des Jahres 1992 konnte Stratus mit 11,4 Millionen Dollar Gewinn einmal mehr einen Profitsprung gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres von 47 Prozent machen. Der Umsatz für die besagte Periode stieg um neun Prozent von 101 auf 110,2 Millionen Dollar. Auch das Jahresergebnis 1991 konnte sich - vor allem im Vergleich zum Konkurrenten Tandem - sehen lassen: Der Umsatz stieg von 403,9 Millionen Dollar im Jahr 1990 um elf Prozent auf 448,6 Millionen Dollar. In der Tat verbinden sich mit Intels RISC-Prozessor nicht unbedingt Erfolgsgeschichten: Neben dem havarierenden 860-Protagonisten Alliant verliert Intel zum Beispiel auch mit der Oki Electric Industry Corp. einen Kunden.

PC-Software-Schwergewicht Microsoft winkte ebenfalls ab: Die Pläne, deren zukünftige Betriebssystem-Umgebung Windows NT auch auf dem 860-Prozessor zu "fahren", stellte man in Redmond ein. "Wir wollen uns schließlich nicht in den nächsten Jahren nur noch mit Assembler-Code herumschlagen", lautet die Argumentation der Software-Entwickler, die im übrigen durchaus konzedieren, daß der 860-Chip sehr leistungsfähig sei.

Daß dem Prozessor nicht unbedingt mehr eine große Zukunft beschieden ist, deuten auch die Unterstützungsaktionen im Hause Intel selbst an: Obwohl der 860-Baustein vor allem auch als Grafik-Chip vermarktet wurde, war die Resonanz hierauf bei den Herstellern von Rechnersystemen nicht überwältigend.

Aus diesem Grund wohl stellte die Andy-Grove-Company die Entwicklung von Grafikroutinen zur Anpassung des Prozessors an die Systeme verschiedener Hersteller ein. Die bisher auf dem Markt verfügbare Software wird von Analysten als "sehr unvollständig" bezeichnet.

Trotz dieser eher negativen Vorzeichen setzt Stratus noch auf den Intel-Chip. Die Hinwendung zu HPs PA-RISC,-Architektur deutet allerdings indirekt auch in diesem Fall auf Unzufriedenheiten mit dem 860-Prozessor hin.

Die neun neuen XA/R-Systeme umfassen die Einstiegsrechner XA/R-Modell 5 und Modell 10, die Midrange-Systeme Modell 25, 35 und 45 sowie die am oberen Leistungsspektrum angesiedelten Modelle 305, 310, 320 und 330.

Die 300er Rechner (Modell 300 stellte Stratus bereits vergangenen November vor) lassen sich vom Ein- auf symmetrische Multiprozessorsysteme ausbauen. Die Modelle 310, 320 und 330 sind darüber hinaus in Doppel-Prozessor-Technologie ausgelegt, die sich somit in zwei, vier beziehungsweise sechs logischen Prozessoreinheiten konfigurieren lassen.

Anwender der XA/R-Rechner haben wie schon bei den XA2000-Systemen drei Optionen bei der Wahl des Betriebssystems: Neben dem proprietären "VOS" ist für Stratus-Kunden von besonderem Interesse das auf System V.4 basierende "FTX"-Betriebssystem. In der Version 2 vor einem Jahr präsentiert, reklamiert Stratus, mit diesem der erste Anbieter eines Unix-Systems zu sein, das sowohl symmetrisches Multiprocessing als auch Fehlertoleranzcharakteristika unterstützt. Als dritte Option kann man auch die in Deutschland nicht allzu sehr verbreitete "Pick"-Umgebung nutzen.

Neben der Hardware präsentierte Stratus auch neue Software: Für das Segment der Telekommunikations-Anwendungen - einem der Märkte, auf die sich Stratus neben dem Banken- und Broker- sowie Distributions-Geschäft besonders konzentriert - stellt der US-Hersteller für alle XA/R-Rechner das "Central-Office"-Paket (CO) zur Verfügung.

Absichtserklärungen betreffen darüber hinaus zum einen die Unterstützung diverser Datenbankmodelle: So würden in Zukunft alle jetzt angekündigten Rechner unter dem VOS- sowie dem FTX-Betriebssystem Oracle- und Sybase-Produkte bedienen, die Informix-Datenbank werde unter FTX angeboten.

Innerhalb eines Jahres würden zum anderen sowohl DCE von OSF als auch der Transaktionsmonitor Tuxedo der USL unterstützt. Mit der bereits im November 1991 avisierten zukünftigen Bereitstellung von Novells Netware-System für Unix sei ebenfalls binnen eines Jahres zu rechnen.

Die Modelle 5 und 25 sind ab sofort verfügbar, während der Anwender auf die Systeme 305, 310 und 320 noch bis zum dritten Quartal 1992, auf die Rechner 10, 35, 45 und 330 noch bis zum letzten Quartal des laufenden Jahres warten muß. Die Preisbandbreite reicht von 124 000 Dollar für einen Einstiegsrechner Modell 5 bis zu 1,039 Millionen Dollar für das Modell 330.