Business Intelligence/Balanced Scorecard bei der Deutschen Bank 24

Strategiekompass im Intranet

02.11.2001
Wie lassen sich Unternehmensziele in der Praxis am besten umsetzen? Die Deutsche Bank 24 hat dafür eine Balanced Scorecard implementiert. Über Internet-Techniken erhalten alle Führungskräfte der ersten und zweiten Ebene aktuelle Kennzahlen zu Wachstums- und Erfolgsfaktoren. Ein sauberes Strategiekonzept und die sorgfältige Definition der zentralen Performance-Indikatoren waren die Grundlage für die Implementierung der SAS-basierenden Lösung. Von Jörg Höhling und Marcus Fändrich*

Moderne Bankkunden wollen selber entscheiden, wann und wo sie ihre Bankgeschäfte erledigen wollen. Diese Entwicklung wird sich in Zukunft noch verstärken. Für eine Bank, die auch künftig am Markt erfolgreich agieren will, ist es daher zwingend erforderlich, eine freie Wahl der Zugänge zu bieten. Der Einsatz technischer Innovationen ist demnach ein "Pflichtprogramm" und wird heute vom Kunden erwartet. Ganz oben auf der Prioritätenliste der Kunden steht aber der persönliche Kontakt zu ihrer Bank. Daher bietet die Deutsche Bank 24, die in Europa mit 1700 Filialen vertreten ist, ihren rund 11,5 Millionen Kunden beides - mit integrierten Lösungen.

Doch nicht nur die Kunden, auch Aktionäre und Mitarbeiter sollen zufrieden sein. Damit dies gelingt, müssen die internen Prozesse optimal aufeinander abgestimmt sein. Um die richtige Balance zwischen diesen Hauptzielen zu finden und zu halten, setzt die Deutsche Bank 24 auf das Strategiekonzept der "Balanced Scorecard" (BSC). Denn allein mit den klassischen Controlling-Kennzahlen, die zum größten Teil aus vergangenheitsorientierten finanzwirtschaftlichen Zahlen bestehen, lässt sich der Wachstumskurs einer Bank nicht optimal steuern. Schließlich geht es nicht nur darum zu wachsen, sondern auch die angepeilten Ergebnisse zu erwirtschaften.

"Kompass 24" heißt die Balanced Scorecard der Deutschen Bank 24 treffend. Denn wie ein Kompass weist die BSC den Führungskräften der Bank den Weg zur operativen Umsetzung der Unternehmensstrategie. Bereits Ende 1999 wurden bei der Deutschen Bank 24 erste Parameter zur Feststellung der Leistung als Steuerungsgrößen für das Top-Management definiert. Diese Kennzahlen spiegeln die Ziele und die Entwicklungen auf allen vier Strategieebenen wider - Kunden, Shareholder, Mitarbeiter und Prozesse.

Chefsache: die Definition der LeistungsparameterDie Definition geeigneter Kennzahlen stellt die eigentliche Herausforderung beim Aufstellen einer Balanced Scorecard dar. Bei der Deutschen Bank 24 wurden diese Key-Performance-Indikatoren in Workshops auf höchster Entscheiderebene definiert. Erst nachdem dieses theoretische Gerüst stand, ging es an die konkrete Umsetzung.

Wie die Theorie mit nachvollziehbar praxisbezogenen Kennzahlen erfüllt wird, verdeutlichen einige Beispiele von Key-Performance-Indikatoren der Deutschen Bank 24: Die Zahl der neu gewonnenen Kunden gibt Aufschluss über die Umsetzung der Wachstumsstrategie. Eine weitere Steuerungsgröße ist der "Anteil belegloser Transaktionen", während die Zahl der beleglosen Buchungen, das heißt der online oder per Telefon abgewickelten Transaktionen, Einfluss auf die Kosten- und Ertragsstrukturen hat. Letztere Kennzahl zeigt demnach, wie erfolgreich die Strategie der Multikanalbank in der Praxis umgesetzt wird. Die Qualifizierungstage pro Mitarbeiter wiederum spiegeln den Strategiebaustein eines professionellen Kundenservices und motivierter Mitarbeiter wider. Der Erfolg der Qualifizierung lässt sich an den Kennzahlen "Vertriebsergebnis" und "Kundenbindung" ablesen.

Beim Aufstellen der BSC wurde darauf geachtet, dass sowohl für den Vorstand als auch für die Regionen und Gebiete weit gehend die gleichen Performance-Indikatoren definiert wurden. Heute erfahren Gebietsleiter unter anderem, wie sich die Zahl der Online-Kunden in ihrem Gebiet entwickelt hat und wie es in den anderen Regionen aussieht. Der Vorstand erhält diesen Wert für ganz Deutschland, kann aber per Mausklick auch die Entwicklung in den einzelnen Gebieten genauer betrachten.

Leistungsdaten aus dem IntranetDem theoretischen Gerüst der BSC folgte die IT-gestützte Implementierung. Innerhalb von zehn Monaten hatten sämtliche Führungskräfte der ersten und zweiten Ebene der Deutschen Bank 24 Online-Zugriff auf ihre spezifischen Kennzahlen. Zum Kreis der Kompass-24-Nutzer zählen neben den Mitgliedern des Vorstands nun auch die Regions- und Gebietsleiter sowie die Qualitäts-Manager.

Da die Anwender über ganz Deutschland verteilt arbeiten, entschied sich die Deutsche Bank 24 für eine Web-basierende Lösung: Über die Online-Schiene hat jede autorisierte Führungskraft nicht nur Zugriff auf ihre persönliche BSC und die Werte vorhergehender Perioden. Auch Vergleichszahlen aus anderen Regionen - zum Teil in Form einer Ranking-Liste - lassen sich per Mausklick auf den Bildschirm holen. Sicherheitsmaßnahmen und strikte Nutzerbeschränkungen verhindern unautorisierte Zugriffe.

Den Rohdaten auf der SpurNeben der Definition der Kennzahlen bildet die Extraktion der Basisdaten aus den verschiedensten DV-Systemen und Datenbeständen eine der wichtigsten Herausforderungen beim Thema BSC. So sind wichtige Informationen häufig in unterschiedlichen operativen Systemen gespeichert und müssen erst einmal zusammengeführt werden.

Nicht zuletzt im Hinblick auf die Datensammlung und -zusammenführung ist die kurze Entwicklungszeit für die IT-Lösung zu Kompass 24 beeindruckend. Innerhalb eines Jahres erstellte das Projektteam eine Prototyp-Version, testete die am Markt verfügbare Standardsoftware, programmierte das Web-basierende Frontend und stellte die Daten aus den verschiedensten operativen IT-Systemen der Bank bereit.

Da bereits ein großer Teil der Unternehmensdaten der Deutschen Bank 24 auf dem SAS- System gehalten wird, fiel die Entscheidung, auch bei der Web-basierenden Lösung auf SAS-Tools zurückzugreifen. Zum Einsatz kam "SAS WEB/AF", eine Entwicklungsumgebung mit vorgefertigten Java-Komponenten. Die Daten von Kompass 24 werden in einem Data Warehouse auf einem separaten Server, einer "Sun E10000", gehalten und monatlich aktualisiert. Dort liegen die Daten als SAS-Daten vor. Die fixen Steuerungsdaten und Datenformate belaufen sich auf etwa vier Megabyte. Monatlich werden dort weitere 3,8 Megabyte an Kennzahlendaten hinterlegt.

Bereits bei der Planung der IT-gestützten Balanced Scorecard wurde darauf geachtet, den Output möglichst ansprechend zu gestalten. Die Ergebnisse sollten sich auf einen Blick ablesen lassen. Daher wurden zum Beispiel Statuspfeile oder Diagramme gewählt, die den Grad der Zielerreichung anzeigen und darstellen - ähnlich wie in einem Flugzeug-Cockpit die Navigationsparameter. Daraus wird ersichtlich, inwieweit sich ein Leistungsindikator noch im grünen oder bereits im roten Bereich bewegt. So können die Verantwortlichen überwachen, ob sie noch im Plan liegen und in welchen Bereichen sie nachbessern müssen, um die vorgegebenen Planzahlen zu erreichen.

Die attraktive Aufbereitung der Steuerungsgrößen in Kombination mit der leichten Bedienbarkeit im Internet-Design und einem guten Antwortzeit-Verhalten des Systems trug viel zur positiven Akzeptanz von Kompass 24 bei. Die Nutzer zeigten sich von Anfang an sehr zufrieden mit Inhalten und Ausführung der Intranet-Lösung. Für die richtige Motivation sorgte die Einführung, bei der nicht nur die Anwendung der Software erklärt wurde, sondern vor allem ihr Sinn und Zweck. Auch im Schulungs-Booklet werden das strategische Konzept und der Nutzen sowohl für das Unternehmen als auch die einzelne Führungskraft nochmals ausführlich dargestellt.

*Jörg Höhling ist Leiter, Marcus Fändrich Mitarbeiter der Abteilung Performance-Steuerung & CRM bei der Deutschen Bank 24 AG in Frankfurt.

Ziele in der BalanceDas in den neunziger Jahren entwickelte Strategiekonzept der Balanced Scorecard (BSC) erfreut sich in der deutschen Wirtschaft zunehmender Beliebtheit. Dies ergab eine internationale Umfrage des Business-Intelligence- und Data-Warehouse-Anbieters SAS und der Unternehmensberatung Horváth & Partner. Befragt wurden 145 Manager aus Unternehmen in Deutschland, Frankreich, Italien und Großbritannien. Darunter befanden sich sowohl etablierte Großunternehmen als auch Firmen, die am Neuen Markt notiert sind oder vor dem Börsengang stehen.

Das Resultat: 98 Prozent aller befragten deutschen Unternehmen sind mit dem BSC-Ansatz vertraut. Europaweit arbeitet bereits ein Viertel der Unternehmen damit. Sechzig Prozent der deutschen Unternehmen planen bis 2003 eine BSC einzuführen. Im Grunde ist die Balanced Scorecard eine Übersetzungshilfe: Sie übersetzt die Unternehmensziele in verschiedene Kennzahlen, mit denen sich der Grad der Zielerreichung beurteilen lässt. Das Herzstück einer BSC ist ein unternehmensspezifisches Kennzahlensystem. Dieses enthält allerdings nicht nur die klassischen Werte aus dem Controlling.

Neben der finanzwirtschaftlichen Perspektive fließen auch die Sicht der Kunden, der Anteilseigner oder der Mitarbeiter, die Beurteilung interner Geschäftsprozesse sowie Innovations- und Lernperspektiven ein. Denn der Erfolg eines Unternehmens hängt nicht allein von den harten Finanzdaten ab, sondern auch von den immateriellen Werten, etwa einer ausgeprägten Kundenorientierung, motivierten Mitarbeitern sowie effizient organisierten Geschäftsprozessen. Mit einer BSC gelingt es, die verschiedenen Ziele eines Unternehmens in die optimale Balance zu bringen und Wechselwirkungen transparent zu machen.

Abb: Die IT-Umgebung von "Kompass 24"

BSC-Implementierung bei der Deutschen Bank 24. Quelle: Deutsche Bank 24 AG