Kolumne

Strategie oder Verzweiflungstat?

03.03.2000
Heinrich Vaske, Stellvertretender Chefredakteur CW

Die SAP AG will ihre R/3-Software nun auch auf Mietbasis anbieten. Angesichts der äußerst positivenPerspektiven, die dem Markt für Application-Service-Providing (ASP) prophezeit werden, kommt dieser Schritt nicht überraschend. Dennoch ist die Aufregung in der weit verzweigten SAP-Partnerlandschaft groß.

Unzählige Dienstleister, Systemhäuser und Beratungsgesellschaften generieren einen Gutteil ihrer Einnahmen damit, SAP-Software beim Kunden einzuführen und zu pflegen. Rund um R/3 ist ein gigantischer Markt entstanden, der für die Verbreitung des Systems sorgt. Gleichzeitig war den Walldorfern die starke Abhängigkeit von Externen immer ein Dorn im Auge. Kunden klagten, weil die Berater teuer waren, in Sachen Produkt-Know-how oftmals hinterherhinkten und es mit dem Abschluss der Projekte aus durchsichtigen Gründen oft nicht eilig hatten.

Wenn sich die Softwareschmiede nun an den verschiedenen Facetten des Application-Hosting versucht, wirbelt sie diesen Markt kräftig durcheinander. Das ist riskant. Zwar betonte Vorstandssprecher Henning Kagermann auf der Messe, die Initiative baue "in wesentlichen Teilen" auf Partnerbeziehungen auf, doch wie das aussehen soll, ist völlig unklar.

Die SAP macht ihren Partnern mit dem Vorstoß in Richtung ASP und Application-Hosting in jedem Fall Marktanteile streitig. Betroffen sind vor allem Outsourcing-Anbieter - von IBM und Debis bis hinunter zu kleinen Providern wie TDS. Das ist gefährlich, denn SAP möchte mit diesen Firmen auch weiterhin zusammenarbeiten.

Der Vorstoß der Walldorfer weckt nicht nur wegen der zu erwartenden Probleme im Partnernetz Zweifel. Generell ist fraglich, ob SAP seine große Marktdominanz im ERP-Geschäft für den Einstieg in das ASP-Business nutzen kann. Das Unternehmen konkurriert mit Wettbewerbern, die sich nach dem Motto Best of Breed aus einem großen Portfolio von Anwendungen bedienen können. In Wachstumsmärkten wie Kunden-Management, Supply-Chain-Management oder elektronische Beschaffung setzen sie auf Produkte der Marktführer Siebel, I2 Technologies und Ariba. SAP ist hier auf seine eigenen, noch unreifen Angebote angewiesen. Warum sollten sich Kunden, die Software nun als Dienstleistung einkaufen können, darauf einlassen?