Strafprozeß gegen Peter L., Stuttgart: Hardware für 12 Millionen Mark illegal nach Moskau?

16.01.1976

STUTTGART - Die 11. Große Strafkammer (Wirtschaftsstrafkammer) des Landgerichts Stuttgart verhandelt in Sachen "Computer". Auf der Anklagebank sitzt der 45jährige Stuttgarter Unternehmensberater und auch Gebrauchtcomputerhändler Peter L., ehemals Inhaber von mehreren EDV-Dienstleistungsunternehmen und nach eigenen Angaben im Jahre 1973 "die einzige Unternehmensgruppe in der BRD, die einen EDV-Vollservice anbietet". L. wird von der Staatsanwaltschaft beschuldigt, in mehreren Fällen (1971-1973) gegen das Außenwirtschaftsgesetz der BRD verstoßen zu haben, - sprich genehmigungspflichtige EDV-Hardware nach Moskau exportiert zu haben.

Nach einem mehrjährigen Ermittlungsverfahren lautet die Anklage, im Prozeß vertreten durch Oberstaatsanwalt Dr. Kasper, der Angeklagte habe:

1. fortgesetzt unrichtige Angaben gemacht, um für sich oder einen anderen nach den Bestimmungen des Außenwirtschaftsgesetzes erforderliche Genehmigungen zu erschleichen;

2. in sieben Fällen, teilweise fortgesetzt, ohne die nach den Bestimmungen des Außenwirtschaftsgesetzes erforderlichen Genehmigungen Waren (Computer und Peripherie) ausgeführt

3. im Rahmen eines Transithandels-Geschäfts ohne die nach den Bestimmungen erforderliche Genehmigung Waren veräußert.

Nach den bisherigen Zeugenvernehmungen an zehn Verhandlungstagen in Stuttgart kann bei noch sechs angesetzten Verhandlungstagen eine Zwischenbilanz gezogen werden:

- Der Wert der angeblich nach Moskau ausgeführten EDV-Systeme, eine IBM/360 Modell 40 mit Peripherie, eine IBM/'370 Modell 145 sowie zahlreiche Peripherie- und Zubehörteile, beläuft sich nach den Gerichtsunterlagen auf etwa 12 Millionen Mark.

- Daß 1971 eine /360 Modell 40 nach Moskau von dem Angeklagten geliefert wurde, steht außer Zweifel und bestreitet heute niemand mehr.

- Zeugenaussagen vor Gericht haben den Angeklagten in wenigen, aber entscheidenden Punkten schwer belastet.

Kernspeicher im Koffer

Wie das Ermittlungsverfahren ergeben hat, sind die zur Diskussion stehenden Hardware-Teile größtenteils per Spediteur über Amsterdam oder Wien ausgeführt worden. Und in Wien scheint tatsächlich der Schlüssel zum Geheimnis dieser Transaktionen zu liegen. Ein bestimmtes Unternehmen trat dort mehrmals als Adressat von Computer-Hardware auf, die heute in Moskau stehen soll: Doch auch das gibt's: Eine IBM-Kernspeichererweiterung soll im Handgepäck eines leitenden Mitarbeiters des Angeklagten nach Moskau transportiert worden sein.

Gegenüber der Computerwoche erklärte Peter L: "In dem Punkt Zentraleinheit ,360/40' müssen wir allenfalls mit einem Bußgeld wegen Ordnungswidrigkeit rechnen." Denn: Für die Ausfuhr der 360/40 wurde vom Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft, Frankfurt, eine auf 6 Monate befristete Erlaubnis erteilt mit der Maßgabe, das System innerhalb dieses Zeitraums wieder zurückzuführen. Dies geschah nicht. Die gleichzeitig beantragte endgültige Ausfuhr wurde bis heute nicht genehmigt. Lorenz weiter: "In den restlichen Anklagepunkten fühle ich mich unschuldig und gehe von einem Freispruch aus. Von der 370/145, die in Moskau stehen soll, weiß ich persönlich nichts, und ich wüßte auch nicht, wie diese dort hingekommen sein soll. Wir haben nach Österreich geliefert." -m-