Storagetek läßt sich nichts mehr vormachen Mit Plattenspeichern könnte die IBM auf einen "Eisberg" auflaufen

24.01.1992

MÜNCHEN/ FRANKFURT(jm)

- Mit dem Stapellauf der "lceberg" .Plattenspeicher-Systeme nabelt sich die Storage Technology Inc. endgültig als PCMer von der IBM ab und geht mit ihrer RAID-Entwicklung erstmals eigene Wege.

Analysten prophezeien der von Storagetek bevorzugten

Speichermethode eine große Zukunft: Sie sehen für das Unternehmen aus Louisville, Colorado, in den kommenden Jahren bereits Umsatzsprünge um 100 Prozent, die vor allem mit Iceberg-Systemen erzielt werden sollen.

Mit der RAID-Speichertechnologie (Redundant Array of Inexpensive Disks) experimentieren seit etwa anderthalb Jahren auch immer mehr Hersteller von PC-Server-Systemen wie etwa Compaq, Dell, Parallan sowie Tricord. Core International beliefert Big Blue mit RAID-Speicherperipherie für deren PS/2-PCs.

Das an der University of California in Berkeley entwickelte

Speicherverfahren zeichnet sich sowohl durch günstige Herstellungs. als auch Verkaufspreise aus je nach RAID-Level (von 1 bis 5) werden mehrere physikalische Festplattenlaufwerke zusammengeschlossen, die die zugehörige Software aber wie ein einziges logisches Laufwerk anspricht. Bei der Speicherung verteilt der Controlier die Daten immer auf alle Laufwerke gleichzeitig, auf einer zusätzlichen Kontrollfestplatte wird in komprimierter.Form die jeweilige Information der anderen Laufwerke festgehalten.

Die RAID-Systeme gelten als fehlertolerant

Sollte eine Festplatte einen Defekt aufweisen, kann sie während des Betriebs ausgetauscht werden - das Kontrollaufwerk ist in der Lage, aus den Informationen der anderen Peripheriesysteme und der eigenen die "verlorengegangenen" Daten zu rekonstruieren. Wegen dieser Technologie gelten RAID-Systeme nach Level 5 auch als Fehler tolerant.

Storagetek hat nach eigenen Angaben diese Technologie durch eine ausgefeilte Software - eingepackt in 100 000 Zeilen Code - noch weiter verfeinert, mit dem Ergebnis eines erstmals bei solchen Plattensystemen erzielten virtuellen Speicher-Managements. Hauptvorteil gegenüber IBMs DASD-Technologie (Direct Access Storage Device) ist nach Meinung von Gariner-Group-Analyst Paul Wolfstaetter: "lceberg verbraucht nur den Speicherplatz, der auch wirklich durch Daten belegt wird." Demgegenüber fressen 3380- und 3390-Laufwerke mehr Speicherplatz, als es wegen der Datenmenge eigentlich nötig wäre. Diese müssen zudem noch komprimiert werden, um handhabbare Datenblöcke zu gewinnen. Außerdem habe man - so äußert sich zumindest Robert Costain, Vice-President bei Storagetek - den in RAID Level 5 durch komplexe Lese-, Modifizier- und Schreibvorgänge entstehenden

System-Overhead in der Software bei den Iceberg-Speichern umgehen können.

Big Blue läuft mit seinen in Mainz produzierten

Speicherplatten-Systemen zudem aus zwei weiteren Gründen Gefahr, auf einen Eisberg aufzulaufen: Die Iceberg-Datensilos beanspruchen nach den Worten von Storagetek-Manager Michael Klatman nicht nur einen satten

30-bis 50prozentigen Preisvorteil gegenüber fehlertoleranten

DASD-Platten, die die IBM als Peripherie für ihre Mainframes anbietet.

Big Blue dürfte darüber hinaus auch die bis Anfang 1991 beanspruchte Position als einziger Hersteller und Monopolist für an Großrechner anschließbare Speicherperipherie gefährdet sehen. Bis vor einem Jahr konnte die IBM die Preise für Hochleistungsplatten mangels Wettbewerb nach Belieben bestimmen.

Mut zur Offensive zahlt sich offenbar aus

Erst ab Mitte 1991 zogen die PCM-Konkurrenten Hitachi ("Modell 7390"), Amdahl (System "6390" - Fujitsus praktisch baugleiche Modelle tummelten sich allerdings bereits seit 1990 auf dem Markt) und später Memorex Telex mit IBM-kompatiblen Plattenspeichern nach.

Storagetek hingegen hat seine Produktpolitik geändert, übersprang die Entwicklung eines 3390-kompatiblen Speichersilos und schwenkte auf die RAID-Technologie um (siehe CW Nr. 40 vom 4. Oktober 1991, Seite 35:"Mit Iceberg setzt Storage Technology.....") Der Mut zur Offensive gegen die IBM zahlt sich jetzt anscheinend aus: Obwohl die Beta-Tests für Iceberg auf das zweite Quartal 1992 verschoben werden mußten, gaben Analysten zu Protokoll, daß bereits eine komplette Iceberg-Jahresproduktion - das sind einige hundert Einheiten - ausverkauft ist.

Iceberg, eine Kombination aus 16 Hewlett-Packard-51/4-Zoll-Laufwerken und einem von Storage Technology entwickelten Controller, hat gegenüber noch in der Entwicklung befindlichen

RAID-Konkurrenzprodukten sowohl der IBM als auch von Fujitsu einen erheblichen Zeitvorsprung. Nur die EMC Corp. aus Höpkinton, Massachusetts, in der Vergangenheit bereits mit preisgünstigen

IBM-kompatiblen Speicherprodukten für den Großrechner- und

Midrange-Bereich ins Rampenlicht getreten, ist noch schneller als die Leute aus Louisville: Sie hat das 3390-kompatible RAID-Subsystem mit 40 GB Speicherplatz bereits vorgestellt.

Für IBM-Kunden tut sich mit Iceberg - glaubt man

Storagetek-.Manager Costain - eine neue, kostengünstige Option auf, große Datenbestände sicher zu lagern: Seinen Aussagen zu. folge dürften blaue DV-Manager keine Probleme haben, die Eisberge in eine

Big-Blue-Umgebung zu integrieren: "Für IBM-Mainframes werden die RAID-Speicher wie gewohnte IBM-Platten und -Controller

angesprochen." Nach Analystenangaben werde Storage Technology später möglicherweise neben den IBM- auch Hosts anderer Hersteller bedienen.

Für Jim Porter, President des kalifornischen

Analyse-Unternehmens Disk/Trend Inc., steht schon fest, daß die

RAID-Speicher bis 1995 in vielen Rechenzentren und DV-Zentralen

Standard sein werden: "Und eine der treibenden, einflußreichen Kräfte auf diesem Weg ist nach meiner Meinung Iceberg."