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Browser-Krise

Stirbt Firefox?

11.08.2021
Von 
Gregg Keizer schreibt für die Computerworld und beschäftigt sich thematisch vor allem mit Microsoft, Security, Apple und neuen IT-Trends.
Firefox scheint in einer existenziellen Krise zu stecken.
Firefox im Krisenmodus? Die Zahl der monatlich aktiven Nutzer sinkt rapide.
Firefox im Krisenmodus? Die Zahl der monatlich aktiven Nutzer sinkt rapide.
Foto: Mozilla / Lucas Benjamin

Mozilla hat letzte Woche den ungewöhnlichen Schritt unternommen, ein kurzes Video-Update zu seinem Firefox-Browser herauszugeben, in dem der Anbieter erklärt, er wolle "den Nutzern helfen, das Beste aus dem Web herauszuholen":

Die knapp zweiminütige Botschaft auf YouTube wurde von den Nutzern in zahlreichen Kommentaren kritisiert: Der Inhalt sei vage, voller Marketing-Sprech und insgesamt eine Weigerung, das Feedback der Nutzer zu berücksichtigen. Zwei Tage vor der Veröffentlichung des Videos machte ein Reddit-Thread darauf aufmerksam, dass Firefox im Laufe der letzten zweieinhalb Jahre rund 50 Millionen monatlich aktive Nutzer verloren hat. Befindet sich Firefox in einer existenziellen Krise? Stirbt der Browser einen langsamen Tod?

Lausige Zahlen

Der Reddit-Thread löste eine Welle an Rückmeldungen aus - mehr als 2.000 Nachrichten wurden zum Thema abgesetzt. Die Nutzerzahlen von Firefox sind allerdings in einem noch schlechteren Zustand, als von den Forumsnutzern dargestellt: Vom 27. Januar 2019 bis zum 1. August 2021 hat Firefox 57,5 Millionen monatlich aktive Nutzer verloren. Das entspricht einem Rückgang von knapp 23 Prozent und ist ein drastischer Einschnitt für einen Browser, dessen Nutzerbasis ohnehin nicht besonders groß ist. Für aufmerksame Beobachter ist der schleichende Niedergang von Firefox dennoch keine Überraschung: Seit Jahren sinken die Nutzerzahlen und Marktanteile von Mozillas Browser - insbesondere getrieben durch die übermächtige Google-Konkurrenz.

Unsere Zahlen stützen sich auf Daten von NetApplications, einem US-Anbieter von Metriken, der die Browser-Nutzung durch die Zählung der Agent Strings auf den Webseiten seiner Kunden verfolgt. Ende Oktober 2020 lag der Marktanteil von Firefox dieser Quelle zufolge bei 7,2 Prozent. Die jüngsten Daten zeigen, dass Firefox' Nutzerbasis weiter in Richtung Null erodiert: Ende Juli 2021 war der Marktanteil von Firefox auf 5,6 Prozent gesunken und lag damit den zweiten Monat in Folge unter der 6-Prozent-Marke. Setzt sich der Trend der letzten zwölf Monate fort, kann Firefox bis August 2022 unter die 4-Prozent-Marke rutschen. NetApplications erfasste jedoch nicht nur den Rückgang bei den monatlich aktiven Nutzern, sondern auch den Nutzungsanteil. Dieser sank von Januar 2019 bis Juli 2021 um satte 43 Prozent und ist damit fast doppelt so hoch wie die Verluste bei den Nutzern.

Fakt ist: Auch anderen Browsern geht es schlecht. Firefox jedoch ist ein Sonderfall, da er der einzige Browser unter den Top Vier ist, der nicht auf irgendeine Weise mit Chrome-Technologien verbunden ist.

"RIP Firefox"

Mozillas Video-Update in Sachen Firefox enthielt tatsächlich kaum konkrete Details, schien aber KI-ähnliche Ergänzungen und Verbesserungen für Firefox in Aussicht zu stellen: "Wir haben uns gefragt: 'Was kann der Browser tun, um den Menschen zu helfen, sich im heutigen Internet zurechtzufinden? Wir fangen an, mit Vorschlägen zu experimentieren, die den Nutzern helfen, Elemente aus ihrer Historie, Orte, die sie häufig besuchen, und Webinhalte, die für sie am relevantesten sind, zu finden", sagt Selena Deckelmann, Senior Vice President von Firefox, im Video. "Dies ist der Beginn einer Reise für uns hier bei Firefox."

Die Nutzer bei YouTube - auch solche, die sich als langjährige Firefox-Nutzer outeten - zeigten sich davon unbeeindruckt. "Das klingt eher nach einer vagen Marketingstrategie als nach einem Update-Video", beschwerte sich ein Nutzer. Andere waren in ihrer Kritik konkreter: "Anstatt Firefox solide und auf dem neuesten Stand zu halten, wie z. B. Web-App-Standards zu implementieren, wollt ihr eine Blackbox-KI einführen, die gegen die Privatsphäre verstößt, um das Einkaufen zu erleichtern? Ihr habt komplett den Faden verloren, RIP Firefox", schreibt der Nutzer "hanger1800".

Es gab jedoch auch Gegenstimmen: "Ich habe Mozilla Firefox mein ganzes Leben lang benutzt und obwohl ich nicht immer mit allen Entscheidungen der Stiftung einverstanden war, bin ich froh, dass es euch noch gibt und ihr versucht, das Web besser zu machen", kommentierte "DraconianKindness". "Ich würde gerne sehen, dass Mozilla seine Abhängigkeit von Googles Geld verringert, indem es Services über ein Abonnementmodell verkauft." (fm)

Dieser Beitrag basiert auf einem Artikel unserer US-Schwesterpublikation Computerworld.