Bei neuer Post-Marktstrategie sitzen SEL und Loewe mit im Boot:

Stimmungsbarometer für Btx steigt langsam

16.05.1986

MÜNCHEN (sch) - Nach langer Btx-Pechsträhne scheint sich das Blatt für diesen nicht mehr ganz neuen Postdienst nun doch noch zu wenden. So verkündete die Bundespost nicht ohne Stolz, daß in diesem April die Zahl der Bildschirmtext-Anrufe erstmalig die Millionengrenze überschritten habe. Weiterhin nicht zufrieden ist der gelbe Riese allerdings mit den Btx-Anschlußzahlen. Der gewünschte Durchbruch soll hier mittels einer neuen Marketingkonzeption erzielt werden.

Nach Jahresdurchschnittswerten von monatlich rund 280 000 Anrufen 1984 und 517 000 im Jahr 1985 bedeutet die derzeitige Zahl fast eine Verdopplung gegenüber dem Vorjahr. Auch bei den Btx-Anschlußzahlen läßt sich die steigende Tendenz ablesen. Anfang Mai lag die entsprechende Zahl bei knapp 46 000; ein Jahr zuvor waren es erst 26 400. Dazu Gert Sommerfeldt, Pressereferent beim Postministerium in Bonn: "Dies ist insgesamt noch nicht so, wie wir uns das vorstellen. Wir hatten in der Vergangenheit mal Prognosen gestellt, die weit über das jetzige Installationsvolumen hinausgingen." Nicht zufrieden ist die Post den Angaben der jüngsten Ausgabe des "Spiegel" zufolge auch mit der "Btx-Expansion" in den ersten vier Monaten 1986. Die Zahl der Anschlüsse für diesen Zeitraum liegt bei 7000.

Daß Btx aber insgesamt nicht auf dem absteigenden Ast angesiedelt ist, beweist für den Zeitraum von 1984 bis 1985 die Zunahme der Anbieterzahl von 3600 auf 4060 und der externen Rechner von 94 auf 174. Ein "Mehr" ist darüber hinaus auch bei den Btx-Seiten zu verzeichnen.

Verantwortlich für die aus Postsicht weiterhin doch recht zögerliche Steigerung bei den Anschlußzahlen - mit einem Wert für die privaten Teilnehmer rückt das Staatsunternehmen erst gar nicht heraus - sind die immer noch zu hohen Gerätepreise. Abhilfe soll hier jetzt eine weitere Kooperation mit Btx-Protagonist Loewe schaffen. Der Telecom-Experte aus Kronach ist damit beauftragt worden, einen hochintegrierten Decoder in der Preislage von rund 400 Mark herzustellen. Um dies auf der Basis von Lotus zu ermöglichen, erhält die Firma fünf Millionen Mark aus Bonn. Mit diesem Schritt ist für die Post die für die Massenproduktion von Decoderchips vormals favorisierte Philips-Tochter Valvo "weg vom Fenster". Ihre Produkte sind der obersten Fernmeldebehörde immer noch zu teuer.

Btx-Terminals in allen Bundesländern

Loewe kommt im Rahmen der postalischen Marketing-Ambitionen für Bildschirmtext aber nicht nur in Hinblick auf die Decoder-Produktion, sondern auch bei der Genehmigung beziehungsweise Lieferung von einschlägigen Geräten zum Zuge. So nahm beispielsweise das Loewe-Bildschirmtext-Telefon ,"BTT 510" jetzt auch die Zulassungshürde beim Fernmeldetechnischen Zentralamt in Darmstadt. 100 derartige Telefone durchlaufen zur Zeit die Pilotphase, und 100 000 Stück wurden für den Postvertrieb geordert.

Neben dem genannten Feldversuch will die Post dem immer noch gerne als zartes Pflänzchen bezeichneten Dienst durch einschlägige Informationsveranstaltungen (Btx-Schnupperwochen), bei denen auch die Hersteller und Btx-Anbieter mitwirken sollen, und eine bundesweite Installation von mehr als 200 Bildschirmtext-Stationen in öffentlichen Gebäuden und auf öffentlichen Plätzen zu mehr Ansehen beim Bürger verhelfen. Als Aufstellungsorte kommen unter anderem Rathäuser, Fachhochschulen, Universitäten, Kurheime, Touristik-Informationspunkte und Postgiroämter in Betracht. Bei letzteren kann der Kunde nun auch - wie bei anderen Banken schon lange - auf automatische Kontoführung umsteigen.

Die Rechner der Postgiroämter nehmen Aufträge rund um die Uhr und auch an Wochenenden entgegen. Während des Kontaktes mit der Btx-Vermittlungsstelle fallen die Telefongebühren für ein Ortsgespräch an. Der Seitenabruf des Btx-Postgirodienstes ist nicht vergütungspflichtig. Erste Geräte kann man bereits in den Städten Berlin, Bremen, Dortmund, Düsseldorf, Gießen, Hamburg, Hannover, Kassel, Coburg, Mainz, München, Saarbrücken und Stuttgart antreffen.

Bärenanteil entfällt auf Postgiroämter

Die Hardware für die bundesweite Einführung von öffentlichen Btx-Abrufstellen stammt in erster Linie von SEL und daneben von dem Berliner Händler Hürn & Gorwitz, der den Angaben von Post-Pressereferent Sommerfeldt zufolge Loewe-Entwicklungen "aufrüstet".