ipo-Fachtagung rät zu sinnvoller Automation:

Stiefkind "Büro" wird zum Nesthäkchen

19.12.1980

LINZ (ee/to) - Die Büro- und Verwaltungsarbeit, bisher eher als notwendiges Übel ertragen, hat sich die kritische Aufmerksamkeit von Management, DV-Abteilung und Industrie zugezogen. Einen Vergleich von Büro und Werkstatt hinsichtlich ihres Produktivitätszuwachses sowie der dort getätigten Investitionen hat Professor Dr. Lutz Heinrich kürzlich in Linz auf der ipo-Fachtagung "Büro '80" demonstriert. Die Gegenüberstellung machte deutlich, daß die Verwaltung unter beiden Aspekten drastisch hinter dem "Werkstattbereich" zurückgeblieben ist. Konnte die Produktivität innerhalb der vergangenen zehn Jahre dort um etwa 90 Prozent gesteigert werden, so erreichte der Bürobereich nicht einmal die Zehn-Prozent-Marke.

Heinrich, der wissenschaftliche Leiter des ipo, umriß die "heutige Situation der Bürosysteme" mit folgendem Thesenkatalog:

- Die Zeit der zentralen Informationssysteme ist zu Ende.

- Datenverarbeitungs-, Textverarbeitungs- und Kommunikationssysteme wachsen zusammen.

- Die Teilung in Informationsanfall-, -verarbeitung und -auswertung an den Arbeitsplätzen einerseits und in Informationsauswertung in "Rechenzentren" andererseits wird aufgehoben.

- Neue Informationstechnologien haben das funktionelle Spektrum der Bürosysteme ausgedehnt.

- Die Bediener-Rolle des Menschen wird zugunsten seiner Rolle als Sachbearbeiter und Manager zurückgedrängt.

- Die Nutzung der Informationstechnologien wird zu einem Wettbewerbsfaktor ("Response-Wettbewerb" nach dem Prinzip, wer sofort Auskunft erteilen kann, gewinnt Kunden).

- Das Management ist auf diese Veränderungen nicht ausreichend vorbereitet.

Prinzip Verfügbarkeit

Die teils noch futuristisch anmutende Zusammenstellung der markantesten Wandlungen beinhaltet gleichzeitig - den Ausführungen des Referenten zufolge - die Ursache für die zur Zeit zu beobachtende Orientierungskrise. Die schnelle technische Entwicklung, mit der die momentane Organisation sowie die Einstellung der Führungsspitzen und der Gesellschaft zum Teil nicht mithalten können, führe zu einer "Flucht in Nostalgie oder Utopie". Beides seien keine wünschenswerten Denkansätze.

Oberste Maxime im Einsatz von EDV-Systemen sei nicht, wie immer wieder propagiert, die ausreichende Computerauslastung, sondern vielmehr die optimale Computerverfügbarkeit. Als Trivialbeispiel führte Heinrich den Radiergummi an, der nur kurzfristig eingesetzt werde. "Zugegeben ein Preisunterschied. Denken Sie - etwas seriöser - auch an das Telefon", ergänzt der Linzer Professor.

Wie in allen Bereichen, so sei es auch um die Arbeitsvorbereitung im Büro schlecht bestellt. Habe ein Unternehmen durchschnittlich pro 20 Werkstattmitarbeiter einen Arbeitsvorbereiter, so finde man im Büro ein um zehnmal schlechteres Verhältnis.

Insgesamt möchte er den Anwender dazu ermutigen, die Option der neuen Arbeitsmittel für den eigenen Bereich zu erkennen und einzusetzen. Dementsprechend sei auch im Unternehmen die eingesetzte Software vom Ablauf und erst in zweiter Linie von den Funktionen her zu überdenken. Wichtig ist, daß ein Mittel sich ablauforganisatorisch nahtlos in den Arbeitsablauf einfüge.

Zweifellos, so schließt Heinrich seine Ausführungen, würden durch die Automation Arbeitsplätze zunichte gemacht. Gesamtwirtschaftlich ergebe sich jedoch durch die Möglichkeit der Gründung neuer Softwarehäuser eine Chance, neue Arbeitsplätze zu schaffen.

Obersenatsrat Dipl.-Ing. Lucian Koloseus, Wien, vertrat die Ansicht, daß die Verwendung neuerster informationstechnischer Einrichtungen in der Verwaltung unerläßlich sei, wenn der Aufbau eines effizienten Bürgerservice angestrebt werde. Für eine dezentrale Organisation eigneten sich dabei Einrichtungen wie Zimmerreservierungssysteme, Rettungswageneinsatzkontrolle, Büchereiverwaltung oder die Kontrolle des städtischen Wagenparks.

Daraus, so meint der Wiener weiter, solle jedoch nicht geschlossen werden, daß die zentrale DV überflüssig geworden sei. Die Kommunikation mit dem Zentralrechner sei für den Zugriff auf überregionale Daten sowie die Übergabe rechenintensiver Transaktionen beispielsweise weiterhin von Bedeutung.

Die Notwendigkeit der Rationalisierung im Bürobereich begründete Dr. Franz-Ferdinand Eiffe, Geschäftsführer der NCR Deutschland GmbH, Augsburg, mit der Steigerungsrate der Gehälter von sechs Prozent jährlich und des gleichzeitigen Preisverfalls der DV- und Kommunikationsmedien.

Bis 1985, zitierte Eiffe eine Diebold-Statistik, seien 250 000 Bürocomputer und rund eine Million Terminals in der Bundesrepublik zu erwarten. Für den österreichischen Raum könne mit einem Achtel der zitierten Zahlen gerechnet werden.

Der Anwender, beschwor der NCR-Mann sein Auditorium, müsse sich hinsichtlich dieser Entwicklung jedoch folgendes vor Augen halten: "Das EDV-Management, das heute lediglich die quantitative Massenverarbeitung abwickelt, kann nicht das Management sein, das die zukünftigen Probleme eines Unternehmens lösen hilft." Eine langfristige Organisationsplanung in Abstimmung mit der Geschäftsleitung sei zielführend.

Warum automatisieren?

"Das Büro von morgen wird von technischen und funktional aufeinander abgestimmten, modularen Verbundlösungen bestimmt sein", wünscht sich Eiffe. Die Elektronik fungiere im Arbeitsablauf als Hilfsmittel und diene als "lntelligenzverstärker" des Sachbearbeiters. Der Arbeitsplatz werde dadurch interessanter.

Der Anbieter habe dabei dafür zu sorgen, daß einesteils technisches Wissen geschult, andererseits aber auch eine Einsatzberatung geboten werde.

Ein paar Gedanken über die Automatisierung allgemein regte Dipl.-Ing. Otto Czich, Leiter der Abteilung automatisierte Datenverarbeitung der Vöest-Alpine AG, Linz, auf der Fachtagung an. Dazu legte er eine amerikanische Studie vor, in der 300 Unternehmen zu ihrer Meinung über die DV Aussagen machten.

Nur wenige sind mit den installierten Systemen voll zufrieden. Am besten schneiden hierbei noch die Stand-alone-Systeme ab. Personal Computer werden vor allem ihrer Rechenkapazität wegen geschätzt.

In der Systeminstallation wurde vor allem die Planungsphase als zugleich wichtigster und schwierigster Abschnitt angesehen. Etwa die Hälfte des Managements sieht sich den durch die DV gestellten Anforderungen noch nicht gewachsen. Das alles veranlaßt Czich zu dem Statement: "Menschliche Faktoren sind es, die die Automation begrenzen."