Service-Genossenschaft Datev bleibt prinzipiell bei OS2, aber

Steuerberater werden noch lange unter DOS weiterarbeiten können

10.07.1992

NÜRNBERG (see) - Noch einmal kräftig von der deutschen Sonderkonjunktur profitiert hat die Steuerberater-Genossenschaft Datev e. G. in ihrem Geschäftsjahr 1991: Umsatz und Überschuß stiegen um 21 beziehungsweise 49 Prozent. Die Festlegung auf OS/2 als Desktop-System der Zukunft in den Mitgliederkanzleien wurde relativiert.

Das Geschäftsvolumen erreichte 741 Millionen Mark, der Bilanzgewinn der Datev belief sich auf 10,9 Millionen Mark. Zwar prognostizierte Vorstandsvorsitzender Heinz Sebiger der Datev weiteres Wachstum, Finanzvorstand Jürgen Hiller jedoch geht von einer Abflachung der Kurve analog zur Abschwächung der deutschen Binnenkonjunktur aus. Zur Jahreshälfte 1992 betrug die Umsatzsteigerung nach seinen Angaben 13 Prozent auf 425 Millionen Mark; für das Jahresende erwartet er einen Erlös "unter 850 Millionen Mark".

Sebiger nahm zur Outsourcing-Diskussion Stellung und betonte, der Erfolg der Datev ließe sich nicht mit diesem Markttrend erklären. Outsourcer seien traditionell Großunternehmen, die aus wirtschaftlichen oder technischen Gründen ihre DV auslagerten. Die Datev-Klientel dagegen bestehe - indirekt über die Steuerberater - vorwiegend aus kleinen und mittelgroßen Firmen, für die eine DV außer Haus seit langem üblich sei. Sebiger bekräftigte, Steuerberater und deren Klienten würden trotz der 1991 um fast 100 Prozent erweiterten CPU-Kapazität im Datev-RZ weiterhin die einzigen Mitglieder und Kunden der Datev bleiben. Die Genossenschaft verfügt nach seinen Angaben gegenwärtig über 796 MIPS Rechen-Power und 973 GB Speicherplatz.

Für das Datev-Verbundsystem, also die PC-Arbeitsplätze in den Beraterkanzleien, gilt laut Sebiger zumindest vorläufig weiterhin der Vorrang von OS/2 als künftiger Plattform. Gleichwohl bekräftigte er, die unter DOS vorhandenen Anwendungen würden so lange gepflegt, wie die Mitglieder solche im Einsatz hätten.

Die Festlegung auf OS/2, in den Jahren zuvor noch als unbedingte Maxime formuliert, erfuhr in Sebigers Ausführungen jedoch eine vorläufige Abschwächung. Der Vorstandsvorsitzende lenkte ein, man müsse abwarten, wann Windows NT komme, wie Microsofts 32-Bit-Umgebung technisch zu beurteilen sei und welches System sich am Markt durchsetzen werde. Dieter Kempf, für den Entwicklungsbereich zuständiges Vorstandsmitglied, äußerte sich wenig zuversichtlich, was eine baldige Verfügbarkeit von Windows NT angehe. Unix ist nach seinen Worten keine Alternative für die Datev.

Sebiger kritisierte die "Hektik des Gesetzgebers" bei der Besteuerung und der Sozialversicherung. Der ständige Anpassungsbedarf der Steuerberater-Programme entziehe der Datev wichtige Ressourcen für Neuentwicklungen. Er forderte von der Legislative, sich mehr Zeit zu lassen, um ausgereiste Gesetze verabschieden zu können. Auf die veränderten Bedingungen des europäischen Binnenmarktes ab 1993 wird die Datev laut Sebiger mit einem "umfassenden EG-Service" für die Mitglieder, zum Beispiel mit einer "EG-Hotline", reagieren.

An der Spitze der Datev wurden Siegbert Rudolph und Dieter Kempf zu stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden ernannt. Letzterer ist für den Entwicklungsbereich und Rudolph für das Marketing zuständig.