Einzelheiten werden am 9. Dezember bekanntgegeben

Stellenabbau und Reorganisation kosten IBM drei Milliarden Dollar

06.12.1991

ARMONK (CW) - Die in der vergangenen Woche laut gewordenen Gerüchte um eine tiefgreifende Umorganisation der IBM Corp. (vgl. CW Nr. 48 vom 29. November 1991, Seite 1) haben sich bestätigt. Der zusätzliche Stellenabbau im nächsten Jahr, die Verringerung der Produktionskapazität und die sonstigen Restrukturierungskosten veranlaßten Big Blue, für das vierte Quartal eine Sonderbelastung in Höhe von drei Millliarden Dollar anzukündigen.

Die gegen das Quartalsergebnis gerechnete außerordentliche Belastung wird der IBM wahrscheinlich für die letzten drei Monate dieses Jahres ein negatives Ergebnis bescheren. Über die Höhe des Quartalsverlustes wollten die Armonker keine Auskunft geben. Man erwarte jedoch, daß das vierte Quartal - ohne die Sonderbelastung das beste Ergebnis des Jahres bringen werde.

Wegen der roten Zahlen lassen sich die Verantwortlichen offenbar keine grauen Haare wachsen. Chairman John F. Akers geht jedenfalls davon aus, daß die Sonderbelastung das Jahresergebnis nicht auffressen wird. Er rechnet aufgrund der Umstrukturierung bereits für 1992 mit Einsparungen in Höhe von einer Milliarde- und weiteren zwei Milliarden Dollar in den darauffolgenden Jahren.

Mit der angekündigten Restrukturierung, die viele Insider als "blaue Revolution" bezeichnen" sollen die einzelnen IBM-Business-Units größere Unabhängigkeit im Produkt-, Marketing- und Strategiebereich erhalten, dagegen soll die Rolle der Armonker Zentrale stark beschnitten werden.

Akers erklärtes daß die neue Struktur dem Unternehmen "maximale Flexibilität für Investitionen einräume". "In Zukunft werden wir entscheiden können, ob wir unsere Geschäftsbereiche zu 100 Prozent besitzen, Mehrheits- oder Minderheitseigner sein oder uns ganz zurückziehen wollen."

Er fügte allerdings gegenüber Vertretern der amerikanischen Presse hinzu, daß die IBM neue Geschäftsfelder auftun und in bestehende investieren wolle.

"Wir werden den Umsatz, die Umsatzrendite, das Vermögen und den Cash-flow analysieren. In die attraktiven (Geschäftsbereiche, d. Red.) werden wir aggressiver, in die nicht so interessanten weniger aggressiv investieren." Ohne auf Einzelheiten einzugehen, führte Akers weiter aus: "Mit unserem Plan wollen wir in erster Linie eine Umgebung schaffen, in der die einzelnen Business-Units im Laufe der Zeit so unabhängig wie möglich werden können."

Umstrukturierung als Akers letzte Möglichkeit

Darüber hinaus sollen die geographisch organisierten Marketing- und Service-Units des blauen Riesen künftig selbst entscheiden können, auf welche Marktsegmente sie sich konzentrieren wollen.

Sprecher des Unternehmens erklärten außerdem, daß die nach Produkten aufgeteilten Produktions- und Entwicklungsbereiche sich darauf konzentrieren sollen, die preiswertesten Hersteller von State-of-the-Art-Equipment zu sein. Dabei sei die Verkürzung der Produkt-Entwicklungszyklen eines der Schlüsselelemente für das Funktionieren des Plans.

Kritiker halten die angekündigte Reorganisation für Akers letzte Möglichkeit, nicht als der Präsident in die Unternehmensgeschichte einzugehen, der die IBM von einer alles überragenden Größe in die Mittelmäßigkeit führte. Die Deadline für den Big-Blue-Chef ist 1994, dann geht er in Pension.

Steffen Choren, Analyst bei der Gartner-Group-Schwester Soundview Financial Group Inc., bezweifelt den Erfolg der Maßnahmen und sagte gegenüber dem amerikanischen Wirtschaftsmagazin "Business Week": "Alles richtet sich auf die Kostenseite, aber die große Unbekannte bleibt die Höhe des Umsatzwachstums." Das selbstgesteckte Ziel erreicht Big Blue im jetzt zu Ende gehenden Geschäftsjahr jedenfalls nicht: Der Umsatz wird zum ersten Mal seit langer Zeit zurückgehen, und zwar von 69 Milliarden im vergangenen Jahr auf 65 Milliarden Dollar (siehe auch Seite 78). +