Kolumne

"Stein der Weisen gesucht"

04.05.2001
Christoph Witte Chefredakteur CW

Auch Server-Anbieter Sun ist von der schwächelnden US-Konjunktur nicht verschont geblieben. Doch Scott McNealy würde seinem Ruf nicht gerecht, wenn er das so einfach hinnähme. Schließlich hat er es 1995 mit der Programmiersprache Java und der Ankündigung einer Revolution (write once, run everywhere) schon einmal geschafft, so viel Wind zu machen, dass die Server-Verkäufe seines Unternehmens davon stark profitierten. Dass die Sprache dann doch nicht die gesamte IT-Szene umkrempelte und Microsoft nicht zum Nischenplayer degradierte, schadete dem positiven Image nicht, das Sun sich durch sein Java-Engagement erworben hatte - zumal Java zum Handwerkszeug für Millionen Programmierer wurde.

Allerdings lassen sich solche Erfolge nicht beliebig wiederholen. Schon 1999 erfuhr McNealy, dass sich nicht mit jeder Ankündigung ein Paradigmenwechsel auslösen lässt. Als er vor zwei Jahren Jini aus dem Ärmel schüttelte, den guten Geist, der die relativ komplizierte Anmeldung von Endgeräten im Netz praktisch überflüssig machen sollte, hatte er außer einem nebulösen Konzept nichts vorzuweisen. Inzwischen ist der Geist wieder in der Flasche verschwunden, und die ist so fest verkorkt, dass man praktisch nichts mehr von ihm hört.

Nun hat der Sun-Boss wieder zum Megaphon gegriffen und Jxta (sprich Jaxta) angekündigt. Anders als bei den vorangegangenen "Js" versucht McNealy, dieses Mal keinen Trend zu kreieren, sondern er folgt einer Modeerscheinung, die durch die Musiktauschbörse Napster und das Alien-Suchprogramm Seti@home populär geworden ist. Peer-to-Peer lautet das Schlagwort, das die Server-lose Vernetzung gleichberechtigter Rechner beschreibt. Solche Netze nutzen die Kapazität jedes angeschlossenen Clients, je nachdem, welcher gerade CPU- oder Plattenkapzität hat. Ließen sich solche Peer-to-Peer-Netze in großem Stil realisieren, wäre ihr Potenzial enorm. Heutige Supercomputer würden sich dagegen ausnehmen wie die ersten Taschenrechner gegen Mainframes. Geht es nach Sun, sorgt Jxta für die Verbindung, Kommunikation und das Job-Sharing der Endgeräte in solchen Netzen.

Abgesehen von der Realisierbarkeit und Managebarkeit von Peer-to-Peer-Netzen weist Jxta zumindest für die kommerzielle IT eine elementare Geburtsschwäche auf: Wenn überhaupt, werden sich nur ganz wenige Unternehmen mit dem Gedanken an derartig offene Netze anfreunden können. Selbst wenn sie nur innerhalb einer Organisation benutzt werden, sind die Clients viel enger miteinander verzahnt als in traditionellen Netzen, die schon heute alles andere als sicher sind. Und Verbindungen, die per Definition für alle offen sind, dürften Unternehmen wohl kaum freiwillig einführen. Deshalb wird Jxta schon bald das gleiche Schicksal erleiden wie Jini. McNealy wird noch etwas länger nach dem Stein der Weisen oder dem ultimativen Umsatzturbo suchen müssen, zumal - zu Ende gedacht - Jxta auch Sun-Server überflüssig machen würde.