Die Gerüchteküche brodelt

Steigt TCS bei T-Systems ein?

28.01.2008
Eine Beteiligung des indischen IT-Dienstleisters würde T-Systems zwar die nötigen Offshore-Kapazitäten verschaffen, wäre aber im Hinblick auf die Integration der völlig unterschiedlichen Unternehmenskulturen ein Wagnis.

Der indische IT-Dienstleister Tata Consultancy Services (TCS) will Gerüchten zufolge die Systemsintegrationssparte (SI) von T-Systems übernehmen. Wie die "Financial Times Deutschland" berichtete, sollen entsprechende Verhandlungen bereits "weit fortgeschritten" sein. Dem Nachrichtenmagazin "Focus" zufolge geht es sogar nur noch um letzte juristische Details. Das "Handelsblatt" wiederum meldete unter Berufung auf firmennahe Kreise, ein Abschluss liege noch in weiter Ferne, zudem liefen auch Gespräche mit zwei anderen Interessenten. Die Deutsche Telekom wollte die Medienberichte nicht kommentieren. Bei T-Systems ist derzeit die gesamte Pressestelle nicht zu erreichen. Und auch TCS enthält sich bislang einer Stellungnahme.

T-Systems SI beschäftigt rund 15.000 Softwareentwickler und Techniker, die meisten davon in Deutschland. Bei der Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens würden 1000 bis 2000 Arbeitsplätze nach Indien verlagert, heißt es aus unternehmensnahen Kreisen. Darüber hinaus will die Telekom neue Stellen für Programmierer auf dem Subkontinent schaffen. Derzeit sind dort rund 2500 Entwickler für den Bonner Konzern tätig – zu wenig, um mit den Offshore-Aktivitäten der multinationalen Wettbewerber mithalten zu können.

Telekom-Chef René Obermann sucht seit fast einem Jahr vergeblich nach einem Partner für die schwächelnde Geschäftskundensparte. Auch Tata war im vergangenen Jahr als Kandidat für einen Einstieg bei T-Systems genannt worden. Jetzt hat Obermann seine Strategie bei der Partnersuche geändert und nur noch die SI-Sparte zur Disposition gestellt, um die internationale Präsenz im Großkundengeschäft zu steigern und stärker von der zunehmenden Verzahnung von IT- und Telefondienstleistungen profitieren zu können. Geplant ist nach Angaben aus Konzernkreisen zudem ein Verschlankung der gesamten Geschäftskundensparte mit ihren 56.000 Beschäftigten. Die bislang getrennten Bereiche Enterprise Services (ES) und Business Services (BS) sollen zusammengelegt werden. Der seit Anfang Dezember letzten Jahres amtierende Vorstandschef von T-Systems, Reinhard Clemens, will die Betriebsabläufe vereinfachen und die Gesellschaft stärker auf die Bedürfnisse der Kunden ausrichten. Bei T-Systems seien zu viele Leute involviert und die Prozesse zu komplex: "Ich glaube, wir müssen unser Geschäft fundamental vereinfachen."

Die Kooperation mit einem indischen Anbieter wäre für T-Systems eine gute Möglichkeit, um sich auf einen Schlag die umfangreichen Offshore-Kapazitäten anzueignen, die der Telekom-Tochter bislang fehlen, kommentiert Christophe Chalons, Geschäftsführer der Beratungsfirma Pierre Audoin Consultants (PAC). Doch es gibt ebenso gute Gründe, die gegen eine Partnerschaft mit einem indischen Anbieter sprechen. Vor allem die Integration wäre angesichts der großen kulturellen Unterschiede und des Lohngefälles zwischen den beiden Ländern eine enorme Herausforderung. Auch die Vorstellung, tausende von deutschen T-Systems-Mitarbeitern nach Bangalore zu schicken, ist vor dem Hintergrund der hiesigen Gesetzgebung schwer vorstellbar.

Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi will sich in der Angelegenheit noch nicht offiziell äußern. "Wir haben uns schon in der Vergangenheit aus den vielfältigen Übernahmegerüchten um T-Systems herausgehalten. Und das tun wir auch diesmal – solange die Sache nicht spruchreif ist", so Verdi-Pressesprecher Jan Juerczik. Die Gewerkschaft ist grundsätzlich gegen einen Verkauf von T-Systems: "Das wäre eine Fortsetzung des Ausverkaufs, weil dann ein erklecklicher Teil der Beschäftigten zu einem anderen Arbeitgeber wechseln würde. Die strategischen Ziele, die mit dem Aufbau von T-Systems verfolgt worden sind, werden immer wieder von gleichzeitigen Sparrunden konterkariert. Einerseits Expansion, andererseits Arbeitsplatzabbau – das passt nicht zusammen."

Für den indischen Mischkonzern Tata und seine IT-Diensteistungstochter TCS wäre eine Beteiligung an T-Systems ein wirksamer Schritt, um die Präsenz in Deutschland auszubauen. Laut PAC lag TCS 2006 mit einem Umsatz von 860 Millionen Euro im westeuropäischen IT-Servicemarkt nur auf Platz 19. T-Systems rangierte mit 3,5 Milliarden Euro an siebter Stelle. TCS setzt wie alle indischen Anbieter große Hoffnungen in den deutschen Markt. Die Übernahme von T-Systems-Teilen wäre eine Möglichkeit, um hier richtig Fuß zu fassen. Andererseits haben sich die Inder bislang zurückgehalten, was Zukäufe angeht. Wenn überhaupt, haben sie sich bisher nur an kleineren Unternehmen beteiligt, mit denen sie zuvor schon langjährige Geschäftsbeziehungen unterhielten. So übernahm Sonata Teile von TUI Infotec, TCS vom Schweizer IT-Dienstleister TKS-Teknosoft. Abschreckend wirken vor allem die hohen Arbeitskosten in Deutschland. So würde die Übernahme von T-Systems eine sinkende Profitabilität für TCS bedeuten. Und das haben die großen indischen IT-Dienstleister noch nicht nötig, meint PAC-Experte Chalons: "Bei Wachstumsraten von 30 bis 40 Prozent müssen sich die indischen Anbieter nicht unbedingt ihre Gewinnnmargen von 25 Prozent kaputt machen, um sich in Europa einzukaufen." Dass TCS die Gelegenheit wahr nimmt, einem Wettbewerber in die Bücher zu schauen, ist verständlich, so ein anderer Branchenkenner. Die Inder neigten dazu, "erst einmal ja zu sagen und dann hört man nichts mehr." (sp)