Der Return on Investment äußert sich in einer Verbesserung der SW- Qualität

Steigerung der Produktivität durch CASE nicht quantifizierbar

05.01.1990

OFFENBURG (qua) - Wer sich vom Einsatz eines CASE-Tools den vermehrten Ausstoß an Befehlszeilen erhofft, wird enttäuscht; so lautet zumindest das Fazit des Symposiums "Anwendererfahrungen mit Software-Entwicklungsumgebungen", zu dem die Münchener Plenum Institut GmbH nach Offenburg eingeladen hatte.

Wie die Anwender übereinstimmend berichteten, bringen die Software-Entwicklungsumgebungen nicht nur keinen Produktivitätsgewinn im klassischen Sinne, sondern führen sogar vorübergehend zu einer Drosselung der Programmproduktion. Gerd Biermann, Abteilungsleiter Organisation und Systementwicklung bei der Polygram GmbH in Hannover, macht dafür den unvermeidlichen Mehraufwand in den früheren Phasen der Software-Entwicklung verantwortlich.

Kombiniert Axel Löffler, DV-Organisator, Gruppen- und Projektleiter bei der Axel Springel Verlag AG in Hamburg: "Das liegt wohl in der Natur der Sache." Schließlich werde die mangelnde Quantität durch eine gesteigerte Qualität der Softwareprodukte ausgeglichen. Dazu auch Biermann: "Produktivität muß nicht immer mit einer größeren Menge von Programmen zu tun haben; sie kann auch in besserer Qualität und verringertem Wartungsaufwand bestehen."

Diese Ansicht teilt Anneliese Grundnig, bei der Sparkassen Datendienst GmbH (Spardat) in Wien verantwortlich für Aufbau und Einführung eines integrierten Sofitware-Informationssystems: "Qualität ist gleich Produktivität", lautet die These der Österreicherin. Kurzsichtige Kosten-/Nutzen-Rechnungen ersetzt die DV-Spezialistin durch langfristige Strategie Überlegungen: "CASE ist Werterhaltung und Teil der Unternehmensstrategie".

Was sie unter Qualität versteht, definiert Grundnig folgendermaßen: strukturierte Informationen, Redundanzfreiheit, integrierte Konsistenzprüfungen und vor allem eine verbesserte Wartbarkeit der Softwaresysteme. Auf die günstigen Folgen des CASE-Einsatzes für die Einstellung der Entwickler gegenüber ihrem Produkt verweist Felix Kissling, der bei der Watkins & Associates AG in Zürich für die Entwicklung einer neuen Generation von Bankensoftware verantwortlich zeichnet: "Die Bereitschaft, Änderungen und Verbesserungen vorzunehmen, ist gestiegen."

Experten warnen: Kein Werkzeug für die Ewigkeit

Auch wenn die in Offenburg zu Wort gekommenen Anwender das Thema CASE generell positiv bewerten, haben sie an den von ihnen eingesetzten Produkten durchaus Kritik anzumelden.

Signifikant ist, daß die Referenten neben verschiedenen anderen Mängeln wiederholt die fehlende Versionsführung beklagten; entsprechende Forderungen an die Adresse der Hersteller richteten Grundnig (bezüglich "Rochade") Biermann ("Predict Case") und Löffler ("Maestro").

Auf der anderen Seite warnte Grundnig potentielle Anwender einer Software-Entwicklungsumgebung davor, weiterhin auf ein Produkt ohne Mängel zu warten: "Man rnuß sich davon lösen, ein Werkzeug für die Ewigkeit zu kaufen. Was nämlich überhaupt nicht mehr geht, ist, noch einmal fünf Jahre zu warten."

Kissling empfiehlt allen CASE-Interessenten, sich zunächst darüber klar zu werden welche Methode sie verwenden wollen. Erst dann sollte die Entscheidung für ein bestimmtes Werkzeug getroffen werden, und zwar für dasjenige, das die gewählte Methode rnöglichst optimal unterstützt: "Wenn Sie einen Korken aus einer Flasche ziehen wollen, dann kaufen Sie um Gottes Willen einen Korkenzieher und keinen Schraubenzieher. Und wenn Sie einen Schraubenzieher gekauft haben, machen Sie den Hersteller bitte nicht dafür verantwortlich, daß Sie damit keinen Nagel in die Wand schlagen können.''