Steckerkompatible Zentraleinheiten

02.06.1978

Das Wort "steckerkompatibel" wurde in der Datenverarbeitung bisher meist so verstanden, daß die Stecker, die von IBM-Zentraleinheiten waren, an die Peripherie unterschiedlichster Mixed-Hardware-Anbieter problemlos angeschlossen werden konnten (Hardware-Kompatibilität auf physischer Ebene). Mittlerweile sind so viele IBM-Ersatz-Zentraleinheiten auf dem Markt daß man geradezu von einem Angebot "steckerkompatibler Zentraleinheiten" sprechen kann. Das gilt zumindest für die USA wo schon über ein halbes Dutzend Firmen (Amdahl, Itel CDC, National Semiconductor, NCSS, nunmehr auch Magnuson; siehe Seite 1) und - schon länger im System /3-Bereich - Telex und angeblich noch weitere, Computer der ganzen IBM-CPU-Bandbreite zum problemlosen Austausch anbieten.

Hier geht es um Steckerkompatibilität im umgekehrten bisherigen Sinn: Die neue CPU paßt in alle Anschlußstecker der vorhandenen Peripherie. Das ist Steckerkompatibilität aber auch einer ganz neuen Art: Vorhandene Anwendungs-Software läuft ohne jedwede, noch so kleine Änderung auf den neuen Systemen (Software-Kompatibilität auf der logischen Ebene).

Drei der Austausch-Mainframer, nämlich Amdahl Itel und CDC, bieten seit längerem auch in Deutschland ihre Ersatz-CPUs der Klasse 370/148 und größer an. Bei Bosch, Conti und anderen werden statt IBM-Systemen steckerkompatible Zentraleinheiten installiert Manch EDV-Chef liebäugelt mit dem gleichen Gedanken. Nur meint man, sich nicht trauen zu dürfen. Ohnehin sei das nur etwas für die Groß-Installationen.

Kopie eines Erfolgs-Rezeptes

Indes, das ändert sich. Nur eine Woche, nachdem die amerikanische Rechenzentrums-Kette National CSS Inc. den Vertrieb der von der Two Pi Company hergestellten NCSS-Serie 3200 ankündigte (Alternative zum System 370/138 - zum halben Preis, siehe letzte Kolumne) stellte die bislang unbekannte Magnuson Systems Corp. eine ganze Familie von steckerkompatiblen M80-Computern vor, die auch im Leistungsbereich der Systeme 370/138 und 370/148 arbeiten.

Was steckt dahinter? Das übliche Bild: Einige Ex-IBMler mit dem nötigen - hoffentlich ausreichenden - Know-how. Einige wagten es - Financiers mit dem nötigen, hoffentlich ausreichenden - Venture Capital. Ein kleiner Shop im Silicon-Valley in sunny California, wo man die für die von vornherein software-kompatibel entwickelten Systeme erforderlichen circuits, boards, wafers und racks bei nahezu jeder Cocktail-Party ordern kann.

Besonders pikant: Zum Magnuson-Team gehört als Vice President auch Carl Amdahl jun. of Gene Amdahl. Psychoanalytiker werden das zu deuten wissen. Wallstreet-Analytiker erinnert: dies an den phänomenalen Erfolg Gene Amdahls, der es letztlich doch schaffte. Die Amdahl Corp. ist heute ein solides Großunternehmen mit beachtlichem Marktanteil, satten Gewinnen und einem entsprechenden Aktienkurs. Die Amdahl-Story soll nunmehr vielfach kopiert werden mit steckerkompatiblen Zentraleinheiten für den mittleren und unteren Rechner-Bereich der IBM-Produktpalette.

Das Undenkbare rechtzeitig überdenken

Die Mixed-Hardware-Peripherie-Anbieter argumentieren: Laßt IBM die komplizierten Rechner bauen - und spart bei der Peripherie (man muß nicht die Elektronik beherrschen, um mechanisch arbeitende Anschlußgeräte bauen zu können). Die Hersteller steckerkompatibler CPUs hingegen: Der nur geringe Erfolg der Mixed-Hardware-Firmen erklärt sich aus hoher Anfälligkeit mechanischer Geräte bei - in Relation zum IBM-Wartungsdienst - vergleichsweise schlechtem Service. Erfolgreich aber wird sein, wer störungsunanfällige Elektronik zu attraktiven Preisen anbietet.

Der Preisvorteil wird interessant sein: Mixed-Hardware-Peripherie ist bis zu maximal 25 Prozent billiger als entsprechende IBM-Einheiten. Lohnen 15 Prozent das Risiko? Und erst die gesamte Peripherie zusammen hat etwa den Wert der Zentraleinheit. Indes, für steckerkompatible CPUs liegen die Preise bis zu 50 Prozent unter denen der IBM.

In dieser schnellebigen Branche lohnt es sich, sich rechtzeitig mit Gedanken vertraut zu machen, für die das entsprechende Angebot auch hierzulande recht bald schon auf dem Tisch liegen wird.