Status und Titel

13.05.1977

Das Problem tritt immer wieder auf: Wenn es in Projekt-Teams Unstimmigkeiten und Streit gibt, dann meist deshalb, weil Bereichsleiter sich Reorganisations-Vorschlägen der von Spezialisten der EDV-Abteilung geführten Teams nicht fügen wollen und den sie vertretenden Abteilungsleitern Anweisung geben, den Datenverarbeitern kräftig vors Schienbein zu treten. Diese wiederum können sich nur mit Arroganz und Besserwisserei wehren, denn wie anders werden "freischwebende" Spezialisten ohne hierarchische Absicherung reagieren, wenn sie aus Besprechungen in statusprotzenden Chefzimmern mit der Maßgabe entlassen werden, beim nächsten Mal wolle man ihren Chef sprechen.

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Bekanntlich haben EDV-Spezialisten bei großen Projekten oft Schlüsselstellungen, obwohl sie als Systemanalytiker und Organisatoren in der Hierarchie des Unternehmens relativ weit unten angesiedelt sind. Selbst wenn sie für Nutzen, Kosten und Ressourcen innerhalb eines Projektes voll verantwortlich sind, genügt ihre Autorität in Fachfragen meist nicht, um im Team von hierarchisch Höhergestellten entsprechend anerkannt zu werden. Vielfach werden sie von leitenden Mitarbeitern der Fachbereiche als fachlich einseitige Spezialisten abqualifiziert und in Ermangelung von Titel und Status bei Streitigkeiten als nicht ebenbürtige Kontrahenten akzeptiert.

Das Argument, es gebe immer nur eine beste Lösung, auf die man sich - selbst wenn gestritten wird - schon einigen wird, übersieht, daß EDV-Großprojekte sich nicht im luftleerer Raum oder nur in bilateralen Beziehungen abspielen, sondern daß um Lösungen in Großgremien gerungen wird, in denen Prestige und Status und die Gefahr der Blamage eine große Rolle spielen. Oftmals ziehen die EDV-Spezialisten - auch wenn sie sachlich im Recht sind - bei Streitigkeiten den kürzeren, machen freiwillige Rückzieher, weil sie nur eine Art "Hofnarren-Funktion" haben, nach der sie bestenfalls die Wahrheit sagen dürfen, aber nicht die Macht haben, entsprechendes Handeln gegen den Widerstand von veritablen Abteilungsleitern, Hauptabteilungsleitern, Vorstands-Assistenten und sonstigen Würdenträgerin durchzusetzen.

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EDV-Mitarbeiter fordern deshalb zu Recht, daß auch in ihren Abteilungen eine hierarchische Aufwertung der qualifizierten Spezialisten erfolgt, die zumindest für Projektdauer eine Gleichstellung mit den Abteilungsleitern der Fachbereiche schafft. Sinnvoll kann auch bei großen Projekten eine Übernahme des Projektteams in den Organisationsplan der Unternehmung sein, der ja ohnehin ständig geändert wird. Projektleiter sollten offiziell mit Abteilungsleitern gleichgestellt werden. Firmen-interne Titel ("Leitender Spezialist", "Berater für Spezialaufgaben" etc.) könnten eine Institutionalisierung von Funktionen bewirken.

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Es mag albern erscheinen, daß Titel und Posten, Rangstufen und Statussymbole verliehen werden müssen, damit hierarchisch freischwebende Spezialisten mit hierarchisch hochgestellten Managern effizienter kommunizieren können. Die Schuld daran tragen nicht die EDV-Spezialisten, wenn ihnen ein hohes Maß Projektverantwortung übertragen wird, nicht jedoch dafür gesorgt wird, daß bei sonst gültigen betriebsinternen Über- und Unterordnungen ihnen auch im Unternehmen allgemein akzeptierte Autorität verliehen wird.