Statistische Tausendfüßler

05.09.1986

Das Jahr hat seinen Höhepunkt überschritten und klettert langsam wieder aus dem Sommerloch, da prasseln von allen Seiten die Statistiken auf uns herein. Wirtschaftsmagazine Marktforscher, Industrievereinigungen - alle beglücken Redaktionen und Leser mit Nachrichten darüber, wer wo weshalb an der Spitze steht. Doch die vielen Hitparaden haben einen Schönheitsfehler: Oft vergleichen sie Roßäpfel mit Thomasbirnen.

Selbst die renommiertesten US-Zeitschriften sitzen simplen Denkfehlern auf. So publiziert Fortune eine Rangliste der größten amerikanischen Exporteure, in der die Ausfuhr aus den USA nicht auf die echten US-Inlandseinnahmen, sondern auf die weltweit eingenommenen Umsätze bezogen wird. Bei Unternehmen, die einen Teil ihres Sortiments außerhalb der Vereinigten Staaten produzieren, bekommt die Statistik deswegen Schräglage. Zudem ist nirgends ausgewiesen, wieviel konzerninterne Importe im Umsatz stecken. Doch Zahlen, die bis zur Stelle hinter dem Komma in der Tabelle stehen, suggerieren Präzision. Der Computer, der die Tabellitis erst ermöglicht, ist geduldig.

Der Dollarkurs, zu dem die Amerikaner alles einebnen, weil sie mit fremden Währungen nichts anfangen können, birgt zusätzliche Fehlerquellen: Man nimmt einen einheitlichen Umrechnungssatz pro Kalenderjahr. Manche europäische Firma kommt somit - je nachdem, wie günstig ihr Geschäftsjahr liegt - in den Genuß einer Aufwertung oder Abwertung gegenüber der Konkurrenz, die zu einem anderen Stichtag budgetiert. Damit die Zahlen mit denen vom Vorjahr vergleichbar werden, berechnen die Statistikkünstler alles neu, indem sie alte Umsätze zum neuen Kurs noch einmal kalkulieren.

Vergleiche hinken, sagt man. Umsatzstatistiken sind die Tausendfüßler unter den Vergleichen.