Ein Ziel ist auch die Entwicklung neuer Methoden für den Ingenieur

Statikversuche erfordern eine flexible Meßdaten-Auswertung

29.06.1990

Dipl. Ing. Jürgen Krieger ist bei der Bundesanstalt für Straßenwesen in Bergisch-Gladbach beschäftigt

Bei der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) fallen in verschiedenen Forschungsvorhaben auf dem Gebiet des Straßen- und Verkehrswesens zum Teil sehr umfangreiche Meßdaten an. Am Beispiel des Forschungsvorhabens "Geotextilbewehrte Stützkonstruktionen" beschreibt Jürgen Krieger den Einsatz eines relationalen Datenbank-Management-Systems (DBMS) zur Meßdaten-Haltung und -Auswertung.

In der Halle für statische Untersuchungen der BASt werden zur Zeit vier mit verschiedenen geotextilen Einlagen bewehrte Stützkonstruktionen im Maßstab eins zu eins aufgebaut. Nach dem Aufbau belastet man diese Konstruktionen bis zum Bruch. Alle Konstruktionen sind mit Meßeinrichtungen ausgerüstet, zur Erfassung von Spannungen, Verformungen und Dehnungen, die während des Belastungsvorganges auftreten.

Ziel der Untersuchungen ist es, Erfahrungen mit dem Bau derartiger Konstruktionen zu gewinnen. Außerdem werden die Versuchsergebnisse dazu verwendet, Verfahren zur ingenieurmäßigen Dimensionierung dieser Bauwerke zu verbessern, beziehungsweise neue Verfahren abzuleiten.

Frühere Versuche ähnlicher Art haben gezeigt, daß vor allem die Handhabung der gewonnenen Meßdaten Schwierigkeiten bereitet; besonders die Entwicklung entsprechender Individualsoftware gestaltet sich äußerst aufwendig. Weiterhin ist es für dieses Forschungsvorhaben notwendig, schon während der Durchführung einen Einblick in das Verhalten der Konstruktionen zu bekommen.

Eine Analyse des geplanten Forschungsvorhabens aus DV-technischer Sicht hat ergeben, daß ein relationales DBMS die Forderungen der Anwender am besten erfüllt.

Während der Belastung der Konstruktionen erfolgt in bestimmten Zeitintervallen die Abtrage der Meßdaten aller in die Konstruktionen eingebauten Meßwert-Geber. Die Meßdaten werden dann zur doppelten Datensicherung auf der Festplatte eines PCs und auf Disketten abgelegt.

Mittels spezieller Schnittstellen-Programme, die zur Zeit noch in Pascal realisiert sind, lassen sich die Meßwert-Dateien dann für die Eingabe in die Datenbank umformatieren. Ein direktes Schreiben der Datenbankdateien wurde erwogen, aber nicht realisiert; man hätte den Meßvorgang jeweils unter Gefahr von Datenverlusten unterbrechen müssen.

Möglichst flexible Auswertung der Daten

Da man während der Konzeptionsphase Art und Umfang der später erforderlichen Auswertungen noch nicht im einzelnen absehen könnte, ergab sich die Forderung nach möglichst großer Flexibilität. Ein relational orientiertes DBMS erbringt diesbezüglich die beste Leistung; die BAST entschied sich für SIR/DBMS.

Ein Kriterium für die Auswahl war die Verfügbarkeit einer leicht zu erlernenden interaktiven Abfragesprache. Hier bietet sich aufgrund der Standardisierung der Einsatz von SQL (bei SIR/DBMS: SQL +) an. Außerdem ließ sich mit dem SIR-System die auf dem Großrechner der BAST installierte Statistiksoftware SPSS-X mit in das Konzept einbeziehen (EX ORT-Utility in Verbindung mit dem SPSS-Befehl SAVE FILE). Die für das Einlesen in die Datenbank umformatierten Daten werden mittels des Utilities ADD RECORDS in die Datenbank eingelesen.

Die Auswertung der Daten geschieht zu einem großen Teil in Form von Listen und Tabellen. Soweit sich - bei der Konzeption der Anwendung - Art und Umfang der zu erstellenden Tabellen bereits absehen ließ, wurden hierzu mit dem REPORT-Kommando entsprechende SIR/PQL-Retrievals erstellt. Es besteht aber zusätzlich die Notwendigkeit, Tabellen für bestimmte Auswertungen ad hoc und interaktiv zu erstellen. Hierzu wird das Modul SQL + eingesetzt; der Sprachumfang und die Handhabung dieser Standardsprache haben sich als ausreichend erwiesen.

Ein weiterer Bereich der Auswertung der Meßergebnisse ist die Erstellung von Grafiken. In der BAST werden hierzu eine Vielzahl verschiedener Grafikprogramme eingesetzt. Es ergab sich die Notwendigkeit, Schnittstellen für die Programme MS-Chart und Uniras (Rastergrafikprogramme) bereitzustellen. Die Realisierung dieser Schnittstellen erfolgte durch PQL-Retrievals.

Um dem Anwender den Umgang mit den diversen Auswertungsprogrammen (zur Zeit zirka 60 PQL-Retrievals) zu erleichtern, wurde das modulare Menüsystem ICE bereitgestellt. Bei der Realisierung der Schnittstellen haben sich insbesondere die in der Version 2.3 von SIR/ DBMS eingeführten Erweiterungen von SIR/PQL und SIR/ ICE als sehr nützlich erwiesen (Menüs Templates, FIELD INPUT etc.).

DBMS ist besser als Individualsoftware

Erste Erfahrungen im Umgang mit der Anwendung haben gezeigt, daß relationale DBMS zur Auswertung und Verknüpfung der komplexen Meßdaten gegenüber einer Realisierung mit Individualsoftware erhebliche Vorteile aufweisen. Für den Ingenieur ergibt sich die zusätzliche Möglichkeit, während der Versuchsdurchführung in die Konstruktion "hineinzusehen", das weitere Vorgehen anhand der vorliegenden Auswertungen zu planen und auf diese Weise bessere Ergebnisse zu erzielen.

Aus DV-technischer Sicht steht fest, daß der Einsatz eines relationalen DBMS in Verbindung mit einer 4GL-Sprache die Entwicklungszeiten erheblich reduziert und die für diese Art von Anwendungen erforderliche Flexibilität gewährleistet.