NTT DATA Open Innovation Contest

Startups präsentieren digitale Lösungen für autonomes Fahren, Pflege, Medizin und Logistik

16.12.2019
Von 
Uwe Küll ist freier Journalist in München.
Transport-Drohnen, neue Pflege-Lösungen und ein smartes City-Logistik-Konzept. Das sind einige erfolgsversprechende Konzepte der deutschsprachigen Startup-Szene. In der regionalen Vorentscheidung des internationalen Open Innovation Contests (OIC) wurden neun Finalisten und zwei Sieger gekürt. Die beiden Gewinner-Startups dürfen zum Finale nach Tokyo.

Mit vielen frischen Ideen, hoher technologischen Kompetenz und ehrgeizigen wirtschaftlichen Ziele präsentierten sich neun Startups beim Regionalentscheid des globalen Innovationswettbewerbs OIC von NTT DATA. Die Gewinner Wingcopter und Wandelbots erhalten Unterstützung durch Infrastruktur, Beratung und Ressourcen des global agierenden Technologieunternehmens NTT DATA im Wert von mehr als 50.000 Euro. Als "Munich Winner" werden sie die deutschsprachige Startup-Szene beim globalen OIC-Finale am 24. Januar 2020 in der Olympiastadt Tokyo vertreten.

Wingcopter haben das Finale des globalen Innovationswettbewerbs OIC in Deutschland gewonnen, nun geht es im Januar zum Finale nach Tokyo. Unser Bild zeigt von links: Dieter Loewe, Chief Client Officer NTT DATA Deutschland Tom Plümmer, CEO Wingcopter, Kotaro Zamma, Head of Open Innovation and Business Incubation, NTT DATA Corporation, Meike Neitz, Moderatorin, Die Zukunftsmanufaktur und Kazuya Okada, NTT DATA Corporation.
Wingcopter haben das Finale des globalen Innovationswettbewerbs OIC in Deutschland gewonnen, nun geht es im Januar zum Finale nach Tokyo. Unser Bild zeigt von links: Dieter Loewe, Chief Client Officer NTT DATA Deutschland Tom Plümmer, CEO Wingcopter, Kotaro Zamma, Head of Open Innovation and Business Incubation, NTT DATA Corporation, Meike Neitz, Moderatorin, Die Zukunftsmanufaktur und Kazuya Okada, NTT DATA Corporation.
Foto: Tom Freudenberg

Wingcopter: Senkrechtstarter verteilt medizinische Versorgung

Das Darmstädter Unternehmen Wingcopter entwickelt und produziert Transport-Drohnen mit Elektroantrieb, sogenannte Unmanned Aerial Vehicles (UAV). Die patentierte Konstruktion mit vier Rotoren ermöglicht senkrechte Starts und Landungen auf kleinen Flächen. So ist das UAV auch in unwegsamem Gelände oder dicht besiedelten Gebieten einsetzbar. Das Schwenken der Rotoren verwandelt den Wingcopter in ein Tragflächenflugzeug, das bis zu 120 Kilometer mit einer Batterieladung fliegt, um dann automatisch und sicher zu landen.

Der Wingcopter liefert Impfstoffe, Medikamente oder Spezialgeräte in kürzester Zeit an schwer zugängliche Orte, und rettet damit möglicherweise Leben. Das hat Wingcopter unter anderem in einem gemeinsamen Pilotprojekt mit der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, GIZ, und DHL bewiesen. Dabei liefert die Drohne unter dem Namen Parcelcopter 4.0 medizinisches Material auf die Insel Ukerewe im Viktoriasee in Tansania. Insbesondere der schnelle Transport von Laborproben und -geräten hilft dort, schwere Krankheiten wie Malaria oder Typhus zu bekämpfen. Dabei befördert das UAV seine Fracht sicher über 60 Kilometer in einem 40-minütigen autonomen Flug. Fluggeschwindigkeit und Position sind für Sender- und Empfänger-Station jederzeit sichtbar, und bei Starts und Landungen können Mitarbeiter am Boden notfalls die Kontrolle per Fernsteuerung übernehmen. Auch bei Regen und Windgeschwindigkeiten von bis zu 70 Stundenkilometern ist die Drohne einsetzbar.

In seiner Begründung des Jury-Urteils beim OIC in München erklärte Dieter Loewe, Geschäftsführer und Chief Client Officer von NTT DATA Deutschland: "Das Beispiel von Wingcopter veranschaulicht, was digitale Innovation so wertvoll macht: Sie kann nachhaltige Entwicklung fördern, Unternehmen helfen, ihr Business von Morgen zu entwickeln und durch intelligente Automatisierung der globalen Gesellschaft in den verschiedensten Bereichen und Lebenssituationen entscheidende Mehrwerte bieten."

Wandelbots: Robotersteuerung demokratisieren

Intelligente Automatisierung ist auch das Schlüsselelement bei Wandelbots aus Dresden. Mit einer Technologie zum Trainieren von Robotern will das Unternehmen Geschäftsprozesse demokratisieren. In den kommenden Jahren stellt fehlendes Personal die größte Hürde bei der Programmierung von Robotern dar. Deshalb hat das Team von Wandelbots eine Methode entwickelt, mit der sich Roboter aller Art steuern lassen, ohne zu programmieren. Dazu zeichnet das System mit Sensoren ("TracePen") die Bewegungen beim Ausführen einer Tätigkeit auf. Die Software erfasst damit Automatisierungsskripts - und Roboter lernen die Ausführung einer Aufgabe innerhalb von Minuten.

Auch mittelständische Unternehmen, die nicht über eigene Robotik-Experten verfügen, können mit der Technologie effizientere Prozessen entwickeln. Darüber hinaus werden körperlich anstrengende und gesundheitsgefährdende Tätigkeiten einfacher und schneller an Maschinen delegiert. Die geringeren Implementierungskosten im Vergleich zu einer Programmierung verbessern außerdem die Kosteneffizienz der Roboter", erklärte Loewe.

Fearless: Für die Zukunft der Pflege

Dass digitale Innovation auch aus Österreich kommt, beweist cogvis aus Wien. Vor mehr als zehn Jahren als Spin-Off der TU Wien gegründet, hat sich cogvis auf Lösungen für Active and Assisted Life (AAL) spezialisiert und einen intelligenten Bewegungssensor für die Pflege entwickelt. Das Gerät mit dem Namen fearless vereint neuartige 3D-Sensoren mit Technologien aus dem Umfeld der Künstlichen Intelligenz (KI).

 Rainer Planinc, CEO von cogvis, entwickelte einen inteligenten Bewegungssensor für die Pflege.
Rainer Planinc, CEO von cogvis, entwickelte einen inteligenten Bewegungssensor für die Pflege.
Foto: Tom Freudenberg

So registriert es automatisch Stürze von Personen sowie Bewegungen, die auf einen drohenden Sturz hindeuten, und benachrichtigt automatisch das Pflegepersonal. Bereits 40 Pflegeeinrichtungen und Krankenhäuser arbeiten mit der Lösung. Patienten erfahren mehr Sicherheit und Unabhängigkeit in ihrem Alltag, das Pflegepersonal wird entlastet und die Betreiber der Einrichtungen können ihre Kapazitäten stärker auslasten.

Implandata: Augendruck senken mit KI

Das Hannover Unternehmen Implandata zeigt auch, wie digitale Innovation im Gesundheitswesen zu einer besseren Versorgung führen kann. Mit dem System Eyemate können Patienten ihren Augeninnendruck selbst messen und so das Risiko eines Sehverlusts durch ein Glaukom minimieren. Ein Sensor-Implantat liefert kontinuierlich Daten an einen kabellosen Empfänger, der sie automatisch an ein Mobilgerät des Patienten und an den behandelnden Augenarzt übermittelt. Das Machine-Learning-basierte Verfahren macht die individuelle Therapie einfacher und effektiver.

JoS Quantum: Algorithmen für die Finanzindustrie

Finanzinstitute, Versicherungen, aber auch Energieunternehmen müssen häufig aus riesigen Datenmengen entscheidungsrelevante Informationen generieren. Komplexe Simulationen, beispielsweise zur Entwicklung von Finanzmärkten, benötigen mit herkömmlicher Technologie immer noch oft Stunden, Tage oder gar Wochen und sind im Alltag nicht sinnvoll nutzbar.

Das Frankfurter Fintech JoS Quantum stellt deshalb mit dem Produkt "Grundzustand" Algorithmen zur schnellen Berechnung großer Datenmengen auf Basis von Quanten-Computing bereit. Das nach eigenen Angaben erste und weltweit einzige Quantum-Fintech bietet seine Leistungen in Form von "Calculation-as-a-Service" an. Das bedeutet: Kunden greifen über eine Web-API auf die vorimplementierten Algorithmen zu. Ohne selbst in teure Infrastruktur zu investieren, profitieren sie von exponentieller Beschleunigung ihrer Berechnungen und quantenbasierten Machine-Learning-Verfahren. Abgerechnet wird nach dem Pay-per-Use-Verfahren.

TerraLoup: Orientierung für autonome Mobilität

Autonome Mobilität ist ein Star der Digitalisierung. Kaum ein anderes Innovationsthema beschäftigt die Öffentlichkeit im Autoland Deutschland so stark. Die Bedeutung von zuverlässigem Kartenmaterial wird hingegen kaum thematisiert. Dabei stellen großflächige Karten in HD-Auflösung eine wichtige Voraussetzung für autonomes Fahren dar.

Manuela Rasthofer gründete 2015 das Unternehmen TerraLoup, das pixelgenaue HD-Karten und digitale 3D-Zwillinge herstellt.
Manuela Rasthofer gründete 2015 das Unternehmen TerraLoup, das pixelgenaue HD-Karten und digitale 3D-Zwillinge herstellt.
Foto: Tom Freudenberg

Manuela Rasthofer, Geschäftsführerin von TerraLoupe aus München und einzige Gründerin im Regionalwettbewerb des OIC, hat das früh erkannt. Im Jahr 2015 gründete sie gemeinsam mit zwei Partnern TerraLoupe. Das Unternehmen entwickelte eine Technologie zum Erstellen pixelgenauer HD-Karten, digitaler 3D-Zwillinge und Simulationen aus Luftaufnahmen. Anwendungsgebiete sind neben HD-Karten auch Simulationsmodelle für autonomes Fahren und Fliegen sowie digitale Zwillinge für die Planung von Firmenstandorten oder die Lokalisierung von Objekten.

TWAICE: Batterien effizienter nutzen

Vor allem im Hinblick auf zunehmende Elektromobilität beschäftigt der Lebenszyklus von Batterien viele Unternehmen. Das Münchner Startup TWAICE will die ökonomische und ökologische Effizienz bei der Entwicklung, Nutzung und Versicherung von Batteriesystemen verbessern. 2018 hat sich das Unternehmen als Spin-Off der Technischen Universität München gegründet. Anhand eines digitalen Zwillings sagt die Software die Haltbarkeit, Speicherfähigkeit und das Risiko möglicher Schäden voraus. Ziel der Predictive-Analytics-Anwendung mit KI-Algorithmen ist es, Batterien umweltfreundlicher, haltbarer, sicherer und wirtschaftlicher zu machen. Neben den Herstellern und Benutzern von Batterien können davon auch Versicherungen und andere Serviceanbieter im Umfeld der Elektromobilität profitieren, etwa bei der Zertifizierung von Batterien für besonders anspruchsvolle Anwendungen.

RYTLE: Logistik mit dem Lastenrad

Das Geschäft mit der Lieferung von Gütern an Endverbraucher brummt. Doch Logistikunternehmen und Kurierdienste kämpfen vor allem in den Ballungsgebieten der letzten Meile mit Störungen ihrer Prozesse durch verstopfte Straßen einerseits und Behinderungen durch verschärfte Vorschriften zum Schutz von Menschen und Umwelt andererseits. Gleichzeitig erwarten die Kunden eine pünktliche Lieferungen.

Als Ausweg aus diesem Dilemma bietet das Unternehmen RYTLE mit Sitz in Bremen ein integriertes City-Logistik-Konzept. Ein elektrisch betriebenen Lastenrad RYTLE MovR, die standardisierte Transportbox RYTLE Box, ein mobiles HUB und eine Software-Plattform für die Interaktion zwischen den beteiligten Logistikdienstleistern und Kurierdiensten ermöglichen effiziente und emissionsarme Lieferprozesse.. Derzeit ist die Lösung europaweit bereits in 25 Städten im Einsatz.

Weeve: Grundlage erfolgreicher IoT-Projekte

Mit zunehmende autonomen Systemen und deren Vernetzung im industriellen Internet der Dinge (IoT) gewinnt der Aspekt der Sicherheit immer mehr an Bedeutung. Das Berliner Startup Weeve entwickelte deshalb eine Plattform zum sicheren Vernetzen von Maschinen, Zertifizieren von Daten und für deren Monetisierung. Mögliche Anwendungsfelder liegen in der Industrieautomation, Logistik und Versicherungen sowie einiger Mobilitätslösungen.

"Ideen sind die Basis erfolgreicher Innovation, aber genauso wichtig ist es, einen langen Atem zu haben, um die Höhen und Tiefen des Gründerlebens zu meistern", so Rupprecht Rittweger, Gründer von e-shelter und Vorstandsvorsitzender von NTT DATA.
"Ideen sind die Basis erfolgreicher Innovation, aber genauso wichtig ist es, einen langen Atem zu haben, um die Höhen und Tiefen des Gründerlebens zu meistern", so Rupprecht Rittweger, Gründer von e-shelter und Vorstandsvorsitzender von NTT DATA.
Foto: PopTika - shutterstock.com

Ideen für Innovationen

"Alle Finalisten dürften sich schon deshalb als Gewinner betrachten, weil sie sich für den regionalen Vorentscheid qualifiziert haben", erklärte Kommunikationsberaterin Meike Neitz, die den Wettbewerb moderierte. Gemeinsam mit Partnern und Kunden fördert NTT DATA auch außerhalb des Wettbewerbs Co-Creation-Projekte. Schließlich sei Innovation kein Wert an sich, sondern die Basis für einen nachhaltigen Nutzen von Unternehmen und Gesellschaft, so Loewe. Und Jury-Mitglied Rupprecht Rittweger, Gründer von e-shelter und Vorstandsvorsitzender von NTT DATA Centers EMEA, betonte: "Ideen sind die Basis erfolgreicher Innovation, aber genauso wichtig ist es, einen langen Atem zu haben, um die Höhen und Tiefen des Gründerlebens zu meistern."