Silicon Valley Bank vor der Pleite

Startup-Bank unter Kontrolle der US-Behörden

13.03.2023
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Die USA haben die kollabierte Silicon Valley Bank (SVB) unter staatliche Aufsicht gestellt. Damit soll verhindert werden, dass weitere Institute in einen Abwärtssog geraten.
Mit der Pleite der Silicon Valley Bank steht das US-Finanzsystem erneut vor einer harten Prüfung.
Mit der Pleite der Silicon Valley Bank steht das US-Finanzsystem erneut vor einer harten Prüfung.
Foto: FOTOGRIN - shutterstock.com

Erinnerungen werden wach an das Jahr 2008. Nach dem Zusammenbruch der US-Großbank Lehman Brothers schlitterte die Weltwirtschaft in eine jahrelange Krise. Wieder ist eine Bank in Amerika kollabiert. Am 10. März haben US-amerikanische Finanzbehörden die Kontrolle über die Silicon Valley Bank (SVB) übernommen.

Das kalifornische Geldhaus zählt zu den wichtigsten Kreditgebern der Tech-Branche. Nachdem durchsickerte, die SVB-Verantwortlichen suchten händeringend nach Geld, um Verluste infolge der gestiegenen Zinsen und der fehlenden Solvenz mancher Startups auszugleichen, geriet die Bank in Schieflage. Kunden überrannten das Finanzinstitut, um ihr Geld in Sicherheit zu bringen. Die Behörden, die ein Übergreifen auf den gesamten Bankensektor fürchteten, reagierten und schlossen die SVB.

US-Behörden wollen Anleger beruhigen

Die kalifornische Finanzaufsicht begründete diesen Schritt damit, dass eine Zahlungsunfähigkeit unmittelbar bevorgestanden habe. Gleichzeitig bemühten sich die staatlichen Stellen, die Kunden der Bank zu beruhigen. Die Federal Deposit Insurance Corporation (FDIC) versicherte, Einlagen der SVB in Höhe von 175 Milliarden Dollar abzusichern. Der Rettungsschirm schützt allerdings nur Guthaben bis zu 250.000 Dollar.

Nachdem die SVB-Aktie in den Keller rauschte und auch andere Bankpapiere mit in den Abwärtssog gerissen wurden, griffen die obersten Finanzbehörden in Washington ein. Sämtliche Einlagen bei der SVB würden abgesichert, hieß es in einem Statement des US-amerikanischen Finanzministeriums und der Notenbank.

"Das US-Bankensystem ist nach wie vor widerstandsfähig und steht auf einem soliden Fundament, was zu einem großen Teil auf die Reformen zurückzuführen ist, die nach der Finanzkrise durchgeführt wurden, um den Bankensektor besser zu schützen", heißt es in der gemeinsamen Erklärung der Behörden. Diese Reformen in Verbindung mit den aktuellen Maßnahmen zeigten die Entschlossenheit der Behörden. Es würden alle notwendigen Schritte unternommen, um die Ersparnisse der Einleger abzusichern. Mittlerweile wurde auch die Signature Bank of New York, die nach der SVB als das am zweitstärksten gefährdete Institut gilt, unter Aufsicht gestellt.

Banken in Schieflage sollen schneller Kredite bekommen

Die Aufsichtsbehörden wollen den Banken den Zugang zu Notfonds verschaffen. Die Federal Reserve kündigte an, sie werde über ein neues "Bank Term Funding Program" Hilfe anbieten, um es den Banken zu erleichtern, im Krisenfall Kredite aufzunehmen. Das Finanzbeben erreichte auch das Weiße Haus. US-Präsident Joe Biden sagte, die amerikanische Bevölkerung könne "darauf vertrauen, dass ihre Bankeinlagen verfügbar sind, wenn sie diese brauchen".

Die SVB wurde 1983 unter dem Namen California Bank gegründet und hat mit Startup-Geschäften im zurückliegenden Jahrzehnt, als die Zinsen niedrig waren, viel Geld verdient. Das Bankhaus liegt auf Platz 16 im Ranking der US-amerikanischen Finanzinstitute. Als jedoch im Zuge der grassierenden Inflation die Zinsen stiegen, geriet der Startup-Finanzierer unter Druck. Für junge Tech-Unternehmen wurde es immer schwieriger, sich Geld zu beschaffen.

Bankenhilfen in Zeiten hoher Inflation schwer zu vermitteln

Die Finanzbehörden hätten schnell und entschlossen gehandelt, um eine Schockwelle, die möglicherweise weitere Finanzkreise in Bedrängnis bringen könnte, zu verhindern, konstatieren Finanzexperten. Allerdings gehe es auch um irrationale Ängste, die schwer zu beurteilen und zu steuern seien. Es gebe noch keinen Anlass für Entwarnung, lautet das Fazit vieler Beobachter.

Inzwischen werden kritische Stimmen lauter, wonach die Banker in bester kapitalistischer Manier fette Gewinne einstrichen, wenn es gut laufe. Drehe sich der Wind, müssten sie aber gemeinschaftlich von der Gesellschaft gerettet werden. Gerade in Zeiten steigender Inflation, in denen es vielen Haushalten schwerfällt, ihre Grundbedürfnisse zu finanzieren, sorgen staatliche Hilfsmaßnahmen für Banken für Murren in der Bevölkerung.

Janet Yellen, US-Finanzministerin, muss viel Geld in die Hand nehmen, um den US-Finanzsektor zu schützen, darf aber die US-Bevölkerung, die unter der hohen Inflation leidet, nicht gegen sich aufbringen.
Janet Yellen, US-Finanzministerin, muss viel Geld in die Hand nehmen, um den US-Finanzsektor zu schützen, darf aber die US-Bevölkerung, die unter der hohen Inflation leidet, nicht gegen sich aufbringen.
Foto: Alexandros Michailidis - shutterstock.com

US-Finanzministerin Jenet Yellen beeilte sich denn auch zu beteuern, die Rettungsmaßnahmen würden die US-Steuerzahler keinen Cent kosten. Wie sie die Bankenrettung finanzieren will, ließ sie offen. Allerdings dürften zusätzliche Schulden wohl die einzige Möglichkeit sein, die SVB-Einlagen abzusichern. Damit dürfte der unter extremer Schuldenlast stehende US-Haushalt weiter in Mitleidenschaft gezogen werden, was für Zündstoff in Washington sorgen dürfte.

HSBC übernimmt britische SVB-Tochter

Auch außerhalb der USA schlägt die SVB-Pleite Wellen. Viele der rund 3600 europäischen Kunden hatten ihr Geld in der britischen Filiale liegen. Bereits am Morgen des 13. März wurde die SVB-Tochter in Großbritannien von die Großbank HSBC für den symbolischen Betrag von einem britsichen Pfund übernommen. "Wir werden uns um unseren Technologiesektor kümmern, twitterte der britische Finanzminister Jeremy Hunt und beteuerte dieses Versprechen auch einzulösen. Das britische Finanzsystem sei sicher, solide und gut mit Kapital versorgt, verlautete von Seiten der Bank of England.

In Deutschland ist die SVB mit einem Sitz in Frankfurt vertreten. Man habe Glück im Unglück, weil die US-Bank den deutschen Markt nur halbherzig adressiert habe, sagte Berthold Baurek-Karlic von der Wiener Investmentfirma Venionaire dem Handelsblatt. Einige deutsche Kunden hätten ihr Geld noch rechtzeitig kurz vor der Pleite abziehen können, hieß es. Noch sei allerdings nicht genau abzusehen, wie sich das Finanzdesaster hierzulande auswirken werde.

Am 13. März hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) gegenüber der Silicon Valley Bank Germany Branch ein Veräußerungs- und Zahlungsverbot erlassen. Es bestehe die Gefahr, das Verpflichtungen gegenüber Gläubigern nicht mehr bedient werden könnten. Außerdem ordnete die BaFin an, die Bank für den Verkehr mit der Kundschaft zu schließen. "Das Moratorium musste angeordnet werden, um die Vermögenswerte in einem geordneten Verfahren zu sichern", hieß es in einer Mitteilung.

Die Silicon Valley Bank Germany Branch habe keine systemische Relevanz, versucht die deutsche Finanzaufsicht zu beruhigen. Die Maßnahmen würden solange gelten, bis die weitere Entwicklung für die auf die FDIC übertragenen Geschäfte der Silicon Valley Bank in Santa Clara geklärt sei. "Die Notlage der Silicon Valley Bank Germany Branch stellt keine Bedrohung für die Finanzstabilität dar", beteuert die Bafin. Die Bilanzsumme des in Frankfurt am Main ansässigen Instituts habe sich gemäß dem Jahresabschluss zum 31. Dezember 2022 auf 789,2 Millionen Euro belaufen.