Startschuss fuer Microsoft bei Video on demand US-Baby-Bells draengen in den Markt fuer interaktive Dienste

07.10.1994

MUENCHEN (CW) - Die amerikanischen Baby Bells versuchen sich derzeit durch Kooperationsabkommen an die Spitze der Anbieter fuer interaktive Dienste zu stellen. Waehrend Southwestern Bell Corp. in San Antonio, Texas, mit Hilfe des Fachwissens von Microsoft noch an der Technik feilt, will die in Colorado ansaessige US West Inc. die Kundschaft mit der Angebotsvielfalt aus den grossen Hollywood- Studios zu beeindrucken.

Fuer Microsoft ist der Vertrag mit Southwestern Bell ein Novum. Die Softwerker zierten sich lange, in das Geschaeft mit Video-on- demand- und interaktiven Diensten einzusteigen. Sie lehnten Kooperationsofferten anderer Baby Bells ab, da sie deren Projekte als technologisches Lotteriespiel einstuften. "Wir haben so einige Angebote zurueckgewiesen, denn wir wollen nicht unnoetig Programmcodes fuer Hardwareplattformen schreiben, die nicht zu entwickeln sind", sagt Laura Jennings, Senior Director in Microsofts Consumer-Geschaeftsbereich.

Anders schaetzt die Gates-Company offensichtlich das Southwestern- Projekt ein. Ausschlaggebend fuer die Beteiligung an dem Vorhaben war die Tatsache, dass nur ein Anbieter die Hardwareplattform erstellt, so habe Microsoft eine bessere Kontrolle ueber die Richtung des Projekts, erklaert Jennings. Dritter Partner im Bunde mit Zustaendigkeit fuer das Equipment wird die Lockheed Corp. sein. Als Systemintegrator uebernimmt der Ruestungskonzern erstmalig die Verantwortung fuer die Geraeteausstattung bei einem Grossprojekt im Home-Video-Markt.

Southwestern wird in den naechsten Monaten bei der Federal Communications Commission (FCC) die Freigabe des neuen Dienstes beantragen. Das Projekt startet im vierten Quartal des naechsten Jahres zunaechst mit 3500 Abonnenten in Richardson, der kommerzielle Betrieb wird laut Plan 1996 aufgenommen.

Als Softwarebasis wird Microsoft ein Betriebssystem einsetzen, das derzeit unter dem Codenamen "Tiger" entwickelt wird. Die Raubkatze soll vier Faehigkeiten aufweisen koennen: Sie liefert Videofilme auf Bestellung, navigiert Endanwender durch das System und praesentiert Angebote an Shows und anderen Programmen. Mit der vierten Anwendung, dem "Network Operator", informiert der Anbieter seine Kundschaft ueber Gebuehren und Dienste.

Waehrend Microsofts Software noch auf sich warten laesst, haben sich andere Baby Bells bereits nach Alternativen umgesehen oder wie Bell Atlantics mit "Stargazer Navigator" eigene Programme entwickelt. Andere Anbieter wie Pacific Telesis und Ameritech koennen ebenfalls auf einen technischen Vorsprung vor Southwestern verweisen - alle ohne Hilfe der Gates-Company.

Besonders aggressiv dringt nach Meinung amerikanischer Analysten US West auf den Markt fuer interaktive Services vor. Der Carrier unterzeichnete kuerzlich Vertraege mit sieben Hollywood-Studios und dem Kreditkartenunternehmen Visa, um einen Unterhaltungsdienst aufzubauen. Marktbeobachtern zufolge katapultiert dieser Deal US West an die Spitze der einschlaegigen Anbieter. Vorgesehen ist, den gebuehrenfreien Service unter dem Namen "Go TV" anzubieten. Die Finanzierung soll ueber Werbeeinnahmen erfolgen.