Stankiewicz loest NEC-Host durch Sun-Rechner ab Neue Client-Server-PPS soll zur flexiblen Fertigung fuehren

22.07.1994

MUENCHEN (ue) - Der Automobilzulieferer Stankiewicz ist dabei, seine Mainframe-basierte DV weitgehend auf eine Client-Server- Loesung unter Unix umzustellen. Herzstueck der von der NIS GmbH gemeinsam mit dem Anwender durchgefuehrten Neustrukturierung ist eine flexible Fertigungssteuerung einschliesslich PPS-System. Damit soll eine unternehmensweite Durchgaengigkeit von Daten bis hin zum Leitstand und zur Maschinensteuerung gewaehrleistet werden.

Der Schwenk von mittelfristig angelegten Planungs- und Produktionszielen zu einer absatzgesteuerten Fertigung hat bei vielen Automobilzulieferern die DV-Landschaft veraendert. Die mit ihrem Hauptsitz nahe bei Celle ansaessige Firma Stankiewicz stellt Kfz-Komponenten zur Innenausstattung und Schallisolierung sowie Unterbodenschutz her. Neben dem Stammhaus unterhaelt das Unternehmen noch kundennahe Produktionsstaetten. Beliefert werden alle namhaften deutschen Automobilhersteller.

Die DV bei Stankiewicz basiert nur noch teilweise auf einem NCR- Mainframe mit dem proprietaeren ITX-Betriebssystem. Auf dem Host laufen die kaufmaennischen Anwendungen wie Finanzbuchhaltung und Kostenrechnung sowie das alte PPS-System. Trotz zahlreicher Individualentwicklungen konnte die PPS mit den Anforderungen des Marktes nicht Schritt halten. Besonders der Ueberwachungs- und Steuerungsbereich war nur unzureichend in das System eingebunden. Weitere Schwaechen: Die DV beruecksichtigte zwar Vertrieb, Jahresplanung, Stuecklisten und Rezepturen, ermittelte fuer Material- und Lagerwirtschaft jedoch nur pauschale Gesamtbestaende. Zur Feineinstellung von Mengen, Chargen und Bearbeitungszustaenden der Produkte verfuegten die Arbeitsplaetze nicht ueber ausreichend aktuelle Daten, da die Arbeitsauftraege oft noch papiergebunden waren. Rueckmeldungen an die DV erfolgten deshalb oft zu spaet fuer eine ereignisorientierte Steuerung.

Investitionsschutz laesst

NCR-Host eine Schonfrist

Handlungsbedarf bestand also im operativen Bereich. Die als Generalunternehmer beauftragte Norddeutsche Informationssysteme GmbH aus Hamburg realisierte als Verbundloesung fuer alle Werke eine Fertigungssteuerung, die von der Planungs- ueber die Feinsteuerungsebene bis zur Maschinenanbindung reicht. Aus Gruenden des Investitionsschutzes galt es, die auf der proprietaeren NCR- Welt vorhandenen Loesungen in das Konzept einzubinden.

Das Ergebnis hardwareseitig: Es wurden sieben Sparc-Rechner von Sun (Sparc 10 und Sparc Classics) installiert, von denen einer als reiner Datenbank-Server mit dem DBMS von Sybase arbeitet. Die uebrigen Rechner verteilen sich als Applikations-Server auf die einzelnen Gebaeude im Werksgelaende. Sie halten aus Gruenden der Daten- und Programmsicherheit jeweils das neue PPS-System, CAQ- und andere Anwendungen vor. Als Front-ends zur Dateneingabe werden PCs, Touchscreens und mobile Geraete eingesetzt, die mit Barcode- Erfassung, Docking-Stationen und Infrarotuebertragung ausgestattet sind.

Die Netzanbindung der Werkshallen und Buerogebaeude uebernimmt ein FDDI-Backbone. Von ihm aus wird innerhalb der einzelnen Gebaeude zu einem Ethernet geroutet, das ebenfalls zum groessten Teil mit Lichtwellenleitern verlegt wurde, denn zum Schutz vor Blitzschlag oder Maschineneinfluesse haette die Abschirmung von Kupferkabeln sehr aufwendig ausfallen muessen. Zur Anbindung der Aussenwelt per DFUE, speziell eines Mercedes-Benz-Werks in Bremen, steht ein Datex-P-Rechner zur Verfuegung.

Von Bremen aus werden die Kommissionierdaten des Automobilherstellers im Minutenrhythmus online eingelesen. Nach jeweils knapp sieben Stunden muss Stankiewicz die Produkte synchron zum Fertigungstakt des Kunden anliefern. Mit der neuen DV sollte nun auch die Auftragsansteuerung diesen Zeitvorgaben angepasst werden. Dabei befinden sich die Celler in der gluecklichen Lage, dass die mittlere Durchlaufzeit der Produkte etwa drei Minuten betraegt. Aus diesem Grund liess sich allein das Potential fuer eine reduzierte Lagerhaltung hoch ansetzen.

Modulare Strukturen und die Moeglichkeit zur kontinuierlichen Problemloesung mit einer hohen Umsetzungsgeschwindigkeit, so nennt Markus Bonsmann, Projektleiter und Chef der Organisation Datenverarbeitung bei Stankiewicz, seine Ansprueche an das derzeit installierte System. Voraussetzung dazu war unter anderem auch eine neue ereignisgesteuerte PPS, die auf Client-Server-Basis arbeitet und bereichsuebergreifend aktuelle Daten fuer die Disposition, Bestaende, Personalverfuegbarkeit und Maschinenzustaende bereitstellt: "Txbase", so die Bezeichnung der NIS-Entwicklung, umfasst Funktionen wie

- Auftragsfreigabe mit Verfuegbarkeitspruefungen,

- Auftragskontrolle und Maschinenzustandsueberwachung,

- BDE/MDE (Betriebsdaten- und Maschinendatenerfassung),

- Maschinensteuerung sowie

- Materialflussueberwachung mit Transportsteuerung.

Suche nach Materialen

wird automatisiert

Verbesserungen durch diese Systemeigenschaften verspricht sich Bonsmann in mehreren Bereichen. Ein kritischer Punkt war bislang die Lagerlogistik der Halberzeugnisse, aus denen sich ein Endprodukt in vier bis fuenf Arbeitsgaengen zusammensetzt. Teilweise musste ein Fahrrad-Kurierdienst innerhalb des Werksgelaendes feststellen, ob und wo die fuer einen Auftrag benoetigten Materialien vorhanden waren. Erschwerend kam hinzu, dass von den Maschinen nicht automatisch eine Materialverbrauchsmeldung in die DV eingelesen werden konnte.

Abhilfe schafft hier die Einbindung der prozessorgesteuerten Maschinen ueber einen Sinec-H1-Bus in das Gesamtsystem. Relevante Daten beispielsweise zur Verfuegbarkeits- und Verbrauchsberechnung von Material werden von einem MDE-Server (Sparcstation) erfasst und eruebrigen so die Betriebsdatenerfassung durch Personal. Auch mobil aufgezeichnete Maschinen- oder Betriebsdaten lassen sich direkt in das Unix-System einlesen.

Als weiteren Problemfall nennt Bonsmann die bislang von Meistern oft noch manuell durchgefuehrte Auftragsansteuerung, so dass es zu Produktionsunsicherheiten vor allem innerhalb kurzfristiger Zeitraeume kommen konnte. Dies war zum Beispiel bei unerwarteten Ereignissen der Fall, wenn Maschinen- oder Werkzeugstoerungen auftraten oder Personal ausfiel. Durch die DV-Unterstuetzung erhalten die Meister nun ein Hilfsmittel, mit dem sich trotz dieser Unwaegbarkeiten Auftraege nach Prioritaeten freigeben lassen. Die ereignisorientierte Entscheidung vor Ort traegt laut Bonsmann erheblich zur Kostenvermeidung bei.

Die Integration von Unix- und NCR-Welt hat NIS mit Hilfe eines Ethernet-Adapters ueber eine auf TCP/IP basierende Schnittstelle hergestellt. Die Benutzer arbeiten an ihren Front-ends meist unter Windows und erhalten ihre Anwendungen beziehungsweise Daten sowohl von den Sparcstations als auch vom Host. Vertrieb, Planung und Grunddaten wie Stuecklisten und Teilestaemme bleiben bei Stankiewicz vorerst noch auf dem NCR-Rechner. Die operativen und steuernden Bereiche wurden dagegen auf das Unix-System verlagert. Im kommenden Jahr sollen Materialwirtschaft und Einkauf umgestellt werden. Es folgen PPS, Vertrieb und Kostenrechnung, so dass der Mainframe in knapp drei Jahren vollstaendig abgeloest werden kann.

Die Wirtschaftlichkeit der DV-Struktur beziffert Bonsmann mit Einsparungen in Hoehe von mehreren 100 000 Mark pro Jahr. Dazu tragen bei: reduzierte Ruestzeiten der Maschinen, rationellere Materialsuche sowie eine schnellere Erkennung von Ausschuss und Beseitigung der Ursachen. Vor allem die vierteljaehrlich durchgefuehrten Inventuren lassen sich nun auf einmal pro Jahr einschraenken.