Stanford prägte eine Software-Spezialistin

24.01.1975

MÜNCHEN-Ihr Nachname ist irischen Ursprungs. Ihre Aussprache aber hat den unverfälschten, dezenten Klang des "Aristokraten-Wienerisch".

Dr. Christiane Floyd wurde vor 31 Jahren in Wien geboren, verbrachte aber den Großteil ihrer Kindheit und Jugend in Niederösterreich. Seit September 1973 arbeitet sie als "leitende System-Planerin und Ausbildungsbeauftragte" bei der Münchner-Softlab GmbH. Hier herrsche, so Dr. Floyd, "kein strenges, hierarchisches Denken". Außerdem seien etwa zehn Prozent der Mitarbeiter Damen in qualifizierten Stellungen, mindestens mit Fachschulausbildung.

Schwierigkeiten, sich als Frau in einer Domäne der Männer, der EDV zu profilieren, hat Dr. Christiane Floyd offensichtlich nicht gehabt. Sehr bescheiden meint die promovierte Mathematikerin (1966 an der Universität Wien): "Ein kleiner Kreis von Wissenschaftlern und EDV-Spezialisten bringe ihren Namen jetzt erfolgreich mit der >strukturierten Programmierung< in Verbindung."

Forschung und Lehre

Bereits 1969 wurde die strukturierte Programmierung als Lehrmethode an der Standford University in Californien eingeführt. Von 1970 bis 1973 hielt Dr. Christiane Floyd in Stanford als Lehrbeauftragte darüber Einführungsvorlesungen.

Die vorhergegangenen zwei Jahre hatte sie dort als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Computer Science Department an der Entwicklung eines Compiler-Compilers und an einem Forschungsprojekt über Mikroprogrammierung mitgearbeitet. Maßgeblich war sie an der Definition einer Programmiersprache für lineare Programmierung beteiligt.

Die fünf Stanford-Jahre haben Dr. Christiane Floyd als Software-Spezialistin entscheidend geprägt: "lch hatte in dieser Zeit ausgiebig Gelegenheit, mich mit den Konzepten der modernen Software-Technologie vertraut zu machen." Ein wenig schwärmerisch fügt sie hinzu: Stanford sei ihres Wissens die einzige Universität, deren Laboratorien inmitten weidender Kühe liegen.

Keine "Elfenbeinturm"-Theoretikerin

Die Frage, ob sie denn auch einmal selbst programmiert habe, begegnete Dr. Floyd mit einem nachsichtigen Lächeln: Sie habe noch nie zu den "Elfenbeinturm"-Theoretikern gehört, die sich scheuen, in die "Niederungen" der Praxis einzusteigen. Dr. Floyd: "1965 habe ich für einige Monate als Werksstudentin im Münchner Siemens-Zentrallaboratorium gearbeitet und dort programmieren gelernt. Das erste Programm schrieb allerdings zu 70 Prozent ein hilfsbereiter Nachbar. Beim zweiten war's genau umgekehrt."

Programmier-Praxis bekam sie auch bei einem "Ferienjob" (IBM/Wien) und von 1966 bis 1968, als sie vor ihrem anschließenden USA-Aufenthalt wiederum im Siemens-Zentrallaboratorium arbeitete und dort maßgeblich an der Planung und Entwicklung des ALGOL-Compilers für die Siemens 4004 beteiligt war.

Projektentwicklung und Praxis

Dr. Christiane Floyd betont: "Auch in meiner jetzigen Tätigkeit interessiert mich nicht nur die Schreibtisch-Arbeit, also die Planung und Entwicklung von Software-Projekten, sondern vor allem die abschließende Phase des praktischen Einsatzes. Als leitende System-Planerin habe sie das unter Anwendung der strukturierten Programmierung entwickelte Informationssystem HALORD zur Automatisierung der Verwaltungsorganisation selbst mit erfolgreich getestet. Dieses mit ihrer maßgeblichen Beteiligung fertiggestellte Projekt sei übrigens mit Mitteln aus dem Zweiten DV-Förderungsprogramm der Bundesregierung realisiert worden."

Im Januar 1975 hat sie mit der Entwicklung eines Software-Tools zur Qualitätskontrolle von Anwendungsund Systemprogrammen begonnen. Ein Projekt, das ganz neuartig sei.

Ihre Ausbildungstätigkeit im Rahmen von Seminaren in führenden Instituten, bei DV-Herstellern und-Anwendern, ist im wesentlichen ebenfalls der Anwendung der strukturierten Programmierung gewidmet. Dr. Christiane Floyd ist davon überzeugt: Diese noch "jungen" Design- und Konstruktions-Prinzipien von Programm-Systemen werden sich auch auf dem kommerziellen Sektor durchsetzen.

"Musikalisches" Beispiel

Die Funktion der strukturierten Programmierung könne man, stark vereinfachend, anhand eines Beispieles aus der Musik erläutern: Um eine Sonate zu komponieren, genüge es nicht, ein Instrument zu beherrschen. Man müsse auch die Regeln der Kompositionslehre genau kennen. Auf die EDV übertragen, bedeute das: Es reiche nicht aus, eine Programmiersprache im Griff zu haben. Erst die Kenntnis der Methodik stellt einen rationellen Programmablauf sicher. "Hier ist die strukturierte Programmierung ein entscheidendes Hilfsmittel."