Betriebswirtschaftliche Standardsoftware/Funktionalität integrierter Reporting-Werkzeuge oft unzureichend

Standardsoftware und Data-Warehousing zum Analyse-Tool verknüpfen

24.10.1997

Noch in den achtziger Jahren kamen Geschäftsprozesse und Strategien alle fünf bis acht Jahre auf den Prüfstand. Heute haben sich die Zyklen auf zwölf bis 18 Monate verkürzt. Kein Wunder, daß Standardsoftware, die wichtige Unternehmensbereiche in ein stringentes System zusammenbindet, ein Segen für die vom Wettbewerb gebeutelten Anwender zu sein scheint. Prozesse transparent, schnell und flexibel zu steuern, lautet das Hohelied der Informationstechnologie (IT); und das nicht nur im Heimmarkt der SAP, die inzwischen Lieblingskind der internationalen Anleger geworden ist.

Daß sich unter solchen Vorzeichen der so oft versprochene, jedoch bislang keineswegs befriedigende Nutzen der Informationstechnik allmählich einstellt und alten Ärger - zu alt, zu teuer, nicht aufeinander abgestimmt - vergessen läßt, klingt vielversprechend.

Nachdem Hochfinanz und Telekommunikation, Industrie und Handel IT als strategische Waffe einsetzen, erkennt jetzt auch das produzierende Gewerbe deren Bedeutung. Unter dem Druck, rechtzeitig auf den Euro und das Jahr 2000 vorbereitet zu sein, beginnt nun auch der Mittelstand, sich für das Thema Standardsoftware zu erwärmen. Wie können wir unsere Produkte absichern, wie lassen sich neue Quellen für Umsatz und Ertrag erschließen? So oder ähnlich lauten die regelmäßig vom Management gestellten Fragen. Von der Informationstechnik erwarten sie folgerichtig, daß sie aktuelle Kunden- und Unternehmensdaten bereitstellt, entscheidungsorientiert aufbereitet und sie endlich von der bisher üblichen kontraproduktiven Warterei auf die Reports befreit.

Auch Atlas Weyhausen sieht sich aufgrund stärkeren internationalen Wettbewerb gezwungen, Kosten zu reduzieren und Prozesse effizienter zu gestalten. Damit sind die Anforderungen an das Controlling gewachsen. Zur Vorlage und Analyse von internen und externen Daten sind Auswertungswerkzeuge gefragt, die über die herkömmliche Funktionalität von Spreadsheets hinausgehen, Medienbrüche ausschließen und wesentlich höhere Datenvolumina in konsistenter Form bereitstellen können.

Um solche Schneisen in den wuchernden Informationsdschungel zu schlagen, sind die in Standardsoftwareprogrammen enthaltenen Reporting-Tools schlichtweg überfordert. Sie können nur einen Bruchteil dessen leisten, was die aus unterschiedlichen Branchen kommenden Anwender erwarten. Ihre Anforderungen an die Auswertungswerkzeuge gehen zu weit auseinander. Die Anbieter ihrerseits versuchen nicht selten dem Kundenwunsch zu entsprechen, indem sie mitgelieferte Reporting-Funktionalität um eigene Entwicklungen ergänzen.

Daß die Informationsbedürfnisse der Anwender durch den Einsatz von Standardsoftware mehr denn je im Vordergrund stehen, ist sicherlich ein positives Resultat des unvermindert anhaltenden Booms von Paketen wie SAPs R/3. Erstmals kann eine IT-Lösung unternehmensübergreifende Prozesse unterstützen und daraus Wettbewerbsvorteile ziehen.

Auch das Mega-Softwarepaket, das Atlas Weyhausen favorisierte, ist so konzipiert. Es enthält Standard-Reports, die Controller sowie Marketing- und Vertriebsverantwortliche über Datenschwankungen am Markt auf dem laufenden halten sollen. Bei Ad-hoc-Abfragen jedoch, die Erkenntnisse - just-in-time - in schnelle Entscheidungen umsetzen müssen, stößt die Funktionalität des integrierten Reporting-Werkzeugs an ihre Grenzen.

Wer hat heute schon die Zeit, mehrere Tage auf eine einzelne Auswertung zu warten? Die im täglichen Umgang mit Zahlen geübten Mitarbeiter erwarten eine schnelle und pragmatische Umsetzung ihrer Analysen, zum Beispiel eine Auswertung der Produktabsätze hinsichtlich Region, Zeit und Vertriebskanal.

Niemand will abhängig sein von der Lieferfähigkeit der DV-Abteilung. Hier helfen auch die Standardsoftwarepakete - noch - nicht viel weiter. Die Möglichkeiten des Datenzugriffs, der Datenverdichtung und Datenanalyse sind eingeschränkt. Nachträglich programmierte Ergänzungen, so hoffen viele Anwender, könnten für Abhilfe sorgen. Vom kosten- und zeitintensiven Zusatzaufwand abgesehen, übersteigen die meist Unix-basierten Anpassungen die programmtechnische Kompetenz des durchschnittlichen Anwenders. In der Regel hat dieser auch keine Lust, Zeit in den Erwerb von SQL-Abfragekenntnissen zu investieren.

So hat der Anwender meist das Nachsehen. Einerseits wird ihm die unternehmensweite Sicht auf ein riesiges Datenarsenal offeriert. Auf der anderen Seite läuft er jedoch ins Leere, will er im Rahmen einer Auswertung zum Beispiel Daten aus dem Bereich Lohn und Gehalt mit der Kostenrechnung unter einen Hut bringen. Der modulübergreifende Zugriff auf unternehmenskritisches Wissen bleibt ein Traum. Manager sind auch weiterhin vom Strom aktueller Daten ausgeschlossen und müssen zudem auf die versprochene Transparenz entscheidungsrelevanter Informationen auf ihren Bildschirmen verzichten.

Nicht nur Quantum hat dieses Problem erkannt und nach Alternativen gesucht. Auch die Großen der Unternehmenssoftware halten sich die Probleme vom Hals, indem sie PC-basierte Standardwerkzeuge in ihre Systeme eingliedern. Quantum bietet seinen Kunden zum Beispiel Lösungen, die als Standardsoftwarepaket und Data-Warehouse zugleich funktionieren. In "Mega/Mix" kann der Anwender individuelle Abfragen unmittelbar und aktuell starten und dabei auf die im Data-Warehouse verdichteten Daten zugreifen. Hierzu sind keine speziellen Kenntnisse für Datenbankabfragen erforderlich.

Integriert ist das Abfrage- und Analyse-Tool "Business Objects" des gleichnamigen Anbieters. Bei Atlas Weyhausen ist das Werkzeug in den Bereichen Finanz- und Rechnungswesen, Controlling, Personalwirtschaft und Datenverarbeitung im Einsatz. Inzwischen ist es Bestandteil der Module Kostenrechnung, Logistik und Personalzeiterfassung.

Informationen lassen sich in Excel transferieren

Standardsoftwaremodule und Data-Warehouse befinden sich auf einem Server und laufen unter einer Oracle-Datenbank. Ein Datenbank-Trigger steuert die regelmäßige Verdichtung der Daten nach zeitlichen und hierarchischen Vorgaben. Während die Anwender zur Erstellung von Reports und mehrdimensionalen Analysen heute noch ausschließlich über ihre Pentium-100-PCs auf den "magischen Würfel" zugreifen, ist bald auch die Systemeinbindung des Internet vorgesehen. Die Vertriebs-Manager vor Ort laden dann relevantes Zahlenmaterial über ihren Browser herunter.

"Durch die Verknüpfung von Standardsoftware und Data- Warehousing versprechen wir uns ein effizienteres Berichtswesen, schnellere Analysen und eine Verringerung von Routineaufgaben", so die Einschätzung von Klaus Brunkhorst, Leiter des Finanz- und Rechnungswesen bei Atlas Weyhausen. Nunmehr lassen sich die Berichte nach unterschiedlichsten Kriterien erstellen und ohne den bisherigen Zeitverzug entscheidungsorientiert aufbereiten.

Die Differenzierung nach Artikeln, Waren- und Produktgruppen zählt ebenso dazu wie die übersichtliche Gliederung in Personenkonten, Kostenstellen sowie daraus folgenden Hierarchiestufen. Im Unterschied zu selbstprogrammierten Hilfen, deren Benutzerfreundlichkeit häufig zu wünschen übrig läßt, lassen sich die gewonnenen Informationen grafisch und tabellarisch aufbereiten und zudem in Excel transferieren.

Abgesehen von den gewünschten Verbesserungen in puncto Funktionalität und Layout, hat sich die integrierte Lösung als fester Bestandteil der Standardsoftware-Umgebung etabliert. "Wir sparen Zeit und Kosten und erkennen weiteres Potential", lautet Brunkhorsts Fazit. Es scheint so, als erreichten die wohlklingenden Marketing-Sprüche die Anwender nicht mehr. Über die Akzeptanz eines Angebots stimmen sie jedenfalls auf ihren Tastaturen ab.

Spezialisten an Bord

Wie das Beispiel der Atlas Weyhausen zeigt, müssen sich die Anbieter von Standardsoftwarepaketen einiges einfallen lassen, um wie gute alte Maßschneider die Wünsche ihrer Kunden zu erfüllen. Nicht immer sind mittelständische Anwender mit der gebotenen Funktionalität der integrierten Werkzeuge unzufrieden. Die Erwartungen insbesondere im Großkundenbereich sind jedoch insgesamt eher gestiegen, zumal dort Standardsoftware auch unter strategischen Erwägungen favorisiert wird. Wettbewerbsdruck sowie größere Markt- und Kundennähe setzen entscheidungsrelevante Information just-in-time voraus. Ferner wird ungern auf die Leistung der Eigenentwicklungen verzichtet. Ob SAP mit Cognos, Baan mit Hyperion oder Business Objects - Anbieter holen sich Spezialisten ins Boot, die ein hohes Niveau für Reporting und Business Intelligence mitbringen. Damit läßt sich auch der Zeitaufwand für die Einführung reduzieren.

Angeklickt

Daß sich Standardsoftware, Data-Warehousing und Management-Informationssysteme gut miteinander kombinieren lassen, zeigt das Beispiel der Atlas Weyhausen GmbH & Co. KG im niedersächsischen Wildeshausen. Der Hersteller von Baumaschinen und Container-Wechselsystemen für Lastkraftwagen hat sich für die Standardsoftware Mega des Dortmunder Anbieters Quantum entschieden. Diese wurde um Data-Warehouse-Funktionalität erweitert.

*Alexander Limberg ist freier Journalist in München.