Aufbruchstimmung auf dem COMPUTERWOCHE Executive Forum

Standards sind langweilig, aber ...

08.10.2004
DRESDEN (qua) - Wer die ewige Kostendiskussion leid ist, muss für die IT den Nachweis des Nutzens erbringen. Voraussetzung dafür ist die Balance zwischen innovativen Prozessen und standardisierter Technik. Was das bedeutet, wurde auf dem "Executive Forum" der COMPUTERWOCHE deutlich.

"Im Bermudadreieck zwischen Vorstand, Fachbereich und CIO wird ohne Ende Geld versenkt." Mit diesem Paukenschlag eröffnete Lothar Dietrich, Geschäftsführer der Manß 38; Partner GmbH, das CIO-Treffen, zu dem die COMPUTERWOCHE diesmal ins Dresdner Taschenberg-Palais geladen hatte. Inhaltlich bestritten wurde der Event von den Autoren des im Springer Verlag, Heidelberg, erschienen Buchs "IT im Unternehmen - Leistungssteigerung bei sinkenden Budgets".

Als Mitherausgeber des Werks referierte Dietrich über "Die ersten 100 Tage des CIO - Quick Wins und Weichenstellung". In den ersten drei Monaten nach seinem Amtsantritt müsse der IT-Chef einerseits die "Roadmap" für die kommenden Jahre anlegen, so der Berater. Andererseits sei es unerlässlich, schnelle Erfolge vorzuweisen, um Anerkennung auf der Führungsebene und in den Fachbereichen zu erwerben.

Trennung zwischen CIO und Dienstleister

Dem Thema "Steuerung des IT-Outsourcing" widmete Michael Gorriz, Leiter IT Business Systems bei der Daimler-Chrysler AG, seinen Vortrag. Zwar gebe es einige spektakuläre Beispiele dafür, dass Unternehmen wie Ford und J.P. Morgan ihre IT ins Unternehmen zurückholten, aber insgesamt sei der Trend in Richtung Outsourcing ungebrochen: "Die Frage ist nicht ob, sondern was und wie auslagern." Voraussetzung für eine erfolgreiche Fremdvergabe von IT-Leistungen sei unter anderem eine klare Trennung zwischen dem Anforderungs-Management und dem Betrieb. Im Klartext: Der CIO sollte keinesfalls der Geschäftsführer des Dienstleisters sein. Darüber hinaus müsse sich die Infrastruktur bereits vor dem Outsourcing in einem stabilen Grundzustand befinden.

Die Vorteile durchgängiger Systeme betonte auch Walter Klein, Vorstandsmitglied der Versicherungskonzerns Deutscher Ring. In seinem Vortrag "Die Rolle der IT bei der Erneuerung des Geschäftsmodells" erinnerte er sich beispielsweise, dass das Assekuranzunternehmen früher eine heterogene Hard- und Softwarelandschaft mit 40 unterschiedlichen Desktop-Plattformen zu pflegen hatte. Der Weg zu effizienteren Abläufen sei damit quasi verbaut gewesen: "Ohne integrierte Systeme bekommen Sie keine automatisierten Prozesse hin; das ist so, also würde man das Auto schlangenförmig durch die Fertigungshalle schieben." Zudem legt eine standardisierte Umgebung auch die Basis für das, was Klein "Just-in-Time-Information" nennt: "An jedem Punkt im Unternehmen müssen die Kundendaten jederzeit verfügbar sein."

Stefan Keese, Geschäftsführer der Vattenfall Europe Information Services GmbH, nutzte in den Jahren 2002 und 2003 die "Gunst der Stunde". Als das aus den vier Energiedienstleistern Bewag, HEW, Laubag und Veag zusammengefügte Unternehmen seine IT in ein Tochterunternehmen auslagerte, führte Keese eine homogene PC-Landschaft mit identischer Konfiguration auf Windows-XP-Basis ein: "In einer neuen Umgebung bringt man so etwas leichter durch."

Wenn Governance den Sparkurs verstellt

Wolfgang Schirra, Senior Partner bei Booz Allen Hamilton und der zweite Herausgeber des genannten Buchs, beleuchtete in seinem Redebeitrag das gewandelte Selbstverständnis der IT und des CIO: "Die IT ist erwachsen geworden", so seine These. Wie jede andere Unternehmensfunktion müsse sie nun ihre Kosten gegen ihren Nutzen aufwiegen lassen. Dabei komme es bisweilen zu paradoxen Situationen: "Beispielsweise gibt es den Fall, dass die Governance eine Kostenreduzierung unmöglich macht - weil das Budget bei den Fachbereichen liegt." In diesem Spagat liege die Ursache für die kurze "Halbwertszeit" der CIOs in den vergangenen Jahren. Die Governance-Strukturen zu ändern sei allerdings äußerst schwierig - abgesehen von zwei Fällen: gleichzeitig mit dem Antritt einer CIO-Position oder nach dem Erzielen signifikanter Quick Wins.

Kunden ändern sich langsamer als Analysten

Konzernübergreifende Standardisierung war das Thema des Vortrags von Christoph Ganswindt, CIO der Lufthansa Passage. Er lotete die Möglichkeit aus, gemeinsame IT-Strukturen für eine Allianz unterschiedlicher Air-Carrier aufzubauen. Wie Ganswindt ausführte, lassen sich beispielsweise Vertriebs-, und Marketing-Informationen, Reservierungs-, Ticket-Management- und Abflugkontrollsysteme sowie die PNR-Datenbank (PNR = Passenger Name Record) gemeinsam nutzen - im Gegensatz zu unternehmenskritischen Applikationen wie Yield-, Origin-and-Destination- und Vertrags-Management sowie Flugplangestaltung.

Last, but not least wurde auch das E-Business thematisiert. Nach Ansicht von Markus Irmscher, Leiter E-Business bei der Nestlé Deutschland AG, hat die Entwicklung erst nach dem Hype wirklich Fahrt aufgenommen: "Die Großunternehmen sind die neuen Dotcoms." In der Vergangenheit seien einige Fehler gemacht worden: Zum einen habe sich das Verhalten der Kunden langsamer geändert als die Erwartungen der Analysten. Zum anderen sei oft versucht worden, die neue Technik einfach über alte Prozesse zu stülpen. Auch für ein erfolgreiches E-Business ist die Standardisierung von Stammdaten, Systemen und Prozessen unabdingbar, so Irmscher: "Standards sind langweilig, verbessern aber signifikant die Total Cost of Ownership."