So offen wie möglich

Standards beschreiben das Wesen eines NCs

12.09.1997

Bereits vor einem Jahr haben sich verschiedene Hersteller darauf geeinigt, was ein NC sein soll und welche Standards er auf jeden Fall abdecken muß (siehe Kasten). An dieses "NC Reference Profile 1" (NCRP) haben sich Anbieter von NCs zu halten. Nur Hersteller, deren NCs an dieser Richtschnur zu messen sind, sollen das NC-Markenzeichen tragen dürfen, das übrigens "Network Computer Profile" (NCP) heißt, seit es sich unter der Obhut der Open Group befindet. Palmtops ebenso wie Desktops, die dieser Norm entsprechen, können per Definition NCs sein. Gleiches gilt prinzipiell auch für einen PC, würde er nicht einer wesentlichen Standardisierungsforderung zuwiderlaufen: festgelegt auf eines der Microsoft-Betriebssysteme und die Intel-konforme Prozessor-Hardware ist er nicht plattformunabhängig.

Die weitreichenden Normierungsvereinbarungen legen Hardwarekomponenten, Internet-, E-Mail- und Boot-Protokolle, WWW-Standards, Multimedia-Datenformate sowie Sicherheits-Features fest und tragen so zu einer starken Vereinheitlichung der angebotenen Geräte bei.

Wesentlich an dem NC-Konzept ist, daß Fragen etwa der eingesetzten Prozessor-Hardware oder des zugrundeliegenden Betriebssystem-Konzepts lediglich von sekundärer Bedeutung sind. Dieser Argumentation liegt das Java-Konzept, im engeren Sinn die als "Java Virtual Machine" bekanntgewordene Software-Implementierung zugrunde. Sie baut auf dem Java-Bytecode auf, der die Plattformunabhängigkeit erst gewährleistet. Compiler anderer Programmiersprachen können nämlich diesen Bytecode ebenso wie andere Instruktionen-Sätze ansprechen.

Im Klartext heißt dies: Prinzipiell könnte auch Microsofts "Visual Basic" Java-Bytecode kreieren. Auf diese Weise ließen sich Microsoft-Anwendungen unter Java entwickeln - ein aus politischen Gründen allerdings eher unwahrscheinlicher Gedanke. Grundsätzlich bedeutet dies aber auch, daß NCs mit einer Java-Virtual-Machine-Implementierung eben nicht abhängig sind von einer bestimmten Betriebssystem- und Prozessorarchitektur. Diese Plattformunabhängigkeit weisen Windows-Anwendungen nicht auf.

Die Gartner Group formuliert deshalb zu Recht, die Network-Computing-Technologie bedeute nicht die Rückkehr zu unintelligenten Terminals. Vielmehr stelle sie einen Paradigmenwechsel bei Rechnerarchitekturen dar, der sich zunächst in der Software manifestiere, später möglicherweise aber auch in der Hardware.

Am 23. Juni 1997 haben nun eine Reihe von Herstellern weitere Standardisierungsvorschläge veröffentlicht, die die Art und Weise der Nutzung von NCs als mobile Arbeitsstationen beschreiben. Diese "Mobile Network Computing Reference Specification" (MNCRS) setzen auf dem Network Computer Profile auf.

Der MNCRS-Vorschlag stammt von IBM, NCI (Oracles NC-Division), Sun, Apple, Fujitsu, Mitsubishi Electric, Nokia, Toshiba, Netscape, 14 weitere Firmen unterstützen ihn. Er definiert einen Satz von architektonischen Voraussetzungen, nach denen NCs künftig auch dann genutzt werden können, wenn sie nicht oder nur zeitweise an Unternehmens-DV-Netze angebunden sind.

Indirekt kontert die MNCRS-Norm damit ein wesentliches Argument der NC-Gegner: Die behaupten, ein NC sei in dem Moment seiner Existenzberechtigung beraubt, wenn ein DV-Netz zusammenbricht, der Thin Client somit keine Anbindung mehr an einen Server besitzt. Die MNCRS-Normen sehen hingegen genau diesen Zustand als gewollt an. Sie regeln ferner, wie die Daten auf dem Network Computer per Replikationsmechanismen mit denen auf dem Unternehmens-Host abgeglichen werden, sobald der NC wieder online geht, also mit dem Server verbunden ist.

Die Gartner Group mißt den neuen MNCRS-Richtlinien große Bedeutung bei. Die Analysten erklären hierzu, spätestens mit diesen erweiterten Normierungsvorschlägen zum Thin-Client-Konzept sei das Argument ad absurdum geführt, NCs seien lediglich sklavisch mit der Netztopologie verbundene Terminalsubstitute. Während NCs im NCP per Definition noch auf die Funktion von an Rechnernetze geketteten Clients reduziert sind, brechen die MNCRS-Definitionen mit eben dieser Limitierung.

In diesem Zusammenhang ist auch die Spezifizierung von Speicheroptionen, die in NCs zum Einsatz kommen, von Bedeutung. In den 1996 verabschiedeten NCRP-Bestimmungen heißt es noch explizit, ein ständig verfügbarer lokaler Speicher - gemeint sind Disketten- oder Festplattenlaufwerke - sei in NCs nicht notwendig. Die MNCRS-Eingabe spricht nun davon, daß für mobile NCs ein "dauerhafter, lokaler Speicher für Applikationen und Applets" Voraussetzung sei. Allerdings denken die Mitglieder des Standardisierungsgremiums bei den Speicheroptionen vor allem an Flash-Memory-Speicher wie etwa Smart Cards. Mobile NCs sollen so nicht nur vom Server, sondern auch lokal gestartet werden können. Hierzu wird unter anderem der Kernel eines NC-Betriebssystems auf Flash-Speichern abgelegt.

Um mehr Speicherkapazität in NCs zu erhalten, denkt das Konsortium aber auch an den Einsatz von Festplatten. Diese sollen dann als Cache-Speicher für Daten dienen, die lokal verarbeitet werden.

Auch hierin kann man eine Ausweitung des ursprünglichen NC-Konzepts sehen. Grundsätzlich stellen nämlich Thin Clients lediglich - analog X-Terminals - die Display-Technologie zur Verfügung, also die Grafik- beziehungsweise Benutzeroberfläche. Die eigentliche Verarbeitung der Daten findet hingegen komplett auf dem Server statt. Ausnahme: Java-Anwendungen verarbeiten NCs auch lokal. Dies gilt hingegen nicht für Windows-Applikationen, die prinzipiell aber auch von NCs angesprochen werden können. Voraussetzung hierfür ist allerdings eine Lösung wie die "Independent Computing Architecture" (ICA) von der Citrix Systems Inc. sowie deren "Winframe"-Software, die auf dem Client installiert sein muß.